Archive - 2016
March 2nd
VCI: Enttäuschte Erwartungen
02.03.16
von
Klaus Fischer
Nicht eben überragend war die wirtschaftliche Entwicklung der deutschen Chemie- und Pharmaindustrie im Jahr 2015. Wie der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes VCI, Utz Tillmann, am 1. März berichtete, wuchs die Produktion um lediglich 0,7 Prozent. Die Pharmaproduktion erhöhte sich um 3,7 Prozent, die von Spezialchemikalien um 1,3 Prozent. Zuwächse gab es auch bei der Herstellung von anorganischen Chemikalien (plus 0,7 Prozent) und Polymeren (plus 0,3 Prozent). Im Gegensatz dazu verminderte sich die Produktion von Konsumchemikalien um 3,4 Prozent und jene petrochemischer Erzeugnisse um 3,1 Prozent. Vor allem Letzteres wertete Tillmann als Alarmsignal: Die Petrochemieproduktion schrumpfte bereits zum fünften Mal in Jahresfolge, was nach seiner Ansicht auf das „strukturelle Problem“ der zu hohen Rohstoff- und Energiekosten zurückzuführen ist.
Insgesamt gingen die Preise für die Erzeugnisse der deutschen Chemie- und Pharmaindustrie 2015 um 2,8 Prozent nach unten. Infolge dessen verminderte sich der Branchenumsatz um 0,4 Prozent auf rund 190 Milliarden Euro. Tillmanns Resümee: „Das vergangene Jahr ist hinter unseren Erwartungen geblieben.“
Schwieriges Umfeld
Auch die Aussichten für 2016 sind laut Tillmann nicht rosig. Der niedrige Ölpreis hilft der Branche nicht, sondern führt zu deflationistischen Effekten: Die Einkäufer von Chemie- und Pharmaprodukten halten sich in Erwartung weiter sinkender Preise zurück und leeren ihre Lager. Ferner wird für Deutschland mit einem Anstieg der Industrieproduktion um nur 0,5 Prozent gerechnet. Aus diesem Grund sind auch für die Chemie- und Pharmaindustrie kaum Zuwächse im Inlandsabsatz zu erwarten. Ein Lichtblick ist dagegen die Lage im EU-Ausland. Für die Gemeinschaft wird ein Anstieg der Industrieproduktion um rund 1,0 Prozent prognostiziert. Dies dürfte laut Tillmann im europäischen Ausland einen Zuwachs im Exportgeschäft mit sich bringen.
Weltweit dagegen ist die Situation einigermaßen düster. Die US-Konjunktur ist unter Druck, weil die niedrigen Ölpreise die Schieferöl- und Schiefergasförderung zunehmend unrentabel machen und die USA somit des Vorteils vergleichsweise niedriger Energiepreise berauben. In Japan wiederum stottert die Konjunktur, ebenso wie in China. Die Russländische Föderation ist wegen der niedrigen Ölpreise und der westlichen Sanktionen in einer Rezession. Die Industrieproduktion sank 2015 um rund 5,5 Prozent und dürfte heuer um bestenfalls etwa 0,5 Prozent wachsen. In Brasilien muss mit einem weiteren Schrumpfen der Industrieproduktion um etwa 6,5 Prozent gerechnet werden, nachdem schon vergangenes Jahr ein Minus von etwa zehn Prozent zu verzeichnen war.
Prognose verhalten
Daher fällt auch die Prognose des VCI für die deutsche Chemie- und Pharmabranche eher verhalten aus. Die Produktion dürfte um etwa ein Prozent zulegen, während die Preise um rund 0,5 Prozent sinken sollten. Insgesamt ergäbe das ein Umsatzplus von lediglich 0,5 Prozent auf 191 Milliarden Euro.
Evonik: Neue Kapazitäten für Festbett-Katalysatoren
Der Standort Marl nahe Recklingshausen hat auf dem Gebiet der Herstellung von Katalysatoren eine jahrzehntelange Tradition. Nun erweitert Evonik die bestehenden Kapazitäten um neue Gebäude für Entwicklung und Produktion von Katalysatoren, die in Festbettreaktoren zur Herstellung von Grundchemikalien zum Einsatz kommen.
