Archive - 2019

March 29th

Arabische Hochzeit

Saudi Aramco bezahlt dem staatlichen saudiarabischen Investfonds PIF rund 70 Milliarden US-Dollar für die Mehrheit an dem Petrochemieriesen SABIC. Der PIF soll damit die Wirtschaft des Königreichs stärker diversifizieren.

 

Es ist gewissermaßen eine Hochzeit im Verwandetenkreis: Der staatliche saudiarabische Erdölgigant Saudi Aramco übernimmt jene 70 Prozent an dem Petrochemieriesen Saudi Basic Industries Corporation (SABIC), die bisher der staatliche Investitionsfonds (Public Investment Fund of Saudi Arabia, PIF) des Königreichs hielt. Er legt dafür umgerechnet rund 69,1 Milliarden US-Dollar (61,5 Milliarden Euro) auf den Tisch. Somit entsteht ein integrierter Öl- und Petrochemiekonzern, der seinesgleichen sucht. Die verbleibenden 30 Prozent der SABIC-Anteile bleiben im Streubesitz.

 

Saudi Aramco gilt als weitaus wertvollste Ölgesellschaft der Welt. Der Wert des Unternehmens wird auf 1.400 bis 2.000 Milliarden US-Dollar geschätzt. Angeblich verfügt der Konzern über Erdölreserven von rund 261 Milliarden Fass, was etwa einem Sechstel der weltweiten Gesamtreserven entspricht. Seine Tagesproduktion liegt bei 10,2 Millionen Fass pro Tag, also ungefähr einem Neuntel der globalen Förderung. Saudi Aramco kann damit rund ein Zehntel des täglichen Ölbedarfs decken. Mit über 65.000 Beschäftigten erwirtschaftet Saudi Aramco einen Jahresumsatz von mehr als 450 Milliarden US-Dollar (400 Milliarden Euro). Zum Vergleich: Österreichs Bruttoinlandsprodukt (BIP) beläuft sich auf etwa 370 Milliarden Euro.

Und auch die SABIC zählt nicht gerade zu den „Kleinen“ in ihrer Branche. Der Unternehmenswert liegt laut Schätzungen bei 85 Milliarden US-Dollar (75,7 Euro), die Nettoerlöse für 2018 werden mit 5,7 Milliarden US-Dollar (5,0 Milliarden Euro) beziffert. SABIC ist mit 34.000 Personen in mehr als 50 Ländern tätig. Die jährliche Erzeugung an Petrochemieprodukten liegt bei 62 Millionen Tonnen, verglichen mit 17 Millionen Tonnen der Saudi Aramco.

 

Gerüchte über die geplante Transaktion kursierten bereits seit längerem. Ihnen zufolge sucht die saudische Staatsführung nach Cash, um die Umstellung der Wirtschaft auf die „Zeit nach dem Öl“ voranzutreiben. Der 2016 von Kronprinz Mohammed bin Salman Al Saud angekündigte Börsegang der Saudi Aramco wurde jedoch abgeblasen. Nun muss der Konzern offenbar selbst Bares an den PIF liefern. Die 69,1 Milliarden Dollar wandern sozusagen vorerst von einer Burnus-Tasche in die andere.

 

PIF-Generaldirektor Generaldirektor Yasir Othman Al-Rumayyan sprach von einer „Win-Win-Situation. Die Einnahmen machen Kapital für langfristige Investitionen in die Diversifizierung der saudiarabischen Wirtschaft frei“. Zufrieden gab sich auch Saudi-Aramco-Präsident Amin Nasser: Durch die Aufnahme von SABIC in die „Saudi-Aramco-Familie“ entstehe ein Geschäftsmodell, das beide Konzerne noch wettbewerbsfähiger mache: „Wir können so dazu beitragen, den wachsenden Bedarf nach Energie und petrochemischen Produkten in aller Welt zu decken.“

Ähnlich äußerte sich der Vizepräsident und CEO der SABIC, Yousef Al-Benyan: Schon seit 1976 arbeite sein Unternehmen eng mit der Saudi Aramco zusammen. Jetzt erfolge eine „Solidisierung“ der Kooperation. Die SABIC profitiere vom technologischen und wirtschaftlichen Potenzial ihres künftigen Mutterkonzerns und verhelfe diesem dazu, ein integriertes Energie- und Petrochemieunternehmen zu werden.

 

March 26th

Bayer: Vergleich zu Xarelto

Mit rund 350 Millionen Euro will der deutsche Konzern Rechtsstreitigkeiten in den USA um den Gerinnungshemmer beenden.

