Archive - Apr 2016

April 29th

Pharmig: Martin Munte folgt Robin Rumler

Transparenz ist mein Motto.“ Das sagte Martin Munte, der neue Präsident des Pharmaindustrieverbandes Pharmig, heute bei dessen Generalversammlung in Wien. Der Geschäftsführer des Biotechnologieunternehmens Amgen in Österreich wird die Pharmig für die kommenden drei Jahren leiten. Er folgt Pfizer-Chef Robin Rumler, der nach zwei Amtsperioden nicht mehr kandidieren durfte. Munte war seit 2013 Mitglied des Pharmig-Vorstandes und seit 2015 Vizepräsident. Mit Chantal Friebertshäuser von Merck Sharp & Dohme hat die Pharmig erstmals eine Vizepräsidentin. Die weiteren Stellvertreter Muntes sind sein Vorgänger Rumler und Wolfram Schmidt von Roche Austria.

 

In seiner Antrittsrede kündigte Munte an, im Sinne noch größerer Transparenz die Leistungen der Pharmaindustrie für die Gesellschaft verstärkt kommunizieren zu wollen. Entgegen mancher Befürchtungen habe es im vergangenen Jahr keine „Explosion“ der Medikamentenkosten gegeben. Ohnehin machten die Kosten für Arzneimittel lediglich 12,2 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben aus. Überdies werde die Pharmig auch mit den anderen Verbänden im Pharma- sowie im Gesundheitsbereich intensiver kommunizieren. Die Zusammenarbeit mit allen maßgeblichen Institutionen und Organisationen „ist mir ganz ganz wichtig“, betonte Munte. Wesentlich für den Erfolg der Branche seien auch langfristig stabile rechtliche sowie regulatorische Rahmenbedingungen, konstatierte der neue Pharmig-Präsident. Nicht zuletzt deshalb wolle er den Anfang 2016 neu geschlossenen Rahmen-Pharmavertrag über das Jahr 2018 hinaus verlängern.

 

Phantastisches Team“

Rumler konstatierte, Munte habe „das Herz am rechten Fleck“. In seiner Funktion als Vizepräsident der Pharmig werde er dem neuen Präsidenten „tatkräftig zur Seite stehen.“ In den sechs Jahren seiner Präsidentschaft sei einiges erreicht worden, resümierte Rumler. So sei es nach nicht immer einfachen Verhandlungen gelungen, den Rahmen-Pharmavertrag bis 2018 zu verlängern: „Das ist ein extrem gutes Produkt.“ Überdies wurde das Gremium Gesundheitsziele eingerichtet: „Beides sind Institutionen, wie sie weltweit nicht oft anzutreffen sind.“ Auch sei er „extrem stolz“ auf die klare und unmissverständliche Weise, in der die Pharmig ihre Anliegen vertrete, sowie auf die gute Zusammenarbeit mit den Partnern im Gesundheitswesen. Die Pharmig mit Generalsekretär Jan Oliver Huber verfüge über ein „phantastisches Team“, bei dem er sich nur herzlich bedanken könne.

 

Offene Karten

Es ist wie bei uns im Ministerium: Die Chefs wechseln, die Leute, die die wirkliche Arbeit machen, bleiben gleich“, konstatierte Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser. Sie schätze die Zusammenarbeit mit der Pharmig, die „immer mit offenen Karten“ spiele. Mit ihren insgesamt 18.000 Mitarbeitern, davon rund 14.000 in produzierenden Unternehmen, erbringe die Pharmaindustrie wertvolle Leistungen für das Gesundheitswesen. Der Rahmen-Pharmavertrag sei bekanntlich erfolgreich bis 2018 verlängert worden: „Das ist zehn Mal gescheiter als eine gesetzliche Regelung.“ Die Verhandlungen über den Erstattungskodex für die Arzneimittelkosten befinden sich laut Oberhauser „in den Endzügen.“ Die Ministerin dankte Rumler und wünschte Munte für seine Tätigkeit alles Gute. Sie freue sich auf eine „offene und faire Zusammenarbeit“, schloss Oberhauser.

 

 

April 28th

Forscher bauen künstliches Blatt

Carsten Streb und Timo Jacob von der Universität Ulm haben jenes Enzymsystem technisch nachgebaut, das in den Chloroplasten grüner Pflanzen Wasser in Sauerstoff umwandelt.