Nach Angaben des Unternehmens wird ein niedriger zweistelliger Millionen-Euro-Betrag investiert. Im Zuge der Erweiterung erfolgt die Errichtung einer Scale-up-Anlage, in der Katalysatorrezepturen zunächst im Labormaßstab entwickelt und anschließend auf Pilotaggregaten für größere Maßstäbe optimiert werden. Für die kommerzielle Produktion investiert das Unternehmen in eine zusätzliche Formgebungsanlage, um Katalysatoren in die für die jeweilige Anwendung optimierte Einsatzform zu bringen.
Dem Plastikmüll im Meer auf der Spur
02.03.16
von
Klaus Fischer
Ein Modell, um den Eintrag von Kunststoffabfällen in die Weltmeere (Marine Litter) zu erfassen, haben die deutsche und die österreichische Kunststoffindustrie entwickelt. Dieses berücksichtigt sowohl Makroabfälle als auch Mikropartikel und differenziert zwischen den Einträgen aus Oberflächengewässern wie Flüssen sowie küstennahen Einträgen, wie sie beispielsweise an Stränd oder in Häfen erfolgen. Überdies werden sozioökonomische Daten und Daten zur Bevölkerungsdichte aus der europäischen Klassifikation für Gebietseinheiten („NUTS-Systematik“) herangezogen.
Auf diese Weise ist es möglich, für die untersuchten Regionen Aufschlüsse über das Müllaufkommen bezogen auf Eintragspfade zu gewinnen. Zurzeit wird die Methodik anhand der deutschen Nordsee erprobt. Dazu werden laut einer Aussendung des europäischen Kunststoffindustrieverbandes PlasticsEurope „Daten und Studien von deutschen und österreichischen Umweltbehörden, Fachverbänden, Kläranlagenbetreibern, internationalen Forschungseinrichtungen und Statistikämtern sowie Unternehmensberatungen einbezogen und ausgewertet.“ Laut der Aussendung „stammt die überwiegende Menge der eingetragenen Kunststoffe aus nicht ordnungsgemäß entsorgten Abfällen und liegt als Makrokunststoff vor.“ Als Eintragspfade für etwa 80 Prozent des Plastikmülls in der Nordsee wurden Flüsse und Küstenregionen identifiziert. Die übrigen etwa 20 Prozent gelangen über die Flussschifffahrt sowie die Häfen ins Meer.
Erstellt wurde das Modell von der Consultic Marketing & Industrieberatung GmbH im Auftrag der Beteiligungs- und Kunststoff-Verwertungsges. mbH (BKV), der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen (IK), des Fachverbandes der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) sowie des Fachverbands Kunststoff- und Gummimaschinen im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), unterstützt wurde die Entwicklung von PlasticsEurope Deutschland. Das Modell ist kostenfrei bei der BKV erhältlich. Weitere Informationen gibt es unter www.bkv-gmbh.de.
Netzwerken um die Biotechnologie
Er gilt als einer der wichtigsten internationalen Treffpunkte der Biotechnologiebranche: der Bioprocess International European Summit (BPI), der heuer vom 11. bis 14. April im Messezentrum in Wien stattfindet. Er steht unter dem Motto „Connecting Science, Technology and Business to Optimise Bioprocessing“. Mehr als 450 Teilnehmer aus aller Welt werden erwartet, über 230 einschlägige Unternehmen sind vertreten. Erstmals kommt heuer ein neues Konzept zum Tragen: An die Stelle weitgehend einer weitgehend statischen Ausstellung, wie sie bei Messen sonst üblich ist, tritt ein „interaktives Learning Center“ mit der Bezeichnung „BPI Theatre“. So bekommen die Fachleute aus der Biotech-Branche die Gelegenheit, in interaktiven Umgebungen voneinander zu lernen und die ausgestellten Produkte auszuprobieren. Breiten Raum nehmen auch Möglichkeiten zum „Netzwerken“ ein. Vertreter von Merck Serono, Biogen Idec und Synthon Biopharmaceuticals BV präsentieren Case-Studies zur Steigerung der Produktivität von Zellkulturen.
Workshops zur Einstimmung
Am 11. April, dem Vortag der eigentlichen Konferenz, finden vormittags Workshops zu Continuos Processing und Microbial Manufacturing statt. Am Nachmittag besteht die Gelegenheit, entweder den Boehringer-Ingelheim-Standort in Wien oder die Universität für Bodenkultur und das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (ACIB) zu besuchen.
