Archive - Nov 26, 2020

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Pharmastrategie: Differenzierte Urteile

Grundsätzlich begrüßen die Pharmig und die österreichische Chemieindustrie die Überlegungen der EU-Kommission. Zu manchen Fragen besteht jedoch noch Diskussionsbedarf.

 

Differenziert beurteilt der österreichische Pharmaindustrieverband Pharmig die Pharmastrategie der Europäischen Union, die am 25. November präsentiert wurde. Die EU-Kommission erstrebt mit dem Dokument und dessen Umsetzung nach eigenen Angaben die Schaffung einer „starken, wettbewerbsfähigen und an den Prinzipien der Nachhaltigkeit ausgerichteten Industrie, die den Patienten hilft und die Potenziale des digitalen Wandels des Gesundheitssystems nutzt, der durch den technologischen Fortschritt in Bereichen wie Artificial Intelligence und Computational Modelling vorangetrieben wird“.

 

Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog betonte, die EU müsse „auf ein sensibles Gleichgewicht achten, wenn wir über die wirtschaftlichen und gesetzlichen Rahmenbedingungen für pharmazeutische Unternehmen sprechen. Denn es geht darum, allen Menschen therapeutische Innovationen und bewährte Arzneimittel gleichermaßen zugänglich zu machen und ebenso sollte auch der Pharma- und Forschungsstandort Europa weiter gestärkt anstatt durch zu rigide Bedingungen geschwächt zu werden“. Insbesondere warnte Herzog davor, den Patentschutz zu schwächen. Dies würde sich ihm zufolge „negativ auf die Forschungstätigkeit innerhalb Europas auswirken. Dabei zeigt uns gerade die jetzige Situation, wie enorm wertvoll Forschung ist, aber auch, dass diese Forschung in Europa passiert“. Grundsätzlich begrüßt die Pharmaindustrie laut Herzog, „dass der bestehende Rechtsrahmen evaluiert und angepasst wird. Dies ist allein schon deshalb nötig, da sich die Wissenschaft und Technologie rasant weiterentwickeln und damit ihrerseits neue Rahmenbedingungen schaffen“. Wichtig sei, die Zulassung neuer Arzneimittel zu vereinfachen und die diesbezüglichen Prozesse EU-weit zu harmonisieren, ohne die strengen Sicherheitsbestimmungen aufzuweichen. So könnten die Patienten rascher Zugang zu den Medikamenten bekommen. Für Notwendig hält Herzog auch, die „Vernetzung auf digitaler und Datenebene voranzutreiben“. Das helfe nicht zuletzt bei der Vermeidung von Lieferengpässen.

 

Ähnlich äußerte sich die Geschäftsführerin des Fachverbandes der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO), Sylvia Hofinger. Ihr zufolge ist es „essenziell, die Leistungsfähigkeit der europäischen Pharmaindustrie im globalen Wettbewerb zu stärken. Einige Maßnahmen der Pharmastrategie, wie etwa die Harmonisierung der ergänzenden Schutzzertifikate im Patentrecht oder Projekte im Bereich Digitalisierung, könnten dabei helfen, neue Therapien schneller zur Marktreife kommen zu lassen und so zu einer besseren Versorgung der Patienten führen“. Positiv beurteilt Hofinger auch die Ankündigung der EU-Kommission in der Strategie, Forschung und Innovation forcieren zu wollen, nicht zuletzt, was die Entwicklung neuer Antibiotika betrifft.

Auch hinsichtlich der sicheren Versorgung mit Medikamenten biete die Strategie begrüßenswerte Ansätze. Geplant sei, „Bereiche in den Lieferketten von Medikamenten und Wirkstoffen zu identifizieren, die besonders krisenanfällig sind und dort eine europaweite Transparenz bezüglich der Produktion und der Bestände zu etablieren“. Dies gehe in die richtige Richtung. Erforderlich sei indessen ferner „die Stärkung der Zusammenarbeit aller Beteiligten , insbesondere die Koordination von Maßnahmen auf europäischer Ebene“, wie dies die EU-Kommission in der Strategie vorsehe. Der FCIO werde sich in die Verhandlungen über die Umsetzung der Pharmastrategie „intensiv und konstruktiv in die Diskussionen einbringen und Vorschläge für eine ausgewogene Umsetzung der unterschiedlichen Bereiche der Strategie unterbreiten“, kündigte Hofinger an.

 

Nach Angaben der EU-Kommission ist die Pharmabranche in der Europäischen Union ein „starker und wettbewerbsfähiger Wirtschaftszweig“. Sie erzielte 2019 einen Handelsbilanzüberschuss von rund 109,4 Milliarden Euro und beschäftigte etwa 800.000 Personen. In Forschung und Entwicklung investierte die Branche mehr als 37 Milliarden Euro.

 

Zugänglich ist die EU-Pharmastrategie unter https://ec.europa.eu/health/sites/health/files/human-use/docs/pharmastrategy_com2020-761_en.pdf