 

Im Photosystem II, einem Enzymkomplex in den Chloroplasten grüner Pflanzen und Cyanobakterien, wird Lichtenergie dazu genutzt, Plastochinon in Plastochinol zu reduzieren und Wasser in Sauerstoff umzuwandeln. Der letztgenannte Schritt findet dabei an einem Mangan-hältigen Reaktionszentrum statt, die dabei ablaufenden Vorgänge sind noch nicht im Detail verstanden.

Um neue Einblicke zu gewinnen, wurde unter Leitung von Carsten Streb vom Institut für Anorganische Chemie I der Uni Ulm ein „künstliches Blatt“ auf der Basis eines Gerüsts aus Mangan-Vanadiumoxid gebaut. Zur Stabilisierung des Katalysators kommen Polyoxometallate zur Anwendung, wodurch – anders als in der Natur – das reaktive Zentrum nicht zerstört wird und daher auch nicht kontinuierlich regeneriert werden muss. Ein Licht-absorbierendes Antennenmolekül ersetzt den zuvor als Energiequelle verwendeten elektrischen Strom.

Tim Jacob vom Institut für Elektrochemie konnte das System elektrochemisch charakterisieren und zeigte, dass es in Sachen Sauerstoffproduktion mit dem biologischen Vorbild durchaus mithalten kann. Die Arbeit wurde in der Zeitschrift Angewandte Chemie veröffentlicht.

 

 

 

 

April 27th

Boehringer erweitert Zusammenarbeit mit VTU Technology

Boehringer Ingelheim und VTU Technology erweitern ihre Zusammenarbeit. Neben der Etablierung von Pichia pastoris, einer Hefe, als Wirtsorganismus in der Biopharmaka-Produktion soll auch Boehringers E. coli-Expressionsplattform gemeinsam weiterentwickelt werden.

 

VTU Technology, eine Tochter des Engineering-Unternehmens VTU, hat eine Expressionsplattform zur Herstellung von Proteinen in Pichia pastoris entwickelt. Die Technologie basiert auf unternehmenseigenen  Promotor-Bibliotheken, die auf die ökonomische Optimierung biotechnologischer Produktionsprozesse ausgerichtet sind.

Bereits im November gab das Unternehmen bekannt, eine bestehende Kooperation mit Boehringer Ingelheim zu verlängern, im Zuge derer Pichia pastoris in der Produktion von Biopharmaka etabliert werden soll. Nun soll diese Technologie mit Elementen der E. coli-Expressionsplattform von Boehringer Ingelheim ergänzt werden, die am Wiener Standort des Konzerns eingesetzt wird. Dadurch erhält auch VTU die Möglichkeit, das Serviceportfolio für seine Kunden zu erweitern.

 

 

 

April 26th

Bayer steigert Ergebnis

Zufrieden mit dem ersten Quartal 2016 gibt sich der Vorstandsvorsitzende des Bayer-Konzerns, Marijn Dekkers. „Alle Segmente konnten ihre operative Performance steigern“, konstatierte er bei der Präsentation des Quartalsberichts am 26. April. Der Konzernumsatz erhöhte sich gegenüber dem ersten Quartal 2015 um 0,5 Prozent auf 11,941 Milliarden Euro, das EBITDA stieg um 23,0 Prozent auf rund 3,4 Milliarden Euro. Um rund ein Fünftel auf 2,3 Milliarden Euro gewachsen ist das EBIT. Das Konzernergebnis schließlich liegt mit 1,5 Milliarden Euro um rund 13,3 Prozent über dem des Vergleichszeitraums 2015.

 