Richtig los geht es dann am Dienstag mit einer Plenarrunde zum Thema „Process Development for Emerging Therapies - Early to Late-State Technical Development“, die von Nicola Beaucamp, Head of Process Research des Roche Innovation Center Penzberg, sowie Wolfgang Kuhne von Roche Diagnostics Deutschland, bestritten wird. Mit der Einführung der neuartigen Keytruda-Therapie befasst sich Gargi Maheshwari, die Direktorin der Abteilung Biologics Process Development and Commercialisation von MSD. Eine Podiumsdiskussion der drei „Keynote-Speaker“ zum Thema „From Research to Commercialisation“ schließt den ersten Vortragsblock ab. Ab etwa halb zwölf Uhr sind parallele Vortragsreihen zu einer Reihe von Themen vorgesehen, die den gesamten Nachmittag über andauern. Die abschließenden Keynotes halten der Gründer und wissenschaftliche Leiter des IMBA, Josef Penninger (der Titel seines Vortrags: „From Molecular Medicine to Patient“), und Craig E. Smith von Thermo Fisher Scientific, der sich mit „Meeting the Challenges of a Rapidly Changing Bioproduction Industry with Single Use Technology- Past, Present and Future“ befasst.
Strategien für die Produktion
Den Mittwoch eröffnet Parrish M. Galliher von GE Healthcare Life Sciences die Plenarsitzung mit einem Vortrag über „Manufacturing Strategies in a Diverse World“. Anschließend befasst sich Georg Klima von Boehringer-Ingelheim Österreich mit „Accelerating the Development of Novel Biotherapeutics in Microbial Expression Systems“. Abgeschlossen wird das Plenum durch Martin Smith, den Chief Technology Officer der US-amerikanischen Pall Corporation, der über „Technology Advances and Considerations for Parallel and Continuous Bioprocessing“. Ab etwa etwa zehn Uhr bis zur Mittagspause folgen wie schon am Montag mehrere parallele Vortragsreihen zu Spezialthemen. Anschließend stehen eine Postersession und danach wiederum parallele Vortragsreihen auf dem Programm. Gegen etwa 17 Uhr ist das Tagesprogramm abgearbeitet. Abgeschlossen wird die Konferenz durch einen Workshop am 14. April, der sich mit „ADC Chemistry, Production and Manufacturing“ befasst und gegen 15 Uhr endet.
„Guter Überblick“
Zu den Sponsoren des BPI gehören heuer unter anderem GE Healthcare Life Sciences, Thermo Fisher, Pall Life Sciences, Eppendorf, Gyros und Wacker. Unter den rund 50 Ausstellern sind Agilent Technologies, Roche, Saint-Gobain, Sandoz sowie die Watson-Marlow Fluid Technology Group (WMFTG) vertreten.
Vergangenes Jahr nahmen 472 Personen an der Veranstaltung teil, davon 79 Prozent aus Europa, 16 Prozent aus Nordamerika sowie fünf Prozent aus Ostasien, dem Nahen Osten und einigen afrikanischen Staaten. Vertreter internationaler Unternehmen bezeichneten die Veranstaltung als guten Überblick über die aktuellen Entwicklungen der Branche, der zudem umfassende und ansprechende Möglichkeiten zum „Netzwerken“ biete.
February 26th
BASF-Bilanz 2015: „Herausforderndes Marktumfeld“
BASF hatte 2015 mit sinkenden Umsätzen aufgrund fallender Verkaufspreise zu kämpfen. Das Ergebnis wurde vor allem durch das Öl- und Gasgeschäft belastet. Vorstandsvorsitzender Kurt Bock sprach von einem „herausfordenden Marktumfeld“.
Vor dem Hintergrund einer Weltwirtschafts-Dynamik, die hinter den Erwartungen des Unternehmens zurückblieb, präsentierte BASF eine Bilanz 2015, die einen Rückgang der Umsätze um 5 Prozent auf 70,4 Milliarden Euro ausweist. Sinkende Verkaufspreise (über alle Bereich hinweg minus 9 Prozent) aufgrund des niedrigen Preisniveaus für petrochemische Rohstoffe konnten auch durch einen um 3 Prozent gesteigerten Absatz nicht wettgemacht werden – zumal diese hauptsächlich im Segment Öl und Gas erzielt wurden, während die Mengen im Chemiegeschäft nahezu konstant blieben. Lediglich in der Agrarchemie konnten steigende Mengen und Preise erzielt werden. Der Umsatz wurde darüber hinaus durch Portfoliomaßnahmen wie den Tausch von Vermögenswerten mit der Gazprom verringert.
