Archive - Apr 28, 2017

Pharmaindustrie fordert Anerkennung

Die Branche will nicht nur über die Kosten, sondern auch über den Nutzen ihrer Produkte reden, hieß es bei der Pharmig-Generalversammlung in Wien.

 

„Standort stärken und Wirtschaft fördern“ war das Motto der Generalversammlung des Pharmaindustrieverbands Pharmig am 28. April in Wien. Präsident Martin Munte erläuterte, die Branche erbringe wichtige Leistungen für die Gesellschaft und wolle dafür angemessen akzeptiert werden. Ihr gehe es nicht zuletzt darum, auch weiterhin innovative Arzneien frühzeitig auf den österreichischen Markt zu bringen und den Standort für eine hochwertige Versorgung weiterzuentwickeln. Dies sei angesichts des restriktiver gewordenen Rechtsrahmens nicht einfach, konstatierte Munte unter Hinweis auf die kürzlich beschlossene ASVG-Novelle zur Eindämmung der Medikamentenkosten. Es sei durchaus sinnvoll, im Gesundheitssystem nach Effizienzen zu suchen. Dies dürfe aber nicht nur bei den Arzneimittelkosten erfolgen. Um ihre Leistungen und ihre Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Österreich (noch) besser zu kommunizieren, hat die Pharmaindustrie die Website www.pharmastandort.at eingerichtet.

 

Rendi-Wagner will Partnerschaft

 

In ihrem Grußwort zur Generalversammlung betonte Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner, ihr gehe es „über allem“ um die Partnerschaft mit allen Mitgliedern des Gesundheitssystems und damit keineswegs zuletzt auch der Pharmaindustrie „Diesen Weg will ich weiterhin fortsetzen.“ Rendi-Wagner fügte hinzu, „härtere Diskussionen“ wie jüngst jene über die ASVG-Novelle seien „völlig normal“. Das gemeinsame Ziel bestehe unbestrittener Maßen darin, Innovationen im Gesundheitssystem für alle zugänglich zu machen, die diese benötigen, „und nicht nur für die, die sie sich leisten können“. Folglich müssten gemeinsame Wege für eine „nachhaltige Finanzierung“ des Systems gefunden werden. Auf Basis des Rahmen-Pharmavertrages leiste die Pharmaindustrie dazu einen wichtigen Beitrag. Dass die auf dem Vertrag basierende ASVG-Novelle Herausforderungen für die Industrie mit sich bringe, „ist mir klar. Aber wir müssen alle ein wenig über unseren Schatten springen und einander entgegenkommen“.

Ein wesentliches Thema der kommenden Wochen bestehe darin, die European Medicines Agency (EMA) von ihrem derzeitigen Sitz London nach Wien zu holen. Sie, Rendi-Wagner, kämpfe dafür seit zwölf Monaten. Der Beschluss der Staats- und Regierungschefs werde für das Ratstreffen im Juni erwartet: „Es lohnt sich, sich in die Schlacht zu werfen.“

 

Kapsch teilt aus

 

Dies bekräftigte auch der Präsident der Industriellenvereinigung, Georg Kapsch, in seinem Gastvortrag. Für den Wirtschaftsstandort Österreich sei es wichtig, „global sichtbar zu sein. Denn das bringt Investitionen“. Er verstehe „nichts“ von der Pharmaindustrie, bekannte Kapsch. Doch habe auch er erkannt, dass „Life Sciences ein Megatrend sind. Und auf einen Megatrend zu setzen, ist immer zukunftstsorientiert“. Kritik übte Kapsch am österreichischen Gesundheitssystem. Trotz hoher Kosten sei die „Gesundheitserwartung“ der Menschen im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich. Das System müsse „massiv restrukturiert“ werden. Den Rücktritt der Chefin des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, Ulrike Rabmer-Koller, nannte Kapsch „symptomatisch dafür, dass dieses System nicht reformierbar ist“. Es werde von zu vielen Partikularinteressen dominiert, „weil es sozialpartnerschaftlich aufgeteilt ist und nicht unternehmerisch geführt werden kann“. Hier müsse die Politik ansetzen. Statt dessen halte auch sie es offenbar für bequemer, mit den hohen Gewinnen der Pharmaindustrie zu argumentieren. Forschungsintensive Unternehmen bräuchten aber nun einmal höhere Erträge, um ihre Investitionen refinanzieren zu können. „Ich habe den Eindruck, die Pharmaindustrie wird mit irgendeinem Greisler verglichen. Sie zu belasten, ist aber sicher der falsche Weg“, tönte Kapsch unter tosendem Applaus.

