Archive - Aug 2015

August 10th

Auf dem Weg zum „Game-Changer“

Neue Krebsimmuntherapien zu entwickeln, die auf niedermolekularen Substanzen beruhen, ist das Ziel einer Kooperation zwischen dem Wiener Biotech-Unternehmen Apeiron Biologics, der Hamburger Evotec AG und dem Pharmakonzern Sanofi, teilten Vertreter von Apeiron und Evotec heute in Wien mit. Für die kommenden zwei Jahre übernimmt Sanofi die Forschungskosten der beiden Unternehmen in diesem Bereich. Zusätzlich zu den mit dem Projekt befassten Experten der beiden Unternehmen stellt Sanofi etwa 25 Forscher dafür ab, berichtete Evotec-Vorstand Werner Lanthaler bei einer Pressekonferenz. Vereinbart wurden Meilensteinzahlungen von mehr als 200 Millionen Euro, wenn vorab definierte Erfolge erzielt werden. Sollte es gelingen, eine Therapie zu entwickeln, erhalten Apeiron und Evotec überdies einen Anteil an den jährlichen Umsatzerlösen. Wie Lanthaler dem Chemiereport mitteilte, liegt dieser zwischen drei und zehn Prozent, der genaue Wert ist vertraulich. Lanthaler zufolge ist die Umsatzbeteiligung „der große kommerzielle Erfolg“. Bei derartigen Projekten liege der Umsatz im Milliardenbereich. Ein Anteil von wenigen Prozenten mache da erhebliche Summen aus.

 

Apeiron-Gründer Josef Penninger erläuterte, es gehe darum, dem Immunsystem zu ermöglichen, Tumorzellen zu erkennen und damit bekämpfen zu können. Das erfolgt mittels der „Checkpoint-Blockade“. Als „Checkpoints“ werden Mechanismen bezeichnet, die das Immunsystem daran hindern, körpereigene Zellen anzugreifen. Bei Krebsimmuntherapien werden die „Checkpoints“ zeitweilig deaktiviert, damit das Immunsystem die – ja körpereigenen – Tumorzellen ausschalten kann. Penniger zufolge ist dieser Ansatz „ein völliger Game-Changer“ in der Krebsbehandlung. Alle großen Pharmaunternehmen befassen sich derzeit mit solchen Technologien. Wie Penniger auf Frage des Chemiereport erläuterte, soll im Rahmen der Kooperation mit Sanofi innerhalb der kommenden zwei Jahre erforscht werden, welches Molekül sich für welche Therapie grundsätzlich am besten eignen würde: „Wenn es optimal läuft, finden wir vielleicht ein Molekül, das sich für klinische Tests eignet“. Dabei spielt nicht zuletzt auch das Erforschen der Nebenwirkungen eine wichtige Rolle, fügte Penninger hinzu. Bei Krebsimmuntherapien würden, grob gesprochen, die „Bremsen“ des Immunsystems zeitweilig deaktiviert. Dabei könnten unerwünschte Effekte nicht ausgeschlossen werden.

 

Basis APN411

Die Basis für die nun erfolgenden Forschungen legte Apeiron mit dem Programm APN411, an dem seit drei Jahren auch die Evotec beteiligt war. Laut Apeiron-Vorstandschef Hans Loibner wurden dabei rund 100.000 Substanzen auf ihre mögliche Wirksamkeit überprüft. Nun gehe es darum, die Wirkmechanismen im Detail zu untersuchen. Nach zwei Jahren werde Sanofi entscheiden, „ob ausgehend von den dann vorliegenden Ergebnissen, die Entwicklung von Therapien weiterverfolgt wird oder nicht.“ Schlage das Vorhaben fehl, sei dies zwar unerfreulich, aber keineswegs existenzgefährdend, teilte Loibner dem Chemiereport mit: „Wir haben dann viel gelernt und können mit anderen Projekten weitermachen“. Er plant, in den kommenden zwei Jahren etwa fünf bis sechs Personen für die Kooperation mit Evotech und Sanofi einzustellen.