Auch das EBIT vor Sondereinflüssen lag mit 6,7 Milliarden Euro um 618 Millionen Euro unter dem Wert des Vorjahres – auch hier war der ölpreisbedingte Umsatzrückgang aus der Öl- und Gasförderung ein Hauptfaktor. Das Ergebnis im Segment Functional Materials & Solutions konnte dagegen signifikant gesteigert werden.
Vollständige Sequenzierung des Genoms der Gartenbohne
Mit der vollständigen Sequenzierung des Genoms einer Varietät der Gartenbohne sind nun die genetischen Ressourcen einer weiteren Kulturpflanze bekannt. An dem Forschungsprogramm waren auch Wissenschaftler der Wiener Universität für Bodenkultur (BOKU) beteiligt.
Die Züchtung von ertragreichen und widerstandsfähigen Kulturpflanzensorten baut heute in erheblichem Maße auf die Kenntnisse der bei der betreffenden Art vorhandenen genetischen Ressourcen auf. Die vollständige Sequenzierung des Genoms einer solchen Pflanze erweitert die Möglichkeiten daher enorm. Einem internationalen Wissenschaftsverbund, geleitet von Alfredo Herrera-Estrella vom Laboratorio Nacional de Genómica para la Biodiversidad im mexikanischen Irapuato und von Roderic Guigó und Toni Gabaldón vom Center for Genomic Regulation in Barcelona ist dies nun für eine Varietät der Gartenbohne (Phaseolus vulgaris) gelungen – einer Pflanze, die bereits vor Jahrtausenden in Amerika domestiziert wurde. Am Zustandekommen der Ergebnisse, die in der Zeitschrift „Genome Biology“ veröffentlicht wurden, waren auch Heinz Himmelbauer und Juliane Dohm vom Department für Biotechnologie der BOKU beteiligt.
Zur Anwendung kamen dabei moderne Sequenzierungstechnologien ebenso wie bioinformatische Tools auf leistungsfähigen Rechnern, die zu Tage brachten, dass das Genom der Gartenbohne eine Größe von 620 Millionen Basenpaaren besitzt, unter denen 30.491 Gene identifiziert werden konnten. Das Genom der Bohne besitzt somit nur ein Fünftel der Größe des menschlichen Erbguts, enthält aber um rund 50 Prozent mehr Gene. Zusätzlich konnten in der Studie die Aktivitätsmuster der identifizierten Gene (das Transkriptom) ermittelt werden. Mithilfe einer umfassenden Phylogenom-Analyse wurde der evolutionäre Ursprung der vorgefundenen genetischen Ressourcen beleuchtet.
Chemieindustrie: Umsatz sinkt um 2,9 Prozent
26.02.16
von
Klaus Fischer
Ein Boom sieht wohl anders aus: Von 2014 auf 2015 erhöhte sich die Produktion der europäischen Chemieindustrie um gerade einmal 0,3 Prozent. Gleichzeitig sank der kumulierte Branchenumsatz um 2,9 Prozent, wozu nicht zuletzt die um 4,7 Prozent gefallenen Preise beitrugen, meldet der Branchenverband CEFIC in seinem aktuellen Chemical Trends Report.
Dennoch sieht der Verband auch positive Entwicklungen. So lag der Außenhandelsüberschuss im Zeitraum Jänner bis einschließlich Oktober 2015 bei rund 38,4 Milliarden Euro. Er war damit um zwei Milliarden Euro bzw. 5,2 Prozent höher als im Vergleichszeitraum 2014. Zufriedenstellend verliefen vor allem die Exporte in europäische Staaten außerhalb der EU. Allerdings brachen die Exporte in die Russländische Föderation um 15,8 Prozent bzw. 1,29 Milliarden Euro auf etwa 6,9 Milliarden Euro ein. Im Gegenzug gingen die Importe aus der Russländischen Föderation um 9,8 Prozent bzw. 675 Millionen Euro zurück. Gegenüber den drei asiatischen Wirtschaftsmächten China, Japan und Indien wurde ein Außenhandelsdefizit von 1,2 Milliarden Euro erwirtschaftet. Weiter aufgeholt haben die USA, denen es gelang, ihr Defizit gegenüber der EU um rund drei Milliarden Euro auf 7,55 Milliarden Euro zu verringern.