Der Umsatz mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln (Pharmaceuticals) wuchs um 12,2 Prozent auf 3,9 Milliarden Euro, was Dekkers mit der „weiterhin starken Entwicklung der neueren Produkte“ begründete. Als Ergebnisbringer nannte er unter anderem die Krebsmedikamente Stivarga und Xofigo sowie Adempas, ein Medikament gegen Lungenhochdruck. Mit rezeptfreien Medikamenten erwirtschaftete Bayer 1,5 Milliarden Euro, im Vergleich zum ersten Quartal 2015 ein Plus von 2,2 Prozent. In Europa ging Geschäft wegen der Lage in der Russländischen Föderation zurück, auch in den USA verringerte sich der Umsatz. Als „schwach“ wird die Entwicklung im Agrarbereich (Crop Science) bezeichnet. Der Umsatz stieg um 1,2 Prozent auf 3,0 Milliarden Euro. Zuwächse erzielte Bayer bei Saatgut, Saatgutbehandlungsmitteln und Fungiziden, Rückgänge gab es dagegen bei Insektiziden und Herbiziden. Um 8,8 Prozent auf 408 Millionen Euro gewachsen ist das Geschäft mit Tiergesundheitsmitteln. Im seit 1. Jänner ausgegliederten ehemaligen Bereich Material Sciences, jetzt Covestro, war ein Umsatzrückgang von 4,7 Prozent auf 2,8 Milliarden Euro zu verzeichnen. Als Gründe dafür werden die gesunkenen Preise für Rohstoffe, vor allem Polyurethane, genannt.

 

Bestätigt wurde die Ergebnisprognose für heuer. Dieser zufolge erwartet Bayer einen Umsatz von über 47 Milliarden Euro, verglichen mit 46,3 Milliarden im Vorjahr. Das EBITDA vor Sondereinflüssen soll „im mittleren einstelligen Prozentbereich“ wachsen.

 

Für Dekkers, seit 1. Oktober 2010 Vorstandsvorsitzender von Bayer, war die heutige Präsentation der Quartalsbilanz die letzte bei Bayer. Er verlässt den Konzern nach der Hauptversammlung am 30. April. Ihm folgt Werner Baumann, der im Vorstand für die Bereiche Strategie und Portfolio-Management zuständig ist und bis auf Weiteres bleibt.

 

 

Lanxess: Erster Zukauf nach Neuausrichtung

Der deutsche Spezialchemikalienkonzern Lanxess will den ersten Zukauf nach seiner Neuausrichtung tätigen. Mit dem US-amerikanischen Chemiekonzern Chemours wurde vereinbart, dessen Geschäftsbereich „Clean and Disinfect“ zu übernehmen. Den Kaufpreis von rund 210 Millionen Euro will Lanxess laut einer Aussendung „aus vorhandenen liquiden Mitteln finanzieren.“ Der Abschluss der Transaktion ist für das zweite Halbjahr geplant und muss noch von den zuständigen Kartellbehörden genehmigt werden. Lanxess erwartet, durch die Aquisition sein EBITDA um etwa 20 Millionen Euro pro Jahr erhöhen zu können. Bis 2020 soll dieser Beitrag auf 30 Millionen Euro steigen. Zum Vergleich: 2015 belief sich das EBITDA von Lanxess auf rund 885 Millionen Euro.

 

Chemours erzeugt im Geschäftsbereich „Clean and Desinfact“ Wirkstoffe und Spezialchemikalien, vor allem für Desinfektions- und Hygienelösungen. Eines der wichtigsten Produkte ist das Desinfektionsmittel Virkon S, das unter anderem gegen Maul- und Klauenseuche sowie Vogelgrippe verwendet wird. In dem Geschäftsbereich erwirtschaftet Chemours mit 170 Mitarbeitern in den USA und Großbritannien rund 100 Millionen Euro Umsatz pro Jahr. Etwa die Hälfte des Ertrags kommt aus Nordamerika.

 

Lanxess-Vorstandsvorsitzender Matthias Zachert sagte, er wolle „unsere Position vor allem in mittelgroßen und weniger zyklischen Märkten mit hoher Marge und guten Wachstumsaussichten weiter ausbauen.“ Der neue Geschäftsbereich wird laut Lanxess in die „Business Unit“ Material Protection Products eingegliedert.

 

April 25th

CEFIC bekräftigt TTIP-Unterstützung

Der europäische Chemieindustrieverband CEFIC bekräftigte heute seine Unterstützung für TTIP, das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Anlass dafür ist die derzeit laufende 13. Verhandlungsrunde. Nach Ansicht der CEFIC ist das Abkommen „wesentlich für den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg beider Seiten.“ TTIP verbessere den Informationsaustausch für wissenschaftliche Evaluierungen von Chemikalien sowie die diesbezügliche Risikobewertung. Es ermögliche die einheitliche Klassifizierung und Kennzeichnung von Substanzen und einheitlichere regulatorische Vorgaben. Überdies vermindere es die Notwendigkeit staatlich vorgeschriebener Tierversuche.