 

Laut Lanthaler waren bei Apeiron und Evotec bisher insgesamt etwa 20 Personen mit dem Programm APN411 beschäftigt. Die jährlichen Kosten pro Mitarbeiter lagen ihm zufolge bei etwa 100.000 bis 250.000 Euro. Somit investierten die beiden Unternehmen insgesamt zwischen sieben und 17,5 Millionen Euro. Den genauen Wert wollte Lanthaler auf Anfrage des Chemiereport nicht nennen.

 

 

 

 

August 7th

Britische Wettbewerbsbehörde ermittelt gegen Pfizer und Flynn Pharma

Die britische Competition and Markets Authority (CMA) hat eine Untersuchung gegen die Pharmaunternehmen Pfizer und Flynn Pharma eingeleitet. Sie werden beschuldigt, seit September 2012 in Großbritannien ein Arzneimittel gegen Epilepsie zu „überhöhten und unfairen Preisen“ verkauft und damit britisches sowie EU-Recht verletzt zu haben. Dadurch sei das staatliche Gesundheitssystem Großbritanniens geschädigt worden. Das Medikament dient der Vorbeugung gegen Schlaganfälle sowie dazu, die Auswirkungen von Schlaganfällen zu kontrollieren. Nach Angaben der CMA wird es in Großbritannien von etwa 50.000 Personen benötigt.

 

Laut CMA ist der Sachverhalt folgender: Vor September 2012 produzierte und verkaufte Pfizer das Medikament unter der Bezeichnung Epanutin. Zu dieser Zeit wurden die Vermarktungsrechte an die Flynn Pharma verkauft. Diese erzeugte ein Generikum und begann im September 2012 mit dessen Vermarktung. Gleichzeitig produzierte Pfizer Epanutin weiter und verkaufte es zwecks Weitervermarktung an Flynn Pharma – zu Preisen, die um acht bis 17 Prozent über dem ursprünglichen Verkaufspreis lagen. Flynn Pharma wiederum verkaufte das Mittel um 25 bis 27 Prozent über dem ursprünglichen Verkaufspreis von Pfizer. Dadurch stieg der Aufwand für das Arzneimittel und das Generikum im Rahmen des staatlichen britischen Gesundheitssystems von rund 2,3 Millionen Pfund (3,3 Millionen Euro) im Jahr 2012 auf über 50 Millionen Pfund (71 Millionen Euro) im Jahr 2013 und über 40 Millionen Pfund (56,8 Millionen Euro) im Jahr 2014.

 

Ann Pope, Senior Director of Antitrust Enforcement der CMA, verlautete in der Aussendung, Unternehmen mit einer dominierenden Marktposition hätten eine „spezielle Verantwortung“ dafür, sicherzustellen, dass die von ihnen verlangten Preise nicht überhöht und unfair seien. Die CMA sei deshalb über das Verhalten der beiden Pharmaunternehmen und dessen Auswirkungen auf das britische Gesundheitssystem besorgt. Es werde nun weitere Untersuchungen geben, um festzustellen, ob tatsächlich britisches bzw. europäisches Recht gebrochen wurde.

 

Laut einer Meldung des britischen Nachrichtensenders BBC hat Pfizer der CMA „volle Kooperation“ zugesagt. Eine Bestätigung des Unternehmens gibt es bisher nicht. 

August 5th

Boehringer Ingelheim: Umsatz wächst um zwei Prozent

Der Umsatz des Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim belief sich im ersten Halbjahr 2015 auf rund 7,4 Milliarden Euro. Verglichen mit dem ersten Halbjahr 2014 (6,5 Milliarden Euro) sei dies ein Plus von rund zwei Prozent, teilte Boehringer Ingelheim in einer Aussendung mit. Den mit rund 5,3 Milliarden Euro größten Teil des Umsatzes erwirtschaftete das Unternehmen weiterhin mit verschreibungspflichtigen Medikamenten. „Währungsbereinigt“ sei das Geschäft in diesem Bereich „stabil“ geblieben. In Euro gerechnet ergebe sich ein Plus von rund zwölf Prozent, was allerdings nicht zuletzt der „relativen Schwäche“ der gemeinsamen europäischen Währung geschuldet sei.