Wenigstens einigermaßen zufrieden zeigt sich die CEFIC mit der Auslastung der Anlagen der Chemieindustrie. Ihr zufolge erhöhte sich diese vom dritten auf das vierte Quartal 2015 von rund 81 auf 82,2 Prozent. Mit diesen Werten lag sie nur 0,9 Prozent unter dem Durchschnitt der Jahre 1995 bis einschließlich 2014. Der „Nachkrisenrekord“ von 2011, der bei etwa 85 Prozent lag, blieb allerdings außer Reichweite.
Österreich leicht im Minus
In Österreich verzeichnete die Chemieindustrie 2015 ein leichtes Umsatzminus, meldete der Fachverband der Chemischen Industrie (FCIO) auf seiner Website. Wie es dort hieß, hatte das „erste Quartal des Jahres schon schwach begonnen, das zweite gab Anlass für Hoffnungen auf einen leichten Aufschwung, diese verflogen aber in den Folgequartalen wieder.“ Die Investitionen lagen 2015 um rund ein Fünftel unter denen des Jahres 2014. Für heuer werde aber wenigstens ein moderater Anstieg erwartet. Detaillierte Zahlen zur Branchenentwicklung im vergangenen Jahr werden voraussichtlich im April veröffentlicht, erfuhr der Chemiereport auf Anfrage.
February 25th
Bayer weist in seiner Bilanz für 2015 Umsatz- und Ergebniswachstum aus. Nach der Umformung in einen Life-Sciences-Konzern übergibt Marijn Dekkers den Vorstandsvorsitz an Werner Baumann.
Bayer konnte im vergangenen Jahr den währungs- und portfoliobereinigten Konzernumsatz um 2,7 Prozent auf 46,3 Milliarden Euro, das EBIT um 15,8 Prozent auf 6,3 Milliarden Euro steigern. In letzterem sind laut Aussagen von Vorstandsvorsitzendem Marijn Dekkers Sonderaufwendungen von 819 Millionen Euro enthalten, die sich im Wesentlichen aus der Konsolidierung von Produktionsstätten, der Integration erworbener Geschäfte und Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Börsengang der Kunststoffsparte unter dem Namen Covestro zusammensetzen. In der Bilanz ist der ehemalige Teilkonzern aufgrund einer nach wie vor bestehenden Mehrheitsbeteiligung noch voll konsolidiert.
Zum Wachstum beigetragen hat vor allem das Geschäft mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, dessen Umsatz um 9,9 Prozent auf 13,7 Milliarden Euro gestiegen ist. Neue Medikamente wie der Blutgerinnungshemmer Xarelto, das Augenpräparat Eylea, die Krebsmittel Stivarga und Xofigo sowie Adempas gegen Lungenhochdruck erzielten davon bereits 4,2 Milliarden Euro.
Unternehmen und Vorstand umgebaut
Dekkers hat den Aufsichtsrat um die vorzeitige Beendigung seines Vertrags, der noch bis Ende 2016 gelaufen wäre, gebeten. Er verlässt mit Ende April ein Unternehmen, dem er in den vergangenen Jahren seinen Stempel aufgedrückt hat. Dekkers hat Bayer in ein auf Life Sciences fokussiertes Unternehmen umgeformt. Dem diente auch die Etablierung eines erweiterten Vorstands mit operativer Verantwortung für die drei Divisionen Pharmaceuticals, Consumer Health und Crop Science. Die Akquisition und Integration des Consumer-Care-Geschäfts von Merck & Co hat diesem Bereich erst eine Größe verliehen, mit der das Unternehmen auf dem Weltmarkt mitspielen kann. 2015 wurden darüber hinaus des Diabetes-Geschäft an Panasonic Healthcare verkauft und das indische Gemüsesaatgut-Unternehmen Seedworks übernommen.
Dekkers wird ab Mitte April als Aufsichtsratsvorsitzender des Verbrauchsgüterkonzerns Unilever fungieren. Nachfolger Dekkers‘ als Vorstandsvorsitzender von Bayer wird Werner Baumann, der dem Vorstand bereits seit 2010 angehört. Baumann wurde 1962 in Krefeld geboren und trat nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften 1988 in die Bayer AG ein.