 

Insgesamt 775 Millionen US-Dollar (rund 686 Millionen Euro) bezahlen wollen die beiden Pharmakonzerne Bayer und Janssen Pharmaceuticals, um den Rechtsstreit bezüglich des oralen Gerinnungshemmers Xarelto in den USA zu beenden. Sie haben das Medikament gemeinsam entwickelt und wollen mit der Zahlung fast alle der rund 25.000 US-amerikanischen Kläger abfinden. Laut dem aktuellen Geschäftsbericht von Bayer behaupten diese, Xarelto habe zu Blutungen und Todesfällen geführt. Das Risiko solcher Auswirkungen habe Bayer bekannt sein müssen. Dennoch habe der Konzern potenzielle Anwender des Mittels nicht ausreichend gewarnt. Die Abfindungssumme tragen die beiden Unternehmen zu jeweils der Hälfte. Auf Bayer entfallen somit rund 343 Millionen Euro. Der Konzern sieht seinen Anteil wenigstens teilweise durch eine Produkthaftpflichtversicherung gedeckt. Xarelto das bei weitem umsatzstärkste Medikament von Bayer. Im Jahr 2018 erlöste der Konzern damit rund 2,5 Milliarden Euro. Laut Bayer wurden bis dato „weltweit mehr als 45 Millionen Patienten mit Xarelto behandelt“.

 

Ausdrücklich betont Bayer, die nun angekündigten Zahlungen seien kein Schuldeingeständnis. Es gehe ausschließlich darum, weitere Kosten zu vermeiden. In einer Aussendung konstatiert der Konzern, „dass die Klagen jeglicher Grundlage entbehren. Der Vergleich bedeutet daher auch nicht die Anerkennung einer entsprechenden Rechtspflicht. Allerdings ermöglicht es dieser vorteilhafte Vergleich, Ablenkungen und hohe Kosten zu vermeiden, die durch einen Fortgang der Rechtsstreitigkeiten entstehen würden“. Der Konzern behält sich vor, von der Zahlung zurückzutreten, „wenn eine bestimmte Mindestannahmequote unter den Teilnahmeberechtigten nicht erreicht wird“. Wie hoch diese Quote ist, gab der Konzern nicht bekannt. Nicht erfasst sind zehn Klagen in Kanada, von denen eine als Sammelklage zertifiziert ist. Für die übrigen neun Klagen wurde diese Zertifizierung beantragt.

 

Xarelto ist eines von mehreren Produkten, bezüglich derer Bayer zurzeit rechtliche Auseinandersetzungen führt. Bekanntlich laufen umfangreiche Klagen im Zusammenhang mit dem Pflanzenschutzmittel Glyphosat. Hinsichtlich unerwünschter Nebenwirkungen von Essure, einem „Medizinprodukt zur permanenten Verhütung ohne operativen Eingriff“, wurde Bayer von etwa 25.000 US-Amerikanerinnen geklagt. Bezüglich der Hormonspirale Mirena sind in den USA rund 2.400 Klagen anhängig.

 

 

 

 

March 25th

Bio Europe Spring zum ersten Mal in Wien

Im Rahmen des Branchenevents Bio Europe Spring kamen von 25. bis 27. März Vertreter von Startups, Investoren und eingesessenen Playern in Wien zusammen.

Rund 2.500 Teilnehmer waren von 25. bis 27. März im Ausstellungsgelände und Kongresszentrum der Messe Wien, als zum insgesamt dritten Mal ein Event der Bio-Europe-Reihe in der österreichischen Bundeshauptstadt stattfand. Nach der etwas größeren Herbstveranstaltung, die 2009 und 2013 in Wien Station machte, war es diesmal die Frühjahrsausgabe „Bio Europe Spring“, für die in gewohnter Weise die Wiener Life-Sciences-Plattform LISAvienna als lokaler Partner fungierte. Über das Partnering-System des Veranstalters EBD Group wurden schon vorab rund 15.000 Vieraugengespräche vereinbart, die um die kleine Ausstellungsfläche platzierten Partneringboxen erwarteten also regen Verkehr. Sowohl große Player aus dem Pharmabereich also auch Startups aus allen Sparten der Bio- und Medizintechnik erhielten Gelegenheit zu Firmenpräsentation. 70 österreichische Unternehmen nutzten den Gemeinschaftsstand der LISAvienna als zentrale Anlaufstelle der Eventbesucher. Daneben wurden in einem Vortragsprogramm mit zahlreichen Podiumsdiskussionen wegweisende Entwicklungen thematisiert, beispielsweise neue Modelle der Partnerschaft und des Investments.

