44 AustrianLifeSciences chemiereport.at 2016.6 LIFE SCIENCES www.oegmbt.at Bild: Leopoldina/Markus Scholz D er FWF (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen For- schung) hat eine bewährte Tradition als Instrument der wissenschaftlichen Selbstverwaltung. Doch neue Rah- menbedingungen erfordern organisatorische Flexibilität: Mit der im Juli vergangenen Jahres beschlossenen Wissenschafts- fondsnovelle wurden wesentliche Veränderungen in den Gre- mien des FWF auf den Weg gebracht. Erstmals wurde die Funk- tion eines hauptamtlich agierenden Präsidenten geschaffen, dem neben drei wissenschaftlichen Vizepräsidenten eine kauf- männische Vizepräsidentin zur Seite steht. Im Zuge eines neu geordneten Verfahrens wurde Klement Tockner, bisher Lei- ter des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Bin- nenfischerei in Berlin, zum neuen FWF-Präsidenten be- stellt. Mit 1. September hat er sein Amt angetreten. Wir tref- fen Tockner bereits im Vorfeld am Rande der Alpbacher Technologiegespräche. Entsprechend vorsichtig ist der Wissenschaftler in seinen Aussagen: „Es wäre nicht klug, vorzeitig mit großen Ideen in die Öffentlichkeit zu ge- hen, die nicht breit abgestimmt sind.“ Dennoch zeigt Tockner einen klaren Blick auf die Aufgaben der Grundlagenforschung: „Erkenntnisgetriebene Forschung ist Grundbaustein und Grundrecht einer aufgeklärten Gesell- schaft“, sagt er und greift damit das Generalthema des diesjähri- gen Forums Alpbach, „Die neue Aufklärung“, auf. Seine Aufgabe sieht er daher nicht nur darin, die chronisch knappen finanzi- ellen Ressourcen des Forschungsfonds aufzubessern. Vielmehr will er für die Grundlagenforschung den Stellenwert in der Gesellschaft einfordern, den sie benötigt: „Wir laufen Gefahr, dass Wissenschaft verstärkt als großes Consulting-Unternehmen wahrgenommen wird, das für kurzfristigen unternehmerischen Erfolg sorgen soll oder bei Katastrophen und akuten Problemen zu Rate gezogen wird.“ Die Früchte der Grundlagenforschung für die Gesellschaft seien oft erst zeitverzögert zu sehen. „Zahl- reiche Studien zeigen, dass der mittelfristige ökonomische Mehr- wert bei Grundlagenforschungsprojekten im Mittel größer ist als bei reiner Industrieforschung“, gibt Tockner zu bedenken. Lücken in der Forschungsförderung In der heutigen Förderlandschaft sieht Tockner zwei große Lücken: die Förderung der trans- und interdisziplinären For- schung und die Unterstützung von wirklich neuen, kreativen Ansätzen im Sinne einer Hochrisikoforschung. „Die Schwierig- keit bei interdisziplinären Projekten liegt darin, ihre Qualität zu beurteilen. Viele Gutachter sind von ihrer jeweiligen Disziplin geprägt und sagen nicht selten: Das Thema, das ich kenne, ist hier exzellent behandelt, aber das andere kann ich nicht beur- teilen.“ Vielen aktuellen Herausforderungen könne man aber nur disziplinen- und institutionenübergreifend begegnen. „Sonst versuchen wir ein Problem zu lösen und verstärken dabei ein anderes“, so Tockner. Zudem fehle es an der Generierung wirk- lich originärer Ideen. „Wir brauchen neue Formen, wie wir sol- che Projekte identifizieren können; eine Kultur, die Risiko und Scheitern mit einschließt“, ist Tockners Meinung: „Was beson- ders fehlt, ist kreative Zeit. Diese müsste man beantragen kön- nen.“ Den besonderen Wert des FWF, die Qualitätssicherung und Betonung der Exzellenz unabhängig von der fachlichen Dis- ziplin, will Tockner kontinuierlich weiterentwickeln. Aber er sieht auch die Notwendigkeit eines verstärkt experimentel- len Zugangs zum Thema For- schungsförderung. Auch das bewährte Peer-Review-Verfah- ren habe Grenzen, es könne bei zunehmender Anzahl an Förderanträgen zur Überfor- derung der Beteiligten füh- ren und die Qualität von Gutachten nicht immer sicherstellen. Gerade für interdisziplinäre Projekte müsse man sich neue For- men der Begutachtung überlegen. Ein Format, dem Tockner eine wachsende Bedeutung beimisst, sind sogenannte Synthese-Netz- werke: „Dabei geht es darum, Daten, die weit verstreut vorhan- den sind, zu heben, öffentlich zugänglich zu machen und im Hinblick auf drängende wissenschaftliche und gesellschaftliche Fragestellungen auszuwerten.“ Die jüngst in einem Rechnungshofbericht geäußerte Kri- „Der Brain Waste durch überbordende Bürokratie ist genauso schlimm wie der Brain Drain.“ Der neue FWF-Präsident Klement Tockner im Gespräch „Grundlagenforschung ist kein Consulting-Unternehmen“ Mit 1. September hat das neue FWF-Präsidium unter dem Vorsitz von Klement Tockner seine Arbeit angetreten. Wir sprachen mit Tockner über seine Ideen zu Positionierung und Aufgabe des FWF. Zur Person Klement Tockner wurde 1962 in Schöder geboren und studierte Zoo- logie und Botanik an der Universität Wien. Nach einer Tätigkeit als Berater für Gewässermanagement in Afrika verbrachte er viele Jahre in der Schweiz, wo er an der ETH Zürich und am Schweizer Wasser- forschungsinstitut EAWAG forschte. 2007 übernahm er die Leitung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin sowie einen Lehrstuhl für Aquatische Ökologie an der Freien Universität Berlin. 2016 wurde er zum neuen, hauptamtlichen Präsi- denten des FWF gewählt.