In seinen Ausführungen im Rahmen der Bilanzpressekonferenz kam Dekkers auch auf die Technologie-skeptische Stimmung in Europa zu sprechen. Der Manager rief dazu auf, Debatten um neue Technologien auf der Basis wissenschaftlicher Fakten zu führen. Erneut plädierte Dekkers für ein Überprüfen neuer regulatorischer Vorschriften auf ihre Folgen für die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft.
Kernkraft: Kein Grund zu Panik
25.02.16
von
Klaus Fischer
Selbst bei den schwersten möglichen Unfällen in den Kernkraftwerken im benachbarten Ausland sind akute gesundheitliche Auswirkungen auf Österreichs Bevölkerung auszuschließen. Auch sind in solchen Fällen keine Evakuierungen notwendig. Im Gegenteil wären diese sogar kontraproduktiv, weil sie unnötige Panik hervorrufen könnten. Das betonte Viktor Karg, der Leiter der Abteilung Strahlenschutz im Umweltministerium, heute bei einer Pressekonferenz in Wien. Wie Karg erläuterte, ist Österreich für Nuklearunfälle im Ausland und deren mögliche großräumige Auswirkungen gut gerüstet. Bereits in den 1980er Jahren wurde ein automatisches Strahlenmessnetz mit 300 Stationen im gesamten Bundesgebiet aufgebaut, das schon zum Zeitpunkt des Reaktorunfalls in Tschernobyl am 26. April 1986 in Betrieb war und laufend modernisiert wurde. Heute ist das Netz, seinerzeit das erste der Welt, mit ähnlichen Systemen in ganz Europa verbunden. Die erhobenen Daten stehen online zur Verfügung und sind öffentlich zugänglich. In der Bundesstrahlenwarnzentrale am Wiener Donaukanal ist permanent ein 24-Stunden-Bereitschaftsdienst im Einsatz, der notfalls binnen Minuten auf einen Alarm reagieren kann. Um allenfalls nötige Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung zu setzen, haben die Behörden mindestens mehrere Stunden, mit höchster Wahrscheinlichkeit aber sogar mehrere Tage, Zeit.
Karg zufolge könnten Sofortmaßnahmen indessen nur bei sehr schweren Unfällen in einem grenznah gelegenen Kernkraftwerk erforderlich werden. Denkbar ist in diesem Zusammenhang etwa die Ausgabe von Iodtabletten sowie die Anweisung an die Bevölkerung, kurzfristig unnötigen Aufenthalt im Freien zu vermeiden. Iodtabletten dienen dazu, die Anreicherung radioaktiver Iod-Isotope, die bei sehr schweren Nuklearunfällen in die Atmosphäre gelangen können, in der Schilddrüse zu verhindern und damit das Entstehen von Schilddrüsenkrebs zu verhindern. Ausreichende Vorräte an Iodtabletten sind in Österreich verfügbar.
Bei geringer Betroffenheit Österreichs, wie diese etwa anlässlich des Unfalls von Tschernobyl gegeben war, können Maßnahmen zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit sinnvoll sein. Dies könnte etwa ein zeitweiliges Weideverbot für Milchkühe bedeuten.
Besserer Informationsaustausch
Infolge des Unfalls von Tschernobyl wurde auch der internationale Informationsaustausch über potenziell gefährliche Ereignisse in Kernkraftwerken maßgeblich verbessert. So gilt seit 1986 das Übereinkommen der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) über die frühzeitige Benachrichtigung bei Störfällen. Ein Jahr später erfolgte die Entscheidung des Rates der damaligen Europäischen Gemeinschaften (EG), der heutigen EU, über den beschleunigten Informationsaustausch in Krisenfällen. Überdies schloss Österreich bilaterale Abkommen mit den die Kernenergie nutzenden Nachbarstaaten über den frühzeigigen Austausch von Informationen aus dem Bereich der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes. Wie Andreas Molin, der Leiter der AbteilungI/6 „Allgemeine Koordination von Nuklearangelegenheiten“ im Umweltministerium dem Chemiereport erläuterte, stehen Österreich damit wesentliche Informationen erheblich rascher zur Verfügung, als dies sonst der Fall wäre. Somit können allfällige Schutzmaßnahmen schneller eingeleitet werden, was die Sicherheit der Bevölkerung weiter verbessert.
Karg ergänzte, das Umweltministerium sei im Zusammenhang mit eventuellen Nuklearunfällen auch für die Information der Bevölkerung zuständig - sowohl zur Vorinformation, um die Menschen auf einen Notfall vorzubereiten, als auch zur Information im Zuge der Bewältigung des Notfalls. Grund zur Aufregung gibt es laut Karg aber auch im schlimmsten denkbaren Fall nicht.