 

Gesundheitssystem „etwas kompliziert“

 

Im Zuge einer Podiumsdiskussion verwahrte sich der HV-Generaldirektor Josef Probst gegen den Vorwurf der Reformunwilligkeit. „Das Gesundheitssystem ist wegen der vielen Beteiligten und wegen des Föderalismus nun einmal etwas kompliziert. Wer es reformieren will, hat nur die Wahl, damit umzugehen oder seinen Sessel zu räumen“, betonte Probst mit Seitenhieb auf Rabmer-Koller. Außerdem hätten die Sozialversicherungen mit der seinerzeitigen Einladung zur Entwicklung des Masterplans Gesundheit einen wesentlichen Beitrag zur im Gang befindlichen Gesundheitsreform geleistet. Mittlerweile zögen der Bund, die Länder und die Sozialversicherungsträger an einem Strang: „Das ist schon etwas Besonderes.“

 

Der Generalsekretär der Pharmig, Jan Oliver Huber, äußerte grundsätzlich Verständnis für die Position des HV zu den Medikamentenkosten. Er betonte jedoch, die Ausgaben für die Arzneien gingen an „Unternehmen, die in Österreich Mitarbeiter beschäftigen und die die Lebensqualität der Bevölkerung steigern“. Daher könne es nicht sein, dass manche Arzneimittel „einen Bruchteil eines Kaugummis“ kosten. Nicht nur neue, sondern auch seit längerer Zeit auf dem Markt befindliche Medikamente müssten „angemessen abgegolten werden“.

 

 

Gewinner der ersten BoB-Phase gekürt

Im Rahmen einer „Award Ceremony“ am Ende der ersten Phase des Businessplan-Wettbewerbs „Best of Biotech“ (BoB) wurden am 27. April drei Sieger-Teams prämiert und erhielten jeweils 1.500 Euro.

 

BoB wird von Life Science Austria, einem Programm, das die AWS im Auftrag des Wirtschaftsministeriums betreibt, ausgerichtet, und dient dazu, Wissenschaftler aus dem Bereich der Life Sciences zu motivieren, ihre Ideen und Erfindungen in unternehmerische Modelle zu übersetzen. Der Wettbewerb ist in zwei Phasen gegliedert: In der ersten werden Geschäftsideen präsentiert, die in der zweiten Phase zu vollständigen Business-Plänen ausgearbeitet werden.

Am 27. April endete die erste Phase der diesjährigen BoB-Runde mit der „Award Ceremony“. Aus 31 Teams, die ihre Business-Ideen einreichten, wählte eine 42-köpfige Jury die besten drei aus. Die Gewinner sind:

  • NP Life Science Technologies entwickelt und produziert ein bioabbaubares Trägermaterial, das die Regeneration geschädigter peripherer Nerven unterstützt.
  • Sodisens erstellte einen nichtinvasiven Point-of-Care-Test für die schnelle Diagnose und das therapeutische Monitoring der Natrium-Regulation.
  • Vacthera entwickelt Impfstoffe auf der Basis von Influenza-Viren und Immuntherapien gegen Krebs.

Mit 28. April startet nun die zweite Phase des BoB, bei der bis 1. Juli ausgearbeitete Business-Pläne eingereicht werden können. Auch Teams, die an der ersten Phase nicht teilgenommen haben, sind dazu eingeladen.