Archive - Jun 25, 2015

Österreichischer Lackindustrie fehlt Volumenswachstum

Die Vertreter der heimischen Lackindustrie fordern angesichts verschärften internationalen Wettbewerbs politische Rahmenbedingungen, die den Unternehmen nicht „die Luft zum Atmen nehmen“.

 

Im Rahmen einer Pressekonferenz am 25. Juni zeigte sich die Berufsgruppe Lack im Fachverband der chemischen Industrie Österreichs mit der wirtschaftlichen Entwicklung im Kalenderjahr 2014 durchaus zufrieden: Trotz schwieriger Rahmenbedingungen habe die Produktionsmenge um 5,0 Prozent, der Umsatz um 2,1 Prozent gesteigert werden können. Die mehrheitlich auf den Export in europäische Länder ausgerichtete Branche profitiere derzeit vor allem von der guten Entwicklung in Deutschland, wo österreichische Produkte geschätzt würden. Das Geschäft mit den Ländern Süd- und Mittelosteuropas entwickle sich dagegen schwach. Vermehrt seien auch die Auswirkungen der Sanktionen gegenüber Russland spürbar, auch wenn Lackprodukte davon nur indirekt betroffen seien. „Damit ist einer der wenigen europäischen Wachstumsmärkte verschlossen“, so Ernst Gruber, Geschäftsführer von Axalta Coating Systems Austria und stellvertretender Berufsgruppenobmann der Lackindustrie.

Die österreichische Lackindustrie habe nur begrenzt die Möglichkeit, von wachsenden Märkten außerhalb Europas zu profitieren, wie Rembrandtin-GF und Berufsgruppen-Obmann Hubert Culik ergänzte. International könne man nur mit speziellen Nischenprodukten punkten. „Nischen bedeuten aber immer: hohe Margen und niedrige Volumina“, so Gruber. Was fehle, sei das Volumenswachstum, das der europäische Markt derzeit nicht hergebe.

 

Innovationsbremsen entgegenwirken

Umso mehr Kapazitäten wollen die heimischen Lackbetriebe in die eigene Forschung und Entwicklung stecken, um mit Innovationen punkten zu können. Dazu brauche es aber auch ausreichend qualifizierte Arbeitskräfte. Was in der Lehrlingsausbildung mit den neu geschaffenen Modulen „Lack- und Anstrichmittel“ sowie „Biochemie“ bereits gelungen sei, möchte man nun auch auf akademischem Level initiieren: Gemeinsam mit dem Österreichischen Forschungsinstitut für Chemie und Technik (OFI) und der FH Technikum Wien soll ein Bachelorstudiengang „Lack- und Beschichtungstechniker“ aufgebaut werden. „Weder auf HTL-  noch auf FH-Ebene gibt es derzeit eine solche Ausbildung“, hob Albert Keiler, technischer Leiter bei der Adler Werk Lackfabrik und ebenfalls stellvertretender Berufsgruppenobmann hervor.

Andererseits bedürfe es aber auch entsprechender Rahmenbedingungen. Wenn immer mehr Aufwand in ein überbordendes Beauftragtenwesen und die Erfüllung von rund 2.000 Rechtsvorschriften gesteckt werden müsse, blieben weniger Kapazitäten für Innovationen frei, so die Branchenvertreter. Derzeit versuche man in Verhandlungen mit den Behörden Regulierungsblüten im Bereich der Lagerung brennbarer Flüssigkeiten und bei Verpackungsabfällen zu vermeiden. Eine gemeinsam mit dem Umweltministerium initiierte Studie soll erheben, wie viel Verpackungsabfall der Lackindustrie tatsächlich in dem von den Gemeinden gesammelten Hausmüll lande, um adäquate Lizenzschlüssel ermitteln zu können.

 

 

 

Streit um TTIP

Zwischen dem deutschen Verband der Chemischen Industrie (VCI) und dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) herrscht Streit über TTIP, das geplante Handelsabkommen der EU mit den USA. Der BUND behauptet, durch TTIP seien die europäischen Standards zum Schutz vor gesundheitsschädlichen Chemikalien in Gefahr. Insbesondere gehe es um den Einsatz von „krebserzeugenden, hormonell wirksamen und umweltschädlichen Chemikalien“ in Kosmetika, Pestiziden und Bioziden, aber auch um potenziell gefährliche Nanomaterialien. „Auf beiden Seiten des Atlantiks“ wolle die Chemieindustrie den Verbraucherschutz schwächen. Ein Dorn im Auge sei den Chemieunternehmen vor allem das in der EU geltende Vorsorgeprinzip, heißt es in einem 32-seitigen Positionspapier mit dem Titel „TTIP und die Chemikalienpolitik in der EU. Mögliche Auswirkungen auf bestehende und künftige Regulierungen“. Bei dessen Vorstellung in Berlin verlautete der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger, die Gesundheit der Menschen müsse „Vorrang haben vor den Interessen der Chemieunternehmen. Keinesfalls darf das bei uns geltende Vorsorgeprinzip vor gefährlichen Schadstoffen zur Verhandlungsmasse werden. Angeblich notwendige Harmonisierungen oder sogenannte gegenseitige Anerkennungen im Rahmen von TTIP darf es nicht geben.“

 

VCI-Hauptgeschäftsführer Utz Tillmann konterte, von einer Gefährdung der europäischen Schutzstandards könne keine Rede sein. Ihm zufolge wird TTIP „auf keinen Fall zu einer Aufweichung von Standards in der Chemikaliensicherheit führen. Die chemierelevanten Regulierungen – TSCA in den USA und REACH in Europa – sind zu unterschiedlich ausgelegt. Eine gegenseitige Anerkennung ist daher nicht möglich.“ Sinnvoll sei freilich, Handelshürden auszuräumen, ohne den Verbraucherschutz zu verschlechtern. Der „Unterstellung des BUND, dass Chemieunternehmen einen geringeren Schutz der Bevölkerung vor gesundheitsschädlichen Chemikalien anstrebten“, sei daher „vehement“ zu widersprechen. Und Tillman fügte hinzu: Das Vorsorgeprinzip sei im Vertrag von Lissabon, quasi der „Verfassung“ der EU, verankert. Es könne daher „durch einen völkerrechtlichen Vertrag wie TTIP keineswegs abgeschafft werden.“

 

Falsch ist laut Tillmann auch die Behauptung des BUND, die Industrie übe Druck aus, um die geplanten Regelungen der EU zu Nanomaterialien und hormonell schädlichen Substanzen (endokrinen Disruptoren) zu verzögern. Der Grund für die Verzögerungen seien vielmehr „Definitions- und Abgrenzungsschwierigkeiten auf Expertenebene. Außerdem läuft die Folgenabschätzung der EU-Kommission – das sogenannte Impact Assessment – zu den entsprechenden Regulierungen derzeit noch.“