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Chemiereport_2016-4

73 AustrianLifeSciences chemiereport.at 2016.4 SERVICE Bilder: Chemiereport B ücher über die Zukunft der Technik gibt es viele. Michio Kaku nimmt für sich in Anspruch, in seinen Prognosen auf festerem Boden zu stehen als manch anderer Autor – und das aus zwei Gründen. Den einen ver- rät schon der Titel. Das Buch „Die Physik der Zukunft. Unser Leben in 100 Jahren“ behaup- tet, die Wahrscheinlichkeit eines techno- logischen Durchbruchs aus den physika- lischen Gesetzen ableiten zu können. Was physikalisch möglich ist und das Zeug hat, alte Menschheitsträume zu erfüllen, wird auch kommen. Kaku, selbst Physiker, der auf dem Gebiet der Stringtheorie geforscht hat, kann glaubhaft machen, davon ausreichend zu ver- stehen. Der andere Grund ist, dass Kaku als Protagonist zahlreicher populärwissenschaft- licher Fernsehsendungen mit den, wie er sagt, besten Köpfen auf den verschiedensten techni- schen Gebieten in Kontakt war und sozusagen aus erster Hand Informationen erhielt, woran gerade gearbeitet wird. Vieles von dem, was Kaku über jederzeit verfügbare Informations- mengen, Maschinensteuerung durch Gedan- ken, über die Verlängerung des Lebens und die Optimierung menschlicher Eigenschaf- ten, über Kernfusion und Energieernte direkt von der Sonne, über eine Gesellschaft der Klugheit schreibt, mag nach undif- ferenziertem Optimismus klingen. Zwar räumt auch Kaku mittelfristige Unannehmlichkeiten durch steigende Meeresspiegel und verloren gegan- gene Arbeitsplätze ein. Doch – für den europäi- schen Leser beinahe schon überraschend – Die große Katastrophe bleibt aus. Vieles von dem, was Kaku prognostiziert, ist wohl mehr einer realistischen Abschätzung als einer blinden Technikgläubigkeit geschuldet. Es ist durch- aus wahrscheinlich, dass menschliches Klonen nicht wegen moralischer Verbote unterbleibt, sondern weil die Nachfrage nach künstlichen Zwillingen enden wollend ist. Es ist denkbar, dass gentechnisch optimierter „Superreis“ auf unwirtlichem Gelände angebaut wird, um hungrige Massen zu versorgen. Am unwahr- scheinlichsten ist möglicherweise der vom Autor als Garant der Demokratie angesehene „gebildete Wähler“ – denn ob aus der Kako- phonie einer Internet-gestützten Debatte wirk- lich so etwas wie gesellschaftliche Vernunft entstehen wird, ist auch aus physikalischen Gesetzen nicht ableitbar. Für Sie gelesen Realistisch optimistisch Von Georg Sachs S tephan Schwarzer, der Leiter der Abteilung für Unwelt- und Energiepolitik der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), weiß die Interessen seiner Klientel schwungvoll zu vertreten und dabei juristisch eine scharfe Klinge zu führen. So geschehen auch beim Energieeffizienzgesetz (EEffG), das er seinerzeit vehement bekämpfte. Seine Argumentation: Was die Wirtschaft tun könne, tue sie ohnehin aus Gründen ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Ihr zusätzliche Pflich- ten aufzubürden, sei daher sinnlos und bringe daher außer bürokratischem Aufwand wenig. Diese Linie verfolgt Schwarzer auch in sei- nem Kurzkommentar zum EEffG, der im Manz Verlag, Wien, erschienen ist. Besonders aus- führlich behandelt er die „Kernparagrafen“ 9 und 10 des Gesetzes, die die Pflichten für die Unternehmen sowie die Energieversorger fest- schreiben. Er hält diese für verfassungswidrig, insbesondere, weil sie stark in wirtschaftli- che Grundrechte wie die Erwerbsfreiheit ein- greifen, ohne den Rechtsunterworfenen aus- reichende Abwehrmittel zu bieten. Auch die Bestimmungen zur Monitoringstelle, betreut von der Österreichischen Energieagentur, geraten in Schwarzers Kritik. Sie sind sei- ner Ansicht nach nicht ausreichend und ver- schleiern den Behördencharakter der Stelle. Wer plant, das EEffG juristisch zu attackieren, findet in Schwarzers Buch eine Fülle von Anregungen. Auch potenziellen Verteidigern der Norm kann dieses daher empfoh- len werden. Der Einwand, es handle sich in Teilen um formalrechtli- che Sophismen, die den sinnvollen Inhalt des Gesetzes nicht angemessen würdigen, ist verfehlt. In einem Rechtsstaat ist die „Legiti- mation durch Verfahren“ (Niklas Luhmann), also die Nachvollziehbarkeit und öffentliche Überprüfbarkeit staatlichen Handelns, unab- dingbar, selbst wenn dies bisweilen auf einen „Rechtsmittelstaat“ hinausläuft. Dies besagt auch Artikel 18 (1) des Bundes-Verfassungs- gesetzes, dem zufolge die gesamte staatliche Verwaltung nur aufgrund der Gesetze ausge- übt werden darf. Wohlgemerkt: aufgrund der Gesetze und nicht aufgrund einer „völkisch“ verzerrten „Rechtsinterpretation“, wie sie sich im Wahlkampf um die Bundespräsidentschaft im Slogan „Das Recht geht vom Volk aus“ manifestierte. Formal? Zu Recht! Von Klaus Fischer Schwarzer, Stephan: Bun- des-Energieeffizienzgesetz (EEffG) - Kurzkommentar; Manz Verlag, Wien 2016 Michio Kaku: Die Physik der Zukunft. Unser Leben in 100 Jahren. 7. Auflage, Rowohlt Verlag, Hamburg 2016 „In einem Rechtsstaat ist die ‚Legitimation durch Verfahren‘ unabdingbar“

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