 

Stärkefeld der Bundeshauptstadt

Sowohl Bundes- als auch Landespolitiker konnten zur Eröffnung der Veranstaltung begrüßt werden. Wirtschafts- und Digitalisierungs-Ministerin Margarete Schramböck sprach in ihren eröffnenden Worten von drängenden Aufgaben einer europäischen Industriepolitik, die sich wieder darauf konzertieren solle, produzierende Unternehmen zu fördern, was auch der Life-Sciences-Branche zugutekomme. Der Wiener Stadtrat Peter Hanke hob die Life Sciences als Stärkefeld der Stadt Wien hervor, das sich in Wirtschaft und Wissenschaft manifestiere.

Mehrere Unternehmen stellten sich im Rahmen eines Pressegesprächs anlässlich der Bio Europe Spring vor: Apeiron finanziert derzeit durch Einnahmen aus einem selbst zur Marktreife entwickelten Antikörper klinische Studien zu Krebsimmuntherapien. Allcyte widmet sich der Unterstützung der Pharmaforschung durch funktionelle Analyse der Arzneimittelwirkung in Patientenzellen. Das Greiner-Spinoff Genspeed hat einen Diagnostik-Kit zur Bestimmung von Keimen in weniger Stunden entwickelt.

 

March 22nd

Rahmenpharmavertrag: Industrie nicht interessiert

Laut den Branchenverbänden Pharmig und FOPI gibt es keinen Grund, den Vertrag zur Eindämmung der Arzneimittelkosten nochmals zu verlängern.

 

Die Pharmaindustrie hat kein Interesse an einer Verlängerung des Ende 2018 ausgelaufenen Rahmenpharmavertrags. Das zeigen die Reaktionen der Branchenverbände Pharmig und FOPI auf Äußerungen Alexander Biachs, des Vorsitzenden des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger (HV). Biach hatte vor Journalisten verlautet, er wolle den neuen Vertrag bis Jahresende unter Dach und Fach bringen. Bekanntlich soll der HV zu dieser Zeit durch einen politisch wesentlich schwächeren Dachverband der Krankenkassen ersetzt werden. Damit sieht die Pharmaindustrie offenbar die Chance, den nie so recht geliebten Rahmenpharmavertrag loszuwerden. Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog gab bekannt, die Zahlungen auf Basis des Vertrags wirkten ohnehin „noch in das laufende Jahr hinein“. Trotz seines Auslaufens funktioniere „die Versorgung mit Arzneimitteln in Österreich nach wie vor einwandfrei. Dies zeigt, dass ein solcher Vertrag ganz offensichtlich nicht nötig ist, um die Arzneimittelversorgung für die österreichische Bevölkerung sicherzustellen“. Herzog war selbst lange Zeit hochrangiger Krankenkassenfunktionär, bevor er im Sommer 2018 zur Pharmig wechselte.

Ähnlich wie er äußerte sich FOPI-Präsident Ingo Raimon. Die Arzneimittelausgaben seien in den vergangenen zehn Jahren erheblich schwächer gewachsen als andere relevante Ausgabenposten im Gesundheitssystem: „Vor diesem Hintergrund erkennen wir keine Notwendigkeit für weitere Belastungen der Pharmaindustrie als wichtigem Innovationstreiber und Standortfaktor dieses Landes.“

 

Schon bei den Verhandlungen über die Verlängerung des Rahmenpharmavertrags im Jahr 2015 waren ordentlich die Funken geflogen. Nur mit massivem politischem Druck ließ sich die Industrie dazu bewegen, nochmals mehr oder weniger freiwillige Beträge zur Eindämmung der Arzneimittelkosten zu leisten. Die damalige Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser legte dem seinerzeitigen Pharmig-Präsidenten Robin Rumler eine Novelle zum Arzneimittelgesetz auf den Tisch. Dieser zufolge hätte die Pharmaindustrie in den Jahren 2016 bis einschließlich 2018 je 125 Millionen Euro an den HV bzw. die Krankenkassen überweisen müssen. In der damaligen rot-schwarzen Koalition hatte die Ministerin die Angelegenheit bereits abgestimmt. Angesichts dessen einigten sich der HV und die Pharmabranche quasi in letzter Minute auf eine Verlängerung des Rahmenpharmavertrags. Der Einigung zufolge bezahlte die Industrie 2016 zwar 125 Millionen Euro an die Kassen, für 2017 und 2018 wurde dagegen eine Obergrenze von 82 Millionen Euro fixiert.

 

Infolge der Debatten um die Umgestaltung des Krankenkassensystems im vergangenen Jahr lagen die Verhandlungen über eine neuerliche Verlängerung des Rahmenpharmavertrags auf Eis.