Keine Belastung durch Fukushima
Unterdessen legte das Umweltministerium in Zusammenarbeit mit der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) sowie der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) den Bericht „Fukushima - Auswirkungen des Kernkraftwerksunfalls“ vor. Wie es darin heißt, waren in Österreich keine wie immer gearteten Auswirkungen durch den von einem Seebeben und eine nachfolgende Flutwelle ausgelösten Unfall im Kraftwerk Fukushima Daiichi am 11. März 2011 nachweisbar. Ein noch so geringer Anstieg der Strahlung war nicht messbar. Die berechnete zusätzliche Strahlenbelastung der österreichischen Bevölkerung belief sich auf rund 100 Nanosievert. Das ist weniger als ein Zehntausendstel der natürlichen Belastung.
Weitere Informationen zum Strahlenschutz in Österreich sind unter www.strahlenschutz.gv.at verfügbar.
February 24th
24.02.16
von
Klaus Fischer
Das öffentliche Gesundheitswesen für die Privatwirtschaft zu öffnen, den Betrieb von Spitälern an private Betreiber auszulagern, bei Ausschreibungen das Bestbieterprinzip anzuwenden, auf die Lebenszykluskosten von Produkten und Anlagen zu achten und im Erstattungskodex der Krankenkassen für Medikamente „Qualitätsaspekte“ zu berücksichtigen - das sind einige der Kernforderungen im Positionspapier „Zukunftsstrategien für die Medizinprodukte- und Pharmaindustrie“. Erarbeitet wurde dieses von den Landesgruppen Niederösterreich, Wien und Burgenland der Industriellenvereinigung (IV) in Kooperation mit Austromed.
Bei einer Podiumsdiskussion über das Papier in Wien konstatierte die Wiener Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely, sie bekenne sich natürlich zum Bestbieterprinzip: „Aber wer ist der Bestbieter?“ Dies festzustellen, stoße auf erhebliche Schwierigkeiten. Wehsely plädierte daher für „mehr Transparenz“ auf seiten der Anbieter. Ihr zufolge wäre es grundsätzlich vernünftig, im Vorfeld von Ausschreibungen Gespräche mit potenziellen Anbietern zu führen, wofür eine bestimmte Anlage oder ein Produkt konkret benötigt werde und welche spezifischen Anforderungen es im jeweiligen Fall zu erfüllen gelte. Dies stoße jedoch auf enge rechtliche Grenzen und setze die Beteiligten überdies dem politischen Vorwurf der „Mauschelei“ aus.
Klar ist laut Wehsely, dass die Patienten so rasch wie möglich Zugang zu Innovationen haben müssen - sowohl, was Medizinprodukte, als auch, was neue Arzneien angeht. Allerdings sei die Pharmaindustrie aufgerufen, ihre Preisbildung transparenter als bisher zu gestalten: „Und dass die Pharmaindustrie am volkswirtschaftlichen Nutzen neuer Arzneien partizipiert, dafür habe ich null Verständnis.“ Gemeint ist damit das Argument der Pharmabranche, dass innovative Medikamente die Folgekosten im Gesundheitssystem senken, indem sie etwa kostspielige Operationen vermeiden, und daher höhere Preise für die betreffenden Arzneimittel gerechtfertigt sind. Wehsely zufolge ist die im Gang befindliche Überarbeitung des Erstattungskodex´ sinnvoll: „Wir müssen aber auf Augenhöhe reden und eine Antwort auf die Frage finden, was ein fairer Preis ist.“
Wenig abgewinnen konnte Wehsely der Forderung nach Privatisierungen im Gesundheitssystem. Sie räumte ein, dieses müsse effizienter werden. Aber: „Ich halte ein starkes öffentliches Gesundheitswesen für wichtig. Es gibt wenige, die sich so eine Versorgung, wie wir sie in Österreich haben, privat leisten könnten.“ Wehsely regte an, die Beitragsgrundlagen zu erhöhen und damit zusätzliche Einnahmen für das System zu erschließen: „Arbeitslose Einkünfte, etwa aus Aktienerträgen, tragen zur Finanzierung des Sozialsystems derzeit nichts bei.“ Das werde es über kurz oder lang nicht sein können.