 

Der Chemieindustrie gehe es einzig und allein um die Verminderung des Verwaltungaufwands durch die verstärkte Zusammenarbeit der Regulierungsbehörden. Nicht angestrebt werde dagegen die wechselseitige Anerkennung von Qualitätsstandards. Hinter dem Wunsch nach einheitlicher Produktkennzeichnung stehe lediglich die logistische Vereinfachung, betonte Rene van Sloten, Executive Director, CEFIC Industrial Policy. Für den Export in die USA bestimmte Erzeugnisse eigens verpacken und kennzeichnen zu müssen, koste Millionen von Euro und bringe den Konsumenten nichts. Mit einheitlicher Kennzeichnung dagegen könne ein weltweiter Standard geschaffen werden.

 

Das Freihandelsabkommen ist heftig umstritten. Kritiker befürchten unter anderem, dass damit Klagen von Investoren gegen Staaten erleichtert würden. Ihrer Ansicht nach könnte dies zur Aushöhlung von Umwelt- und Sozialstandards führen.

 

 

Besucherrekord bei der „Langen Nacht der Forschung“

Mehr als 180.000 Besucher lockte die <a href=http://www.langenachtderforschung.at>„Lange Nacht der Forschung 2016“</a> am 22. April an. 2.183 Stationen an 35 Orten in allen neun Bundesländern zeigten die Vielfalt der österreichischen Wissenschafts- und Innovationslandschaft.

 

Allein in Wien beteiligten sich 48 Ausstellungsorte an der Langen Nacht der Forschung. Neben zahlreichen Stationen an Universitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmensstandorten, gestaltete das BMWFW in diesem Jahr ein eigenes Open-Air-Event auf dem Wiener Heldenplatz, wo verschiedenste Institutionen ihre Arbeiten präsentierten. Dabei kamen neben Technik (beispielsweise wurden Fahrzeuge mit Hybridtechnologie gezeigt) und Biowissenschaften auch die Geistes- und Kulturwissenschaften zu Wort.

An der Medizinischen Universität Wien erwies sich besonders die Live-Übertragung einer Herzklappen-Operation ins Hörsaalzentrum als Publikumsmagnet. Die OP war auf drei riesigen Screens für alle Interessierten gut zu beobachten und wurde von einem Team der klinischen Abteilung für Herzchirurgie kommentiert.

Auch in Niederösterreich wurde im Rahmen der Langen Nacht der Forschung einiges geboten: So stand der Technopol Wiener Neustadt im Zeichen der Medizintechnik sowie der Luft- und Raumfahrt, in Tulln präsentierte sich die biowissenschaftliche Forschung und in Klosterneuburg das Institute of Science and Technology Austria (IST Austria)

 

Ressourcenzentrum Materiautech eröffnet

An der New Design University in St. Pölten wurde im Rahmen der Langen Nacht der Forschung die in Kooperation mit dem Kunststoff-Cluster und der WK Niederösterreich entstandene Materialausstellung „Materiautech“ eröffnet. Dabei wurde ein Normteil in 500 verschiedenen Werkstoffen und Ausführungsvarianten hergestellt, um die Vielfalt der Möglichkeiten von Kunststoffen und Verbundmaterialen Verarbeitern und Designern auch visuell und haptisch zugänglich zu machen. In der dahinter stehenden Datenbank sind technische Materialeigenschaften abrufbar.

 

 

 

April 22nd

Phoenix Contact beteiligt sich an Grazer Start-up-Unternehmen

Phoenix Contact Innovation Ventures, eine Investment-Tochter des Elektrotechnik-Unternehmens <a href=https://www.phoenixcontact.com target=“_blank“>Phoenix Contact</a> beteiligt sich mit einem sechsstelligen Euro-Betrag an der Eologix Sensor Technology GmbH. Das Grazer Start-up-Unternehmen hat ein Sensorsystem zur Detektion von Eis auf Oberflächen entwickelt.

 

Das insbesondere bei Windkraftanlagen zum Einsatz kommende System besteht aus flexiblen, drahtlosen Sensoren, die auf die Rotorblätter aufgeklebt werden und eine etwaige Eisbildung erkennen. Die erfassten Messdaten werden per Funk an die Steuerung übertragen, die dann Maßnahmen zur Enteisung einleiten kann. Auf diese Weise können vereisungsbedingte Stillstandszeiten bei Windkraftanlagen minimiert werden.