 

 

March 14th

Lenzing: Rückgänge nach Rekordjahr

Der Faserkonzern verzeichnete 2018 ein Jahresergebnis von 148,2 Millionen Euro, um 47,4 Prozent weniger als 2017, als ein Spitzenwert von 281,7 Millionen Euro erwirtschaftet wurde. Das Management ist dennoch zufrieden.

 

Die Jahresbilanz 2018 des Faserkonzerns Lenzing präsentierten am 14. März Vorstandschef Stefan Doboczky und Finanzvorstand Thomas Obendrauf in Wien. Gegenüber dem „Rekordjahr“ 2017 fielen die Umsatzerlöse um 3,7 Prozent auf 2,18 Milliarden Euro. Das EBITDA sank um 24 Prozent auf 382 Millionen Euro, das EBIT um 36 Prozent auf 237,6 Millionen Euro. Der Jahresgewinn schließlich verminderte sich um 47,4 Prozent auf 148,2 Millionen Euro. Dennoch war 2018 das „viertbeste Jahr der Unternehmensgeschichte“, betonte Doboczky und fügte hinzu, die seitens der Belegschaft und des Managements erbrachten Leistungen seien „größer“ gewesen als 2017, als die Lenzing „Rückenwind“ vom Markt her verspürt habe. Als Gründe für das Resultat von 2018 nannte Doboczky „insbesondere niedrigere Verkaufspreise bei Standardviscose, Wechselkurseffekte sowie gestiegene Rohstoff- und Energiekosten“. Doch gerade in diesem „herausfordernden Umfeld“ habe sich die Strategie der Lenzing bewährt, verstärkt auf Spezialfasern zu setzen. Dieser Weg wird auch weiter verfolgt, versicherte der Vorstandschef.

 

Noch heuer geht am Stammsitz Lenzing in Oberösterreich eine zweite Pilotanlage für die Herstellung von Tencel-Luxe-Filamenten in Betrieb. Ferner etablierte der Konzern 2018 seine Technologieplattform „Lenzing Web Technology“. Damit lassen sich „Baumstämme sozusagen direkt in Vliesstoffe umwandeln“, erläuterte Doboczky. In Purwakarta, etwa 70 Kilometer südöstlich der indonesischen Hauptstadt Djakarta, eröffnete die Lenzing ein Technologiezentrum, in dem es vor allem um die Prozessoptimierung sowie die Produktentwicklung im Sinne technischer Verbesserungen geht. Ferner stellt der Konzern seine Fabrik im chinesischen Nanjing auf die Erzeugung von Spezialfasern um. Als „schwerste Entscheidung des Jahres 2018“ bezeichnete Doboczky den Entschluss, den Ausbau der Erzeugungskapazitäten in Mobile im US-amerikanischen Bundesstaat Alabama vorläufig nicht weiter zu verfolgen: „Ich bin aber überzeugt, dass diese Entscheidung richtig war.“ In Heiligenkreuz im Burgenland läuft die Produktion nach dem Brand im Februar wieder an. Laut Doboczky ist die erste der drei Linien bereits erneut in Betrieb, bis Ende April soll die Volllast erreicht sein. Voraussichtlich gegen Ende 2019 fällt ihm zufolge die Entscheidung über den Bau des weltweit größten Single-Line-Faserzellstoffwerkes im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais, das für eine jährliche Kapazität von rund 450.000 Tonnen konzipiert ist.

 

Große Bedeutung hat für die Lenzing auch das Thema Nachhaltigkeit - und das nicht zuletzt im ökonomischen Sinne, erläuterte Doboczky. Nachhaltigkeit sei für sein Unternehmen ein „Geschäfts- und Innovationstreiber“. Als Beispiel nannte Doboczky die Faser „Ecovero“: „Das ist ein Produkt aus Standardviscose, das aber einen wesentlich besseren ökologischen Fußabdruck aufweist als normale Viscose. Daher können wir es zu einem höheren Preis verkaufen.“

 

Für heuer erwarten Doboczky und Obendrauf ein Ergebnis, das „etwa auf dem Niveau von 2018 liegen wird“. Die wirtschaftlichen Unsicherheiten haben sich tendenziell weiter verstärkt. Ferner kommen zusätzliche Viscose-Produktionskapazitäten von rund 400.000 bis 600.000 Tonnen auf den Markt, was etwa zehn Prozent der globalen Erzeugung entspricht. Auch ist damit zu rechnen, dass die Preise für Natronlauge in Europa höher bleiben werden als in der übrigen Welt. Laut Doboczky benötigt die Lenzing rund 500.000 Tonnen Natronlauge pro Jahr: „Das ist natürlich ein wesentlicher Kostenfaktor für uns.“ Kaum Sorgen bereitet ihm und seinen Vorstandskollegen dagegen der „Brexit“. Das Faserwerk in Grimsby nahe der Humber-Mündung in die Nordsee im Nordosten Englands ist die kleinste Fabrik der Lenzing. Ferner geht fast die gesamte dortige Erzeugung nach Asien. Und was die Logistikketten zwischen Großbritannien und der EU betrifft, hat die Lenzing laut Doboczky vorgesorgt.

