Archive - Mai 19, 2015

Problem unterschätzt

Die Kommission zur Untersuchung der HCB-Belastung im Kärntner Görtschitztal legte gestern ihren ersten Bericht an die Landesregierung vor. Eingesetzt wurde die Kommission Ende 2014. Sie besteht aus dem Verwaltungsjuristen Bernd-Christian Funk, dem Umweltrechtsexperten Bernhard Raschauer, dem Verfahrenstechniker Franz Neubacher und dem Umweltmediziner Hans-Peter Hutter. Laut einer Presseunterlage der Kommission wurde das Problem von den Behörden, aber auch den beteiligten Unternehmen, unterschätzt. Für die Kommission stellt sich die Frage, ob das Wietersdorfer Zementwerk  „nach seiner bisherigen Bau- und Betriebsweise überhaupt geeignet ist“, mit HCB belasteten Blaukalk wie den aus der Deponie Brückl der Donau Chemie ordnungsgemäß zu verbrennen. Zwar durfte die Wietersdorfer & Peggauer Zementwerke GmbH (W&P) grundsätzlich Klärschlamm als Brennstoff einsetzen. Die Erlaubnis, Blaukalk zu verwenden, wurde jedoch nur mittels eines Anzeigeverfahrens und nicht, wie erforderlich, mittels eines Genehmigungsverfahrens erteilt. Für ein solches Verfahren wäre auch nicht die Bezirkshauptmannschaft (BH) St. Veit, die ihr Placet gab, zuständig gewesen, sondern der Landeshauptmann. Grundlage für den Kenntnisnahmebescheid der BH aus dem Jahr 2010 war das Gutachten eines Amtssachverständigen, das auf den Chlorgehalt des zu verbrennenden Blaukalks überhaupt nicht einging. Die erforderliche „sorgfältige technische Prüfung hinsichtlich der Verbrennungstemperatur“ unterblieb.

Abgesehen davon kritisiert die Kommission aber auch die W&P: Ihr musste klar sein, dass die Betriebsanlagenbewilligung aus dem Jahr 2003 „die Zuführung kontaminierter Abfallarten“ nicht umfasste und dass keine entsprechenden Auflagen für den Betrieb vorgesehen waren. Eine Stellungnahme der W&P liegt bis dato nicht vor.

 

Brief auf der Viehwaage

Als „wesentliche Ursache für Fehleinschätzungen um die Auswirkungen der Verbrennung von Kalkschlamm“ erachtet die Kommission eine Machbarkeitsstudie der Firma FTU aus dem Jahr 2004. Sie befasste sich mit der verfahrenstechnischen Möglichkeit, HCB-haltigen Klärschlamm im Zementdrehrohrofen der W&P ordnungsgemäß zu verbrennen. Allerdings führte die FTU ihren Versuch mit gerade einmal einem Zehntel der von der W&P zu behandelnden Blaukalk-Menge durch. Die HCB-Konzentration belief sich nur auf ein Fünfzigstel des tatsächlichen Werts, die Hexachlorbutadien-Konzentration auf ein 190stel. Auch sei die Nachweisgrenze für HCB im Versuch „um mehrere Zehnerpotenzen höher als bei anderen Substanzen mit ähnlichem Gefährdungspotential“ gewesen. Neubacher verglich dies mit dem Versuch, „einen Brief zur Feststellung des Portos auf einer Viehwaage abzuwiegen.“

 

Nicht schuldhaft, aber mangelhaft

Schuldhaftes Verhalten sieht die Kommission bei der Landesverwaltung sowie der W&P nicht. Allerdings bestanden ihr zufolge „Mängel und Verbesserungspotential bei den internen Informationsprozessen sowie bei der Vorsorge für Kommunikation und Koordination.“ Dass der von der W&P zu verbrennende Blaukalk erheblich mit HCB belastet war, bezeichnet die Kommission als „Tatsache, die auf Grund der Altlastenverfahren feststand und als amtsbekannt vorausgesetzt werden kann.“ Für die Kommission fragt sich daher, „warum der Einsatz von Blaukalk aus der Altlast Brückl nicht rascher untersagt wurde.“

 

Seitens des Landes Kärnten hieß es, der Bericht der Kommission werde in der Sitzung der Landesregierung am morgigen Mittwoch behandelt. Dabei soll „seine Weiterleitung an den Untersuchungsausschuss im Landtag und an die Staatsanwaltschaft beschlossen werden.“

 

 

 

 

Anagnostics insolvent

Über Anagnostics, ein Biotech-Unternehmen mit Sitz in St. Valentin, wurde ein Insolvenzverfahren eingeleitet. Laut Angaben des Unternehmens gelang es nicht, die Liquidität durch eine Aufstockung des Eigenkapitals abzusichern.

 

Zuletzt sollen Verhandlungen mit einem potenziellen Investor gescheitert sein. Anagnostics hatte eine neuartige zylindrische Anordnung von Microarrays („Hybcell“) und eine zugehörige Einheit zur automatisierten Handhabung („Hyborg“) entwickelt und damit auf den Markt für immunologische und genetische Diagnostik abgezielt.

Wie aus informierten Kreisen zu erfahren ist, konnte das 2006 gegründete Unternehmen die prognostizierten Umsätze nicht erzielen. Trotz interessanter Märkte hätten nur wenige potenzielle Anwender von den Vorteilen des Geräts überzeugt werden können. Auch eine zuletzt gestartete Vertriebsoffensive habe das Rad nicht mehr herumreißen können. Laut Christian Laurer, Senior Investment Manager bei Tecnet Equity, einem der Investoren von Anagnostics, hätte der notwendige Kapitalbedarf die Möglichkeiten der im Eigentum des Landes Niederösterreich stehenden Technologiebeteiligungsgesellschaft, deutlich überstiegen.

Für 26. Mai ist eine Gläubigerausschusssitzung anberaumt, in der die weitere Vorgehensweise festgelegt werden soll. Nach Angaben von Masseverwalter Wolfgang Strasser ist eine Sanierung des Unternehmens aber unwahrscheinlich.