Archive - Mai 8, 2017

Brennstoffzellen: Großes Potenzial

Welche Rolle Brennstoffzellenheizungen im künftig im Erdgasnetz spielen und welche Bedeutung sie für die Dekarbonisierung haben können, war Thema eines Strategiegesprächs in Wien.

 

Grundsätzlich können mit Erdgas betriebene Brennstoffzellen künftig eine wichtige Rolle auf dem österreichischen Heizungsmarkt spielen. An Herausforderungen ist aber kein Mangel, hieß es kürzlich bei einem Strategiegespräch der deutsch-österreichischen Initiative Zukunft Erdgas, des Fachverbands Gas-Wärme und der Rohöl-Aufsuchungs-AG (RAG Austria) in Wien. Der Vorstand von Zukunft Erdgas, Timm Kehler, erläuterte, zurzeit werde aus klimapolitischen Gründen der Einsatz von Strom in den Bereichen Raumwärme und Verkehr forciert. Doch das genüge nicht, um das angestrebte Ziel einer CO2-Reduktion um 80 bis 95 Prozent bis 2050 zu erreichen. Der Grund: Es könne nicht ausreichend Strom aus mittels der „klassischen“ neuen erneuerbaren Energien wie Wind- und Solarkraft bereitgestellt werden. Auch seien keineswegs alle Hausbesitzer in der Lage, umfangreiche energetische Sanierungen zu finanzieren und so ihren Wärmebedarf zu vermindern. Helfen könne nur eine Kombination aus erneuerbaren Energien und Erdgas. Letzteres habe noch dazu den Vorteil, selbst quasi „erneuerbar“ zu sein - in Form von Biomethan und synthetischem Erdgas. Dieses wird erzeugt, indem Wasser mit Strom aus erneuerbaren Energien in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt und der Wasserstoff durch Reaktion mit CO2 in Methan umgewandelt wird, den Hauptbestandteil von Erdgas. Kehler zufolge könnten sich bis 2050 rund 35 Prozent „grünes“ Erdgas in den deutschen Netzen finden.

 

Ähnlich argumentierte RAG-Austria-Generaldirektor Markus Mitteregger. Ihm zufolge kann auch in Österreich nicht ausreichend Strom mittels erneuerbarer Energien bereitgestellt werden, um den Raumwärme- und den Verkehrssektor vollständig zu bedienen. Daher habe es keinen Sinn, „Gasheizungen durch Stromheizungen zu ersetzen, so lange nicht klar ist, woher die Elektrizität kommt“. Folglich sei Erdgas ein wesentlicher Energieträger im Zusammenhang mit der angestrebten Dekarbonisierung. Auch Wasserstoff habe großes Potenzial und sei gut geeignet, mit Erdgas zusammenzuspielen, ebenso wie Biomethan. Mitteregger erinnerte an den Einsatz von Stadtgas im vergangenen Jahrhundert. Dieser Energieträger habe zu etwa 50 Prozent aus Wasserstoff bestanden. Die RAG betreibe zur Zeit ein Forschungsprojekt mit der Bezeichnung „Underground Sun Conversion“. Dabei werde Wasserstoff in eine ausgeförderte Gaslagerstätte eingebracht und von Mikroorganismen im Untergrund in Metan umgewandelt. Auf diese Weise könne ein „geschlossener Erdgaskreislauf“ entstehen. Laut Mitteregger wird ferner die Bedeutung von Gasspeichern in den kommenden Jahrzehnten stark wachsen, weil die Gasförderung in Europa rapid zurückgeht. Folglich sind die Mitgliedsstaaten der EU in zunehmendem Maß auf Gasimporte angewiesen. Die Gaslieferung erfolgt jedoch weitgehend konstant, während der Bedarf jahreszeitlichen Schwankungen unterliegt: Im Sommer wird weniger Gas für Heizzwecke benötigt als im Winter. Hinzu kommt der geplante weitere massive Ausbau der erneuerbaren Energien zur Stromerzeugung. Allerdings schwankt die Stromproduktion von Windparks und Soalranlangen witterungsbedingt erheblich und muss daher ausgeglichen werden. Neben Pumpspeichern sind dafür Gaskraftwerke besonders gut geeignet. Für ihren Betrieb muss jedoch stets Gas bereitgestellt werden können, was sich mit Gasspeichern leicht bewerkstelligen lässt.

 

Etliche Angebote

 

Was nun Gasbrennstoffzellen betrifft, haben fast alle namhaften Heizungshersteller einschlägige Produkte entwickelt. Maximilian Lederer von der Bosch Thermotechnik GmbH etwa präsentierte bei dem Strategiegespräch ein Hochtemperatur-Zellensystem (SOFC-System) mit 700 Watt elektrischer Leistung, das für Einfamilienhäuser geeignet ist. Um Bedarfsspitzen zu decken, umfasst dieses auch ein Gasbrennwertgerät und ist überdies mit einem Pufferspeicher ausgestattet. Seit 2016 ist das System auf dem deutschen Markt erhältlich, die Einführung in anderen Ländern wird geprüft.
Auch die deutsche Senertec ist auf dem Markt für Brennstoffzellenheizungen aktiv, berichete deren Innendienstleiter Export, Holger Säuberlich. Das System seines Unternehmens besteht aus einem Brennstoffzellengerät mit 700 Watt Leistung, einem Gasbrennwertgerät als Spitzenlastkessel sowie einem Pufferspeicher. Integriert ist weiters ein Internet-Kommunikationsmodul für die Auswertung der Verbrauchsdaten.

Auf den Gewerbebereich spezialisiert hat sich die Solidpower, erläuterte deren Geschäftsführer Andreas Ballhausen. Das System seines Unternehmens hat eine elektrische Leistung von 1,5 Kilowatt sowie eine thermische Leistung von 0,6 Kilowatt. Außer für Gewerbebetriebe eignet es sich für große Einfamilienhäuser sowie Bürogebäude. Bis dato wurden rund 750 Geräte in Deutschland verkauft, die Amortisationszeit beziffert Ballhausen mit rund sieben Jahren.

Auf Niedertemperatur-Anlagen (PEMFC-Anlagen) setzt dagegen die Firma Viessmann, sagte deren vertreter Manfred Stieger. Seit drei Jahren ist sein Unternehmen mit solchen Geräten auf dem deutschen Markt vertreten, ab 2018 will Viessmann auch SOFC-Anlagen anbieten. In Österreich begann die PEMFC-Einführung im Herbst 2016. Bisher wurden fünf Geräte geliefert, weitere fünf werden in den kommenden Monaten installiert. Die Brennstoffzellen kauft Viessmann bei der Panasonic, die bereits 100.000 Geräte auf dem japanischen Markt abgesetzt hat.

 

Wachsender Markt

 

Laut Peter Jurik vom Fachverband Gas-Wärme (FGW) wird der österreichische Wärmemarkt in den kommenden Jahren weiter wachsen: „Die Bevölkerungszahlen steigen. Damit steigt auch die Wohnfläche, die zu beheizen ist.“ Grundsätzlich wäre es ihm zufolge möglich, den gesamten Raumwärmebedarf in Österreich bis 2050 mit „grünem“ Erdgas inklusive Biomethan zu decken. Wichtig sei daher, das Thema Erdgas auch in der in Ausarbeitung befindlichen österreichischen Energie- und Klimastrategie zu berücksichtigen.