 

 

March 12th

Arzneimittel: Strategie gegen Umweltrisiken

In einer neuen Mitteilung befasst sich die EU-Kommission mit der Frage, wie sich die Umweltauswirkungen von Arzneimittelrückständen eindämmen lassen.

 

Einen „Strategischen Ansatz für Arzneimittel in der Umwelt“ hat die EU-Kommission vorgestellt. Ihr zufolge können unsachgemäß entsorgte Medikamente „das schwerwiegende Problem der Antibiotikaresistenzen verschlimmern“. Außerdem bestehen Risiken für Tiere und Pflanzen, deren Überleben gefährdet oder deren Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigt werden kann. In ihrer Mitteilung (COM(2019) 128) schlägt die Kommission deshalb sechs Maßnahmen vor, um diesen Problemen zu begegnen.

Erstens will sie das Bewusstsein über die Thematik verbessern und den ordnungsgemäßen Umgang mit Arzneimittel fördern. Unter anderem sollen dazu Umweltaspekte in der Ausbildung angehender Mediziner berücksichtigt werden. Auch möchte die Kommission den präventiven Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung eindämmen.

Zweitens ist in der Kommunikation vorgesehen, Arzneimittel mit geringeren Umweltauswirkungen zu entwickeln und die Produktionsprozesse umweltverträglicher zu gestalten. In Hinblick auf die Produktion hat die Kommission nicht zuletzt die Bedingungen in Drittstaaten im Visier, wo aus Kostengründen ein nicht zu unterschätzender Teil der in der EU eingesetzten Arzneien erzeugt wird.

Drittens strebt die Kommission bessere Umweltverträglichkeitsabschätzungen für Medikamente an. Hierbei könnten ihr zufolge die Evaluierungen im Rahmen des EU-Chemikalienmanagementsystems REACH eine wesentliche Rolle spielen.

Viertens sollen Arzneimittelabfälle vermieden und die Behandlung solcher Abfälle verbessert werden. Die Kommission schlägt vor, die Packungsgrößen zu optimieren, damit weniger überflüssige Medikamente abgegeben werden. Nach sorgfältiger Prüfung könnten auch die Ablaufdaten verlängert werden. Überdies überlegt die Kommission, Sammelsysteme für nicht benutzte Medikamente einzurichten.

Fünftens empfiehlt die Kommission, die Umweltüberwachung in Hinsicht auf die Arzneimittelrückstände zu verbessern und zu erweitern.

Sechstens schließlich möchte sie Wissenslücken schließen, etwa, was den Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Antibiotika in der Umwelt und Antibiotikaresistenzen betrifft.

 

EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis sagte, Arzneimittel müssten „unbedingt sicher und bei der Behandlung von Krankheiten wirksam sein, doch wir sollten uns auch über ihre möglichen Auswirkungen auf die Umwelt im Klaren sein. Antibiotikaresistente Bakterien gehören zu den weltweit größten Gesundheitsrisiken. Bei der Bekämpfung von antimikrobieller Resistenz ist es daher für uns alle von Nutzen, wenn wir Arzneimittel nicht nur mit Bedacht einsetzen, sondern auch gründlich durchdachte Systeme für ihre Herstellung und Entsorgung entwickeln“. Umweltkommissar Karmenu Vella ergänzte: „Um unserer selbst willen, aber auch zum Schutz der Tier- und Pflanzenwelt sowie der Umwelt, müssen wir dafür sorgen, dass weniger Arzneimittel in unsere Flüsse und Böden gelangen.“

 

Vertreter der Initiative der europäischen Pharmaindustrieverbände zu Arzneimittelrückständen in der Umwelt (Inter Associations Initiative Pharmaceuticals in the Environment) begrüßten die Vorschläge der Kommission. Diese stimmten weitgehend mit den Vorstellungen der Industrie hinsichtlich der Verminderung von Umweltrisiken überein. Die Unternehmen entwickelten in zunehmendem Maße umweltverträglichere Produktionsverfahren.