Schrittweise Reformen
Für mehr Transparenz plädierte auch Ulrike Rabmer-Koller, seit Ende vergangenen Jahres Vorsitzende des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger (HV). Und auch sie sprach sich „prinzipiell“ für die Einführung des Bestbieterprinzips aus. Sie warnte allerdings vor den damit verbundenen höheren Anforderungen an die Ausschreibung von Produkten und Dienstleistungen: „Der Beschaffungsprozess wird damit auf jeden Fall komplexer.“
Nicht einfach zu lösen ist ihr zufolge auch die Frage der Erstattungskosten für innovative Arzneimittel. Der HV sei verpflichtet, die bestmöglichen Leistungen für die Patienten bereitzustellen, „und dabei spielen Innovationen natürlich eine große Rolle. Auf der anderen Seite müssen wir aber sorgsam mit den Beiträgen der Versicherten umgehen. Das ist immer wieder ein Spagat.“ Auch frage sich, ob jede von der Pharmaindustrie behauptete Innovation „wirklich eine ist.“ Den kürzlich abgeschlossenen Rahmen-Pharmavertrag bezeichnete Rabmer-Koller als „vernünftige Sache“. Er helfe dabei, festzustellen, welche Innovationen leistbar sind. Wichtig ist laut Rabmer-Koller, „die Menschen gesund zu erhalten. Wir müssen stärker auf Prävention setzen, um Heilungskosten zu sparen.“ Wie sie einräumte, bestehen auch im Bereich des HV einige „Baustellen“. So sei es nicht einfach, alte, möglicherweise obsolete, Leistungen aus dem Erstattungskodex zu entfernen. Und dass die Leistungen der Krankenkassen in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich sind, „ist leider so. Wir arbeiten daran, das auszugleichen.“ Doch gewachsene Strukturen ließen sich nun einmal nicht von heute auf morgen ändern: „Das geht nur schrittweise.“
Gefragt ist laut Rabmer-Koller mehr Zusammenarbeit und mehr Flexibilität aller Partner im Gesundheitssystem: „Zurzeit schauen die einzelnen Akteure noch zu sehr auf sich.“ Wehselys Wunsch nach Beitragserhöhungen erteilte die HV-Vorsitzende eine Absage: „Bevor wir darüber nachdenken, reden wir bitte über Effizienzsteigerungen.“
Europäischer Markt
Philipp von Lattorff, der Generaldirektor von Boehringer Ingelheim in Österreich, verwies darauf, dass der Pharmamarkt „ein europäischer Markt“ ist. Die Preise für innovative Arzneien lägen in Österreich unterhalb des EU-Durchschnitts. Aus diesem Grund komme es gelegentlich zu Knappheiten in der Versorgung, weil die Pharmaunternehmen für jedes Land nur bestimmte Kontingente erzeugten. Der Rahmen-Pharmavertrag ist laut Lattorff „fair“. Die heuer seitens der Pharmaindustrie zu bezahlenden 125 Millionen Euro „sind allerdings ein harter Brocken. Uns allein kostet das vier bis fünf Millionen Euro, und die müssen wir bei Forschung und Entwicklung einsparen.“
Wünschenswert wäre ihm zufolge eine „Life-Science-Milliarde“, eine Breitband-Milliarde gebe es ja schließlich auch. Und ganz schlecht sei es um den Pharmastandort Österreich nicht bestellt: Boehringer Ingelheim baue die Produktion in Wien bekanntlich um 500 Millionen Euro aus. Die Stadt Wien habe das Unternehmen „unglaublich unterstützt. Deshalb konnten wir uns gegen Deutschland, Singapur und Irland durchsetzen“, die ebenfalls im konzerninternen Rennen um die neue Fabrik waren.
Pharmig-Generalsekretär Jan Oliver Huber fügte hinzu, die Frage der „fairen Preise“ für Arzneimittel werde „schon ewig“ diskutiert. Die Preisbildung erfolge transparent, wie die Branche im Zusammenhang mit dem seinerzeit heftig diskutierten Hepatitis-C-Medikament Sovaldi bewiesen habe: „Die Unternehmen haben dazu umfangreiches Material auf den Tisch gelegt.“ Letzten Endes habe der HV die Kosten akzeptiert. Und, so stellte Huber klar: Die Kostensteigerungen bei den Medikamentenpreisen seien im vergangenen Jahr erheblich unter den vom HV ursprünglich kolportierten gelegen.
Seiten