Archive - Mai 4, 2017

„Konjunkturelle Talsohle durchschritten“

Nach einem durchwachsenen Jahr für die Branche blickt der Fachverband der chemischen Industrie Österreichs (FCIO) optimistisch auf die Entwicklung im laufenden Kalenderjahr.

2016 gingen die Umsätze um 0,6 Prozent auf knapp 14,8 Milliarden Euro zurück, der Fachverband verzeichnete damit das fünfte Jahr in Folge ohne Aufschwung. Eine Steigerung konnte in den Bereichen Chemiefasern und Lacke erzielt werden, beim Geschäft mit Chemikalien, Kunststoffen und Pharmazeutika gab es Rückgänge. Einer der Gründe ist dabei ein Minus von rund einem Prozent im Auslandsgeschäft, was für die traditionell exportorientierte Chemiewirtschaft besonders stark ins Gewicht fällt. Die Zahl der Betriebe der chemischen Industrie sank im vergangenen Jahr um 1,7 Prozent auf 235, mit rund 44.000 Mitarbeitern beschäftigten diese aber um 1,4 Prozent mehr Menschen als 2015.

Viele Anzeichen würden aber dafür sprechen, dass die konjunkturelle Talsohle durchschritten ist, wie Fachverbands-Obmann Hubert Culik anlässlich eines Pressegesprächs am 4. Mai bemerkte: „Die Unternehmen sind allgemein optimistisch, es herrscht wieder ein positiver Spirit.“ Als Gründe identifizierte Culik eine stärkere Öffnung Richtung Osteuropa, aber auch die Umkehrung bisher üblicher Beschaffungsvorgänge zwischen China und Europa: „Chinesische Firmen kaufen Rohstoff verstärkt in Europa ein.“

Mit der wahrgenommenen Aufbruchsstimmung verbindet der FCIO aber auch Forderungen an die Politik: „Einige im Jänner von der Regierung angekündigte Reformen wie die Erhöhung der Forschungsprämie oder der Bürokratieabbau im Anlagenrecht versprachen Rückenwind. Aber leider steht das Ganze jetzt wieder“, so Fachverbands-Geschäftsführerin Sylvia Hofinger. Auch bei der Regelung der Medikamentenpreise im ASVG und der Novelle zum Ökostromgesetz hätte sich die Industrie standortfreundliche Entscheidung anstatt politischen Abtauschs erwartet.

 

Trendthema Industrie 4.0

Der Trend zur umfassenden Digitalisierung macht auch vor der chemischen Industrie nicht halt. Eine Umfrage unter rund 50 Mitgliedsbetrieben des Fachverbands ergab, dass knapp 60 Prozent „Industrie 4.0“ bereits als Teil ihrer Unternehmensstrategie ansehen. Rund zwei Drittel haben bereits konkrete Digitalisierungsprojekte implementiert. Chancen werden dabei vor allem in der Produktivitätssteigerung von Produktions- und Logistikprozessen und in der Verbesserung der Kundenbeziehung gesehen.

Um diese Chancen wahrzunehmen, gelte es aber auch, die gesellschaftliche Akzeptanz der Digitalisierung zu steigern: „Wir würden uns ein investitionsfreundliches Umfeld statt Diskussion um eine Maschinensteuer wünschen“, so Hofinger. Zudem müssten noch zahlreiche rechtliche Fragen geklärt werden, beispielsweise Haftungsfragen bei autonom agierenden Maschinen, die Nutzungsrechte an Maschinendaten oder Fragen der Cybersecurity. Im Bereich Ausbildung ist man mit der Modernisierung des Lehrberufs Chemieverfahrenstechniker beim Fachverband selbst einen ersten Schritt gegangen.

 

Solvay und Albemarle: Zufrieden mit erstem Quartal

Der belgische Chemiekonzern und der US-amerikanische Lithium-Erzeuger haben Umsatz und EBITDA gesteigert.