 

Zugänglich ist die Mitteilung unter
http://ec.europa.eu/environment/water/water-dangersub/pdf/strategic_approach_pharmaceuticals_env.PDF

 

 

 

 

 

VCI erwartet „schwaches Chemiejahr“

Der Umsatz der deutschen Chemie- und Pharmaindustrie wird heuer voraussichtlich um rund 2,5 Prozent auf 198,5 Milliarden Euro fallen. Die Produktionsmenge soll um etwa 3,5 Prozent zurückgehen.

 

 

Prächtig sind die Perspektiven eher nicht: Aller Voraussicht nach wird die Produktionsmenge der deutschen Chemie- und Pharmaindustrie heuer gegenüber 2018 um etwa 3,5 Prozent sinken, meldet der Branchenverband VCI. Der Umsatz dürfte um 2,5 Prozent auf 198,5 Milliarden Euro fallen - und das, obwohl die Erzeugerpreise um rund ein Prozent zulegen werden.

 

Angekündigt hatte sich die Misere bereits im vierten Quartal 2018: Die Erzeugungsmenge verringerte sich im Vergleich zum Vorjahresquartal um etwa 6,3 Prozent. Dazu trug allerdings bei, dass die Nachfrage nach einem neuartigen Medikament nachließ und entsprechend weniger von dem Arzneimittel hergestellt wurde. „Aber auch die reine Chemieproduktion sank im Vergleich zum Vorquartal um 3,2 Prozent“, bedauert der VCI. Verglichen mit dem 3. Quartal 2018 verminderte sich der Branchenumsatz um 3,1 Prozent auf 46,5 Milliarden Euro - vor allem wegen des Auslandsgeschäfts, das laut VCI „einen deutlichen Rückschlag“ erlitt.

 

VCI-Hauptgeschäftsführer Utz Tillmann resümierte vor Journalisten, er sehe die Lage „weniger optimistisch als zu Beginn des vergangenen Jahres. Die Chemienachfrage der deutschen und europäischen Industrie ist rückläufig. Außerdem wirkt der Brexit bremsend auf die Konjunktur. Unter dem Strich erwartet die Branche daher ein insgesamt schwaches Chemiejahr“.

 

Tillmann zufolge ist die „Europäische Union der Heimatmarkt der deutschen Chemie- und Pharmaindustrie. Schwächt sich hier die Wirtschaft ab, ist unsere Branche direkt betroffen. Sind die industriepolitischen Rahmenbedingungen in Europa gut, profitieren unsere Unternehmen hiervon in besonderem Maße“.

 

 

 

March 11th

Chemiebranche: „Wesentlicher Beitrag“ zum globalen BIP

Laut Schätzungen im Auftrag des weltweiten Verbands der Chemieindustrie erwirtschaftet diese allein rund 1.100 Milliarden US-Dollar pro Jahr, mit Vorlieferanten und nachgeordneten Branchen sogar 5.700 Milliarden.

 

Auf rund 5.708 Milliarden US-Dollar oder sieben Prozent soll sich der Beitrag Chemieindustrie zum globalen BIP belaufen und 120 Millionen Arbeitsplätze sichern. Das behauptet der Welt-Chemieindustrieverband ICCA (International Council of Chemical Associations) gestützt auf eine von ihm beauftragte Studie mit dem Titel „The Global Chemical Industry: Catalyzing Growth and Addressing Our World's Sustainability Challenges“. Erstellt wurde diese vom Beratungsunternehmen Oxford Economics. Die Berater rechnen darin die von ihnen geschätzten direkten, indirekten und induzierten wirtschaftlichen Auswirkungen der Tätigkeit der Chemiebranche zusammen. Unter indirekten Auswirkungen verstehen sie den Einkauf von Gütern und Dienstleistungen durch die betreffenden Unternehmen. Mit „induzierten“ Auswirkungen sind die Ausgaben ihrer Mitarbeiter für den privaten Konsum gemeint.

 

Auf die direkten Einflüsse entfallen laut Oxford Economics 1.098 Milliarden US-Dollar, auf die indirekten 2.616 Milliarden und auf die induzierten schließlich 1.995 Milliarden. Die Aufschlüsselung hinsichtlich der Arbeitsplätze nimmt Oxford Economics so vor: Rund 15 Millionen Menschen sollen in der Chemieindustrie direkt beschäftigt sein, 60 Millionen bei Vorlieferanten. Ferner werden dem Beratungsunternehmen zufolge 45 Millionen Jobs in Wirtschaftszweigen gesichert, mit deren Hilfe die Beschäftigten der Branche ihre Konsumbedürfnisse befriedigen.

