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Chemiereport_2016-4

67 AustrianLifeSciences chemiereport.at 2016.4 WISSENSCHAFT & FORSCHUNG Bild: New Mexico State University Learning Games Lab N oroviren gehören zu den häu- figsten Krankheitserregern im Menschen. Weltweit sind sie die Hauptursache von Gastroenteritis („Ma- gen-Darm-Grippe“) und diese wiederum gehört zu unseren häufigsten Beschwer- den. Noroviren sind in bestimmten Risi- kogruppen eine verbreitete Krankheitsur- sache. Historisch gesehen waren es früher hauptsächlich Rotaviren, die schwere Gastroenteritiden bei Kindern verursach- ten und medizinische Behandlung nötig machten. Jetzt, wo in Industrieländern routinemäßig gegen Rotaviren geimpft wird, sind Infektionen mit diesen Viren stark zurückgegangen und Noroviren an deren Stelle getreten. Auch in den Ent- wicklungsländern stellen Norovirus-In- fektionen ein massives Problem dar. Dies zeigt eine gut geplante und ausgeführte Multizentren-Studie an Kindern in Afrika und Asien: In deren ersten Lebensjahren rangieren Noroviren gleich hinter Rotavi- ren, an zweiter Stelle, als Verursacher von Durchfallerkrankungen. Global betrachtet werden Noroviren als Hauptursache le- bensmittelbedingter Krankheiten gesehen. Die Häufigkeit der Erkrankung birgt eine Tragödie in sich: Schätzungen zufolge verursachen Noroviren jährlich 200 000 Todesfälle, davon die allermeisten in den Entwicklungsländern - Noroviren tragen dort wesentlich zur Kindersterblichkeit bei. In den Industrieländern kommen die meisten Ausbrüche von Noroviren-Infek- tionen in Gesundheitseinrichtungen vor, etwa in Pflegeheimen (nein, nicht auf Kreuzfahrtschiffen, wie uns Zeitungsbe- richte glauben machen). In solchen Ein- richtungen leben krankheitsanfällige Personengruppen - eine Infektion kann zu schwerer Krankheit, Hospitalisierung oder sogar zum Tod führen. Wenn Sie sich an Ihre letzte Noro- virus-Infektion erinnern können, wer- den Sie vermutlich gegen deren frühere Beschreibung als "leichte und sich selbst limitierende Erkrankung" protestie- ren - auch, wenn Sie ansonsten kernge- sund sind. Erbrechen, Durchfall und dar- aus resultierend Dehydrierung mögen zwar nur kurz dauern, sind aber sehr heftig. Man kann sich leicht vorstellen, wie stark ein mangelernährtes Kind von einer Norovirus-Infektion betroffen sein kann, das in einer Gemeinschaft mit nur begrenztem Zugang zu einer Gesundheits- versorgung lebt, oder auch ein älterer Mensch, der bereits an anderen Grunder- krankungen leidet. Noroviren sind sehr sta- bile, hochansteckende RNA-Viren. Sie besitzen keine äußere Umhül- lung, die einzelsträn- gige RNA (ssRNA) ist von einem Cap- sid aus 180 gleichen Proteinen umgeben (siehe Abbildung). Eine ganz wesentli- che Charakteristik ist die genetische Diversi- tät und eine sehr rasche Evolution- neue Typen tre- ten all zwei bis vier Jahre auf und verdrängen die vorher domi- nierenden. Hindernisse bei der Bekämpfung von Noroviren Nach Meinung des Autors gibt es zwei enorme Barrieren, die einem wesent- lichen Fortschritt zur Bekämpfung des Norovirus im Wege stehen. Das erste Hindernis besteht aus einer Reihe technischer Probleme, die das Vorankommen verlangsamt haben – vor allem das Problem, Noroviren in Zell- kultur effizient wachsen zu lassen. Ohne ein solches Zellkultur-System war es aber schwierig diagnostische Verfahren, Infektionstests und Vakzine zu entwi- ckeln. Zum Glück hat es im letzten Jahr- zehnt hier wichtige Fortschritte gegeben – darunter die Erstellung einer sensiti- veren Diagnostik – und es ist auch gelun- gen das Norovirus in Zellkultur zu brin- gen; diese Erfolge sollten die Bemü- hungen zur Bekämpfung des Virus beschleunigen. Das zweite Hindernis liegt darin, dass das Norovirus in so vielen unterschiedli- chen Sparten eine wesentliche Rolle spielt. Ist das Norovirus nun als ein Pro- blem der Kindersterblichkeit einzuord- nen oder der Nahrungssicherheit oder einer mit Gesundheitseinrichtungen assoziierten Infektion? Alles davon trifft zu, dies mag die Gemeinschaft unserer Forscher und die im öffentlichen Gesundheitswesen Beschäftigten gehin- dert haben rund um dieses zentrale Pro- blem zusammenzuwachsen. Was es braucht Im vergangenen Jahr haben sich das US Center for Disease Control and Prevention (CDC), die Gates Foundation und andere Partner in Atlanta getroffen und Vertre- ter aus Regierung, Akademie, Industrie und philanthropischen Einrich- tungen zusammengebracht. Diese Gruppe wurde beauf- tragt die aktuellen For- s c h u n g s e r g e b n i s s e über Noroviren kri- tisch durchzusehen, wesentliche Wissens- lücken darin zu iden- tifizieren und diesbe- zügliche, notwendige Untersuchungen vor- zuschlagen. Ziel des Zusammentreffens war es den Weg zur Entwick- lung einer Norovirus Vak- zine anzustreben, die größt- möglichen Nutzen bringen sollte: nämlich den Kindern in den Entwick- lungsländern zu helfen. Dabei wurde klar, dass Noroviren ein sehr großes globales Problem darstellen und auf viele Fragen noch keine wissenschaftlich fundier- ten Antworten gegeben werden können. Zumindest wissen wir jetzt, dass sich das globale Problem der Noroviren mit einem jährlichen Verlust von rund 60 Milliarden US-Dollar beziffern lässt. Das Ergebnis der Tagung in Atlanta ist zum Teil in der PLOS-collection nachzule- sen: collections.plos.org/norovirus (open access) Der vorliegende Beitrag ist auf scienceblog.at erschienen. Es handelt sich dabei um die deutsche Übersetzung des Artikels „Norovirus – a tragedy of being common“ von Ben Lopman, Teil einer Sammlung von Artikeln über Noroviren der im Open-Access-Jour- nal „PLOS - the Public Library of Science“ erschienen ist. Das Oirginal finden Sie hier: ogy.de/PLOS-Norovirus 1 Bei Noroviren wird eine einzelsträngige RNA von einem Capsid aus 180 gleichen Proteinmolekülen umgeben. Der Kontakt des Capsid-Proteins mit dem Wirt ist der Beginn der Infektion. Der Autor Ben Lopman ist ein auf Infektionskrankheiten spezialisierter Epidemiologe. Er hat an der London School of Hygiene and Tropical Me- dicine und an der Health Protection Agency studiert und einen Postdoc-Aufenthalt am Department of Infectious Disease Epidemio- logy des Imperial College London absolviert. Seit 2009 arbeitet Lopman im Team Virale Gatroenteritis in der Abteilung für Viruserkran- kungen der US Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Seine Forschungsinte- ressen richten sich auf die Epidemiologie von viralen Gastroenteriden und auf wirksame Me- thoden zu deren Bekämpfung. 1 verursachen Noroviren jährlich 200000

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