 

Einen „starken Start ins Jahr 2017“ meldet der belgische Chemiekonzern Solvay. Der Nettoumsatz wuchs im ersten Quartal 2017 gegenüber dem ersten Quartal 2016 um 9,7 Prozent auf 2,97 Milliarden Euro, das EBITDA um 12 Prozent auf 616 Millionen Euro. Hinsichtlich des EBIT verzeichnete Solvay ein Plus von 16 Prozent auf 429 Millionen Euro. Laut Angaben des Unternehmens hat sich der Nettoumsatz in fast allen Geschäftsbereichen erhöht, bei Advanced Materials um 4,0 Prozent auf 1,12 Milliarden Euro, bei Advanced Formulations und Performance Chemicals um jeweils zwölf Prozent auf 741 bzw. 668 Millionen Euro und bei Functional Polymers um 19 Prozent auf 430 Millionen Euro. Kaum ins Gewicht fällt dem gegenüber der Umsatzrückgang von 4 auf 3 Millionen Euro im Bereich Corporate & Business Services. Solvay begründete diese Entwicklung mit höheren Verkaufsmengen und Verkaufserlösen, die die ebenfalls gestiegenen Einkaufspreise für die Rohstoffe überkompensierten.

 

CEO Jean-Pierre Clamadieu sagte, er wolle den „Weg des Wachstums“ fortsetzen. Für das Gesamtjahr 2017 erwarte Solvay eine Steigerung des EBITDA im „mittleren einstelligen Prozentbereich“. Der Free Cash Flow werde sich auf etwa 800 Millionen Euro belaufen, verglichen mit 164 Millionen im ersten Quartal.

 

Mehr Geld mit Lithium

 

Zufrieden mit dem ersten Quartal zeigte sich auch Luke Kissam, der CEO des US-amerikanischen Chemiekonzerns Albemarle, der zu den weltweit wichtigsten Lithium-Produzenten gehört. Sein Unternehmen meldete für das erste Quartal 2017 ein Umsatzplus von 14 Prozent auf 722 Millionen US-Dollar (660,70 Millionen Euro) sowie einen EBITDA-Zuwachs von 10 Prozent auf 211 Millionen US-Dollar (193,08 Millionen Euro). Mit der Lithium-Erzeugung erwirtschaftete Albemarle nach eigenen Angaben ein EBITDA von rund 100 Millionen Dollar (91,48 Millionen Euro), um 56 Prozent mehr als im ersten Quartal 2016. Die Brom-Produktion erbrachte 68 Millionen US-Dollar (62,21 Millionen Euro), im Jahresvergleich ein Plus von 11 Prozent.

 

Ferner erhielt Albemarle im ersten Quartal 2017 die Genehmigung, seine Produktion in der australischen Greenbushes-Mine bis 2019 auf 160.000 Tonnen Lithiumkarbonat-Äquivalent (LCE) zu verdoppeln. Ein weiteres Projekt zur Steigerung der LCE-Erzeugung in China von 30.000 auf 40.000 Tonnen läuft dem Unternehmen zufolge planmäßig und soll 2018 abgeschlossen werden. Im ersten Quartal 2017 steigerte Albemarle seinen Lithium-Verkauf um 39 Prozent, der Preis war um 21 Prozent höher als im ersten Quartal 2016.

 

Für das Gesamtjahr erwartet Albemarle einen Umsatz von 2,95 bis 3,05 Milliarden US-Dollar (2,69 bis 2,78 Milliarden Euro), das bereinigte EBITDA soll zwischen 835 und 875 Millionen Dollar (763,66 bzw. 800,33 Millionen Euro) liegen. Zum Vergleich: Im Jahr 2016 erwirtschaftete das Unternehmen 2,67 Milliarden US-Dollar (2,44 Milliarden Euro) Umsatz, das bereinigte EBITDA belief sich auf 758 Millionen US-Dollar (693,31 Millionen Euro).