Die drei Gründer von Eologix konnten bereits einige Kunden gewinnen, für die Finanzierung des weiteren Wachstums war man auf Investorensuche. Gemeinsam mit Phoenix Contact, das neben dem Investment auch sein Vertriebsnetzwerk zu Verfügung stellt, sollen nun die nächsten strategischen Schritte erfolgen.

 

 

 

 

April 21st

MySugr kooperiert mit Roche im Diabetes-Management

Das Wiener Unternehmen MySugr entwickelt Smartphone-Apps, die Diabetikern den Alltag erleichtern. Nun hat man in Kooperation mit Roche Diabetes Care eine automatische Schnittstelle zu einem Blutzuckermessgerät geschaffen.

 

MySugr wurde von Diabetikern gegründet mit dem Ziel, die täglichen Mühen des Lebens mit dieser Erkrankung auf spielerische Weises zu erleichtern. So entstand beispielsweise eine Tagebuch-App für das Smartphone, die das täglche Eintragen von Blutzuckerwerten, Mahlzeiten und Insulinmengen mit einem Handy-Spiel verbindet.

Nun hat man einen weiteren Schritt der Erleichterung ermöglicht: Das Blutzuckermessgerät „Accu Chek Aviva Connect“ von Roche übermittelt Messwerte über eine Bluetooth-Schnittstelle automatisch in die Tagebuch-App von MySugr und spart den Betroffenen dadurch manuelles Eintragen. Auf diese Weise stehen Arzt und Patienten wichtige Gesundheitsdaten lückenlos zur Verfügung, während die ansonsten zur Datenbeschaffung verbrauchte Zeit frei wird.

 

 

 

 

„Wir brauchen Rechtssicherheit“

CR: Wie lief das Jahr 2015 für die österreichische Pflanzenschutzmittelindustrie?

Stockmar: Unser Geschäft ist ziemlich konstant, abhängig natürlich von den Wetterbedingungen und von der Lage der Landwirtschaft im Allgemeinen. Auch 2015 war relativ stabil. Der Jahresumsatz lag wieder bei etwa 125 bis 130 Millionen Euro. Die Landwirtschaft ist im Moment in einer etwas schwierigen Situation. Darum ist auch die Bereitschaft, Pflanzenschutzmittel einzusetzen, abwartend. Das ist aber auch in unserem Sinn. Wir vertreten den Ansatz des integrierten Pflanzenschutzes: Unsere Mittel sollen nur dann eingesetzt werden, wenn das notwendig ist.

 


CR: Im Juni endet die Zulassung von Glyphosat in der EU. Daher muss die EU-Kommission in den kommenden Wochen über die Neuzulassung entscheiden. Was geschieht, wenn das Mittel nicht neu zugelassen wird?

Stockmar: Es handelt sich um ein normales Neuzulassungsverfahren, das alle zehn Jahre durchzuführen ist. Einen Ersatz für Glyphosat gibt es nicht. Speziell in Europa und damit auch in Österreich erfolgt die Anwendung im Zuge der reduzierten Bodenbearbeitung: Man bildet für den Winter auf den Ackerflächen eine Begrünung. In diesen Mulch wird möglichst bodenschonend die neue Saat eingebracht. Das schützt vor Erosionen, ist klima- sowie umweltfreundlich, fördert den Humusaufbau und aktiviert den Boden wieder. Ohne Glyphosat gehen die Vorteile der energiesparenden und bodenschonenden Minimalbodenbearbeitung verloren. Damit gehen wir in der pflanzenbaulichen Entwicklung wieder 15 bis 20 Jahre zurück.

Grundsätzlich ist der Pflanzenschutzmittelindustrie Rechtssicherheit wichtig. Pflanzenschutzmittel sind die am besten untersuchten Substanzen überhaupt, besser sogar noch als Medikamente. Für die Zulassung eines einzigen Wirkstoffes müssen wir Studien mit etwa 50.000 Seiten Umfang einreichen, unter anderem über Toxikologie, Chemie sowie die Auswirkungen auf Wasser, Boden und Luft, wobei auch die Abbauprodukte berücksichtigt werden.


 

CR: Wie lange dauert es, einen neuen Wirkstoff zu entwickeln?

Stockmar: Etwa zehn bis 14 Jahre. Die Kosten belaufen sich auf rund 250 Millionen Euro. Wenn nun ein Stoff, der mit solchem Aufwand auf den Markt gebracht wird, von einem Tag auf den anderen wegen politischer Zurufe verboten wird, ist das problematisch. In den 1990er-Jahren tätigte unsere Branche noch ein Drittel der weltweiten Forschungsausgaben in Europa. Heute sind es nur mehr sieben Prozent. Ein Grund dafür ist sicher das politische Umfeld und die Rechtsunsicherheit. Und nun sind wir genau beim Thema. Wir sagen: Bitte lasst die Zulassungsbehörden aufgrund der Gesetze entscheiden. Politische Zurufe sind nicht sinnvoll.

 

 

CR: Was hieße ein Glyphosatverbot für die Pflanzenschutzmittelindustrie?

Stockmar: Vom Umsatz her ist das für uns nicht bedeutend. Im Jahr 2014 wurden in Österreich rund 340 Tonnen Glyphosat ausgebracht. Das sind umgerechnet nur knapp zwei Prozent des Gesamtumsatzes der Pflanzenschutzmittelindustrie in Österreich. Wichtig ist das Thema für die moderne Landwirtschaft und für die Ökologisierung der Landwirtschaft. Da würde ein wesentlicher Baustein fehlen. Drei Wissenschaftler der Universität Gießen vertreten die Auffassung, dass man umweltschonende Methoden im Sinne der Minimalbodenbearbeitung in der Landwirtschaft ohne Glyphosat nicht mehr sinnvoll einsetzen kann.

 

 

CR: Laut EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis soll die Industrie die Studien zu den Gesundheitsfragen bezüglich Glyphosat veröffentlichen. Die Glyphosat Task Force (GTF) lehnt das ab, bietet aber an, die Studien in einer Art „Lesesaal“ zur Verfügung zu stellen. Warum?

Stockmar: Die Task Force sagt: Wir halten uns an die Gesetze und erwarten uns, dass das alle tun. Laut den Gesetzen unterliegen die Studien der Geheimhaltung, um Plagiate zu verhindern und sicherzustellen, dass den Unternehmen die Forschungsinvestitionen vergütet werden. Daher hat die Task Force angeboten, die Studien in einem Lesesaal zugänglich zu machen, wie das bei anderen Themen ja auch der Fall ist. Die Zulassungsbehörden haben ohnehin alle Daten. Es ginge nun darum, dass Politiker und Umweltaktivisten Einsicht haben wollen. Aber das kann nur zur Verunsicherung führen. Es hat keinen Sinn, Details hochwissenschaftlicher Publikationen mit der Bevölkerung zu diskutieren, die natürlich nicht den vollen Wissensstand hat.

 

 

CR: Wie geht es mit den Neonicotinoiden weiter? Das Verbot in Österreich gilt ja noch bis Herbst.

Stockmar: Das Verbot war politisch motiviert. Ich gehe davon aus, dass es nicht verlängert wird. Es geht darum, den Beizmittelstaub nicht mit den Bienen oder anderen Insekten in Berührung zu bringen. Dafür gibt es technische Lösungen.

 

 

CR: Es heißt verschiedentlich, auf Pf lanzenschutzmittel könne vollständig verzichtet werden. Stattdessen müsse die „biologische Landwirtschaft“ zum Standard werden.

Stockmar: Jeder Landwirt soll selbst entscheiden, welche Form der Bewirtschaftung er wählt. Global betrachtet, sind wir mit einer steigenden Weltbevölkerung und abnehmenden Bodenressourcen konfrontiert. Dazu kommt der Klimawandel. Daher müssen die verfügbaren Flächen ganzheitlich optimal genutzt werden, um hohe und qualitativ hochwertige Erträge zu erzielen. Da geht es um Pflanzenschutz, aber auch um pflanzenbauliche Maßnahmen sowie um den gezielten Einsatz von Betriebsmitteln. Die Pflanzenschutzmittel sind bestens getestet. Man versucht, mit Warndiensten Behandlungen erst dann zu setzen, wenn Krankheiten auftreten. Mithilfe von Drohnen können Dünger und Pflanzenschutzmittel in Zukunft gezielt dort ausgebracht werden, wo das notwendig ist. Die biologische Landwirtschaft wird immer mehr Ertragsverluste haben. Wenn Österreich diesen Weg gehen