 

Regional betrachtet, liegt der asiatisch-pazifische Raum mit einem Beitrag von 2.600 Milliarden US-Dollar und 83 Millionen Beschäftigten an der Spitze, gefolgt von Europa mit 1.300 Milliarden US-Dollar und 19 Millionen Jobs, Nordamerika mit 866 Milliarden US-Dollar und sechs Millionen Arbeitsplätzen sowie Afrika und dem Nahen Osten mit 550 Milliarden US-Dollar und fünf Millionen Jobs. Das Schlusslicht bildet Südamerika mit 374 Milliarden US-Dollar und sechs Millionen Jobs. Im asiatisch-pazifischen Raum soll die Chemieindustrie rund 45 Prozent ihres gesamten jährlichen Wirtschaftswertes erzielen. Etwa 69 Prozent der von ihr „unterstützten“ Arbeitsplätze entfallen laut dem Bericht von Oxford Economics auf diese Region. Keine Angaben machen die Berater darüber, ob es sich um Brutto- oder Nettoeffekte handelt.

 

Erfreut gab sich Marco Mensink, der Generaldirektor des europäischen Chemieindustrieverbands CEFIC: „Diese neue Analyse unterstreicht die wesentliche Rolle, die die chemische Industrie bei der Förderung des Wirtschaftswachstums und der Schaffung von Chancen für Millionen von Menschen auf der ganzen Welt spielt. Die Auswirkungen der chemischen Industrie gehen jedoch über den wirtschaftlichen Wert hinaus.“ So habe die Branche über 230 Workshops in 45 Ländern druchgeführt, um den Menschen den „sicheren Umgang mit Chemikalien“ nahezubringen.

 

Ähnlich äußerte sich Cal Dooley, der Generalsekretär des ICCA und Chef des US-amerikanischen Branchenverbandes American Chemistry Council (ACC). Ihm zufolge haben die „Innovationen, die von der langjährigen weltweiten Präsenz der chemischen Industrie entwickelt und produziert werden, zu einer Wende in der Menschheitsgeschichte beigetragen. Im Laufe der Zeit sind die Chemieunternehmen zu einem integralen Bestandteil der Weltwirtschaft und zu einem entscheidenden Faktor für Technologien geworden, die das Leben der Menschen auf der ganzen Welt verbessern“.

 

Verfügbar ist der Bericht unter https://www.icca-chem.org/economicanalysis/.

 

February 28th

REACH-Dossiers weiter mangelhaft

Laut dem aktuellen Fortschrittsbericht der ECHA fehlten auch 2018 in etlichen Dokumenten wichtige Sicherheitsinformationen. Die Industrie gelobt einmal mehr Besserung.

 

Es hat fast schon Tradition: Alljährlich veröffentlicht die Europäische Chemikalienagentur ECHA ihren Fortschrittsbericht zum Chemikalienmanagementsystem REACH. Und ebenso regelmäßig zeigt sich, dass die Registrierungsdossiers Mängel aufweisen - teilweise sogar erhebliche. Für 2018 beanstandete die Agentur 211 von 286 untersuchten Dossiers wegen unzureichender Informationen über die Sicherheit des Gebrauchs der betreffenden Substanzen. Besonders bedenklich ist dabei, dass die überwiegende Zahl der Dossiers möglicherweise gefährliche Stoffe (substances of potential concern) betraf.

 

Laut einer Aussendung der ECHA fehlten in den meisten Dossiers „wichtige Sicherheitsinformationen. Nach Aufforderung brachten die Registranten die Dossiers auf den aktuellen Stand“. Die Notwendigkeit des Aktuellhaltens („Updating“) der Dossiers wird von etlichen Unternehmen offenbar nach wie vor unterschätzt. Viele gehen davon aus, mit der Registrierung ihre Pflichten ein für alle Mal erfüllt zu haben. ECHA-Exekutivdirektor Björn Hansen mahnte daher einmal mehr: „Die Unternehmen müssen die Dossiers als ihre Visitenkarten behandeln. Rechtskonforme Dossiers sind eine wesentliche Investition in eine vorhersehbare und nachhaltige Zukunft.“ Die Agentur selbst werde ihre Anstrengungen im Bereich Compliance verstärken. Dies müssten auch die zuständigen Behörden der EU-Mitgliedsstaaten tun.

 

Im kürzlich erschienenen Newsletter der ECHA ergänzte Hansen, ursprünglich sei die ECHA davon ausgegangen, mit der jährlichen Überprüfung von fünf Prozent der Dossiers in jeder Mengenkategorie die Rechtskonformität sicherstellen zu können. Mittlerweile zeige sich, dass dies nicht ausreiche. Daher werde die Agentur heuer einen besonderen Schwerpunkt auf die Überprüfung der Compliance legen und dafür entsprechende Ressourcen freistellen. Er erwartet auch seitens der EU-Kommission die Aufforderung, heuer mehr Compliance-Checks durchzuführen.

 

Der europäische Chemieindustrieverband CEFIC räumte in einer Stellungnahme ein, dass nach wie vor Probleme mit der Qualität der Dossiers bestehen: „Wir bekennen uns dazu, zum Funktionieren von REACH beizutragen.“ Datenlücken müssten schneller und effizienter geschlossen werden. Die CEFIC werde in dieser Hinsicht ihre Zusammenarbeit mit ihren Mitgliedern und mit der ECHA verstärken.

FACC: Lufttaxis für Megacities

Der österreichische Luftfahrtzulieferer und die chinesische Firma Ehang entwickeln autonome Fluggeräte aus Leichtbauwerkstoffen, die vorerst vor allem im asiatisch-pazifischen Raum zum Einsatz kommen sollen.

 

Rund 300 Flugtaxis, die ohne einen menschlichen Piloten fliegen können, will der österreichische Luftfahrtzulieferer FACC bis Ende kommenden Jahres bauen. Das berichtete Unternehmenschef Robert Machtlinger am 28. Februar bei einer Pressekonferenz in Wien. Auftraggeber ist die chinesische Firma Ehang mit Sitz in Guangzhou (vormals Kanton), etwa 100 Kilometer nordwestlich von Hongkong. Mit ihr schloss die FACC im November 2018 eine strategische Allianz im Bereich autonomer Luftfahrzeuge (Autonomous Aerial Vehicles, AAV).

 

Die Geräte werden aus Leichtbauwerkstoffen gefertigt, sagte Machtlinger auf Anfrage des Chemiereports. Ihre tragenden Werke bestehen aus Kohlenstoffasern, für die übrigen Bauteile kommen Materialien aus Kunstharzen zum Einsatz. Zurzeit handelt es sich um Epoxidharze, künftig möchte FACC auch Polyurethan (PUR) zur Anwendung bringen. „Die PUR-Materialien, die wir jetzt für die AAVs entwickeln, wollen wir später auch im Großflugzeugbau benutzen“, erläuterte Machtlinger. Etwa 300 Spezialisten seines Unternehmens sind mit dem Projekt befasst. Abgetrieben werden die Geräte mit Batterien, ergänzte Felix Lee, der „Overseas Manager“ von Ehang. Um welche Art von Batterien es sich handelt, wollte er nicht mitteilen: „Das ist unser Geschäftsgeheimnis.“ Er versicherte jedoch, etwa 50 Prozent der für die Energiespender benutzten Materialien seien recyclierbar: „Letzten Endes wollen wir auf etwa 80 Prozent kommen.“ An Gleichstrom-Schnellladestationen mit mindestens 100 kW kann Lee zufolge eines seiner AAVs binnen 15 Minuten auf einen Ladezustand von 80 Prozent gebracht werden. Ein Computer misst die noch verfügbare Kapazität und stellt sicher, dass nicht unerwünscht mitten im Flug der Strom ausgeht. Voll aufgeladen können die AAVs mit einer Geschwindigkeit von bis zu 160 km/h rund 25 bis 30 Minuten lang fliegen.

 

Gedacht sind sie vorerst für den asiatisch-pazifischen Raum. Dort sollen nicht zuletzt Geschäftsleute von den Flughäfen von „Megacities“ zu ihren Bestimmungsorten in den Stadtzentren gelangen, ohne sich mit Staus herumplagen zu müssen. Betrieben werden könnten die AAVs beispielsweise von Fluggesellschaften, Autoverleihern und sonstigen Logistikern. Laut Machtlinger wird bereits eifrig an Geschäftsmodellen getüftelt.

 

Eine Stunde Flug dürfte laut Lee anfangs voraussichtlich etwa 270 bis 400 Euro kosten. Langfristig wird eine Reduktion auf 50 bis 80 Euro angestrebt. Machtlinger verwies auf eine Studie des Beratungsunternehmens Roland Berger, das den Weltmarkt für AAVs langfristig auf etwa 32 Milliarden Euro einschätzt. Er erwartet, dass 2025 rund 100.000 Personen weltweit AAVs nutzen könnten. Bis 2050 werden ihm zufolge rund 98.000 solche Geräte im Einsatz sein.

 

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