 

Sehr gut“ entwickelten sich laut der Aussendung die Bereiche Selbstmedikation und Tiergesundheit. Letzterer wuchs währungsbereinigt um elf Prozent auf 662 Millionen Euro. Bei Biopharmazeutika, die Boehringer Ingelheim ausschließlich an Industriekunden verkauft, war mit 214 Millionen Euro ein Plus von 24 Prozent zu verzeichnen.

 

Überdies wurdeb laut der Aussendung im ersten Halbjahr Zulassungen für mehrere Medikamente erzielt, etwa für Synjardi in der EU und für Glyxambir in den USA. Beide Produkte dienen der Behandlung von Diabetes mellitus. In der EU wurde weiters Ofev, ein Mittel gegen idiopathische Lungenfibrose (IPF), zugelassen. Sowohl in den USA als auch in der EU bekam Boehringer Ingelheim auch die Zulassung für Stitolo Respimat gegen COPD. Zur Zulassung in der EU, den USA, Kanada und anderen Ländern eingereicht hat das Pharmaunternehmen Idarucizumab, ein Medikament, das den oralen Gerinnungshemmer Pradaxa seinerseits hemmt.

 

Andreas Barner, der Vorsitzende der Geschäftsführung, zeigte sich mit der Entwicklung zufrieden: „Wir haben mit unseren Markteinführungen der vergangenen Monate die Erneuerung unseres Portfolios weiter vorangetrieben und damit Wachstumspotenziale nicht nur geschaffen, sondern auch genutzt.“ Um mit dem „sich verändernden Umfeld“, vor allem in den USA und Japan, besser zurande zu kommen, soll die Effizienz des Unternehmens weiter gesteigert werden. Für das Gesamtjahr erwartet Boehringer Ingelheim ein „moderates Umsatzwachstum im unteren einstelligen Prozentbereich“, verlautete Hubertus von Baumbach, der die Finanzen des Unternehmens managt.

 

 

 

August 4th

AMAG: Absatz sinkt, EBIDTA steigt

Der Absatz des Ranshofener Aluminiumkonzerns AMAG belief sich im ersten Halbjahr 2015 auf rund 192.500 Tonnen, um zwei Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2014. Das Ergebnis nach Ertragssteuern sank um 15 Prozent auf 22,7 Millionen Euro. Letzteres habe allerdings nichts mit dem operativen Geschäft zu tun, betonten AMA-Vorstandsvorsitzender Helmut Wieser und Finanzvorstand Gernot Mayer heute bei der Bilanzpressekonferenz in Wien. Mayer erläuterte, im ersten Halbjahr 2014 sei vor allem ein einmaliger „positiver Steuereffekt“ zum Trage gekommen: „Den hatten wir heuer nicht mehr.“ Laut Geschäftsbericht 2014 begründete sich dies durch Verlustvorträge für den Standort Ranshofen, die für das Gesamtjahr zu einem Steuerertrag von rund 3,2 Millionen Euro führten.

 

Wie Wieser und Mayer betonten, erhöhte die AMAG im ersten Halbjahr 2015 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ihre Umsatzerlöse um 16 Prozent auf 471,5 Millionen Euro. Das EBITDA wuchs um 30 Prozent auf 70,6 Millionen Euro. Preiseffekte im ersten Quartal trugen zum EBITDA mit 2,5 Millionen Euro bei, die Umschichtung der Verkaufsmengen auf höherwertige Produkte brachte 27,2 Millionen ein. Dazu kamen Währungseffekte vor allem durch den im Vergleich zum US-Dollar gesunkenen Euro-Kurs, die Exporte, primär in die USA, erleichterten und insgesamt mit 10,1 Millionen Euro positiv zu Buche schlugen. Negativ wirkten sich dagegen die um 16,7 Millionen Euro höheren Rohstoff- und Energiekosten, der um 3,9 Millionen Euro gestiegene Personalaufwand sowie nicht näher erläuterte Effekte in der Höhe von 2,9 Millionen Euro aus. Insgesamt sei das erste Halbjahr 2015 sehr gut gelaufen, betonten die beiden AMAG-Vorstände.

 

Die höheren Personalkosten stehen im Zusammenhang mit dem Ausbau des Standorts Ranshofen, wo bis Mitte 2017 um rund 300 Millionen Euro ein neues Kaltwalzwerk sowie dazu gehörende Veredelungsanlagen errichtet werden. Damit baut die AMAG ihre Kapazität im Bereich Walzen auf mehr als 300.000 Tonnen pro Jahr aus. Wieser betonte, dass die Nachfrage derzeit die Produktionsmöglichkeiten seines Unternehmens übersteige: „Alle, von der Auto- über die Flugzeug- bis zur Verpackungsindustrie, möchten mehr Walzprodukte von uns haben. Dieses Problem lösen wir jetzt.“

 

Klima hilft

Als hilfreich fürs Geschäft erweist sich ihm zufolge nicht zuletzt die internationale Klimapolitik. Sowohl in den USA als auch in Europa treten in den nächsten Jahren neue Grenzwerte für den PKW-Flottenausstoß an CO2 in Kraft. Auch hat die EU angekündigt, ihre CO2-Emissionen bis 2030 um 40 Prozent unter den Wert von 1990 senken zu wollen. Am 3. Juli präsentierte US-Präsident Barack Obama seinen „Clean Power Plan“ (CPP), der bis 2030 eine Reduktion der US-amerikanischen CO2-Emissionen um 32 Prozent gegenüber dem Niveau von 2005 vorsieht.
Wieser zufolge zwingt dies die Automobilindustrie, verstärkt Aluminium statt Stahl einzusetzen. Ein Mercedes der C-Klasse enthalte heute bereits etwa 50 Prozent Aluminium, vor zehn Jahren seien es noch acht Prozent gewesen. Wie Wieser dem Chemereport erläuterte, steht Aluminium bei den Leichtbaustoffen „natürlich“ in Konkurrenz zu Kohlefaserstoffen. Allerdings sei Aluminium zu rund 80 Prozent rezyklierbar, Kohlefaserstoffe kämen dagegen auf maximal 16 Prozent. Überdies spiele auch das Kostenargument eine nicht unwesentliche Rolle. Und die Entwicklung gehe weiter. Auch zweidimensionale Werkstoffe seien „selbstverständlich“ ein wichtiges Thema.

 

Überdies setzt auch die AMAG auf das Thema „Industrie 4.0“, fügte Wieser gegenüber dem Chemiereport hinzu. Mit diesbezüglichen Automatisierungstechnologien – Stichwort „intelligente Fabrik“ - lasse sich die Produktivität um das Zehnfache steigern. Vom Chemiereport auf die im Herbst anstehenden Kollektivvertragsverhandlungen angesprochen, sagte Wieser, die weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit werde dabei ganz sicher auf der Tagesordnung stehen. Diese sei notwendig, um international konkurrenzfähig zu bleiben. Nichts abgewinnen kann Wieser dagegen der Forderung nach einer sechsten Urlaubswoche: „Am Strand liegend kann man kein Geld verdienen.“

 

Für das Gesamtjahr 2015 rechnen Wieser und Mayer mit einem EBITDA in der Höhe von 130 bis 140 Millionen Euro. Gegenüber 2014 (114,7 Millionen Euro) wäre das ein Plus von etwa 13,3 bis 22 Prozent. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die seit März von 2.194 US-Dollar pro Tonne auf 1.879 US-Dollar gesunkenen Alu-Preise nicht weiterhin stark fallen. Welches Preisniveau zu einer Korrektur der Ergebnisprognose führen würde, wollten die beiden Manager nicht sagen.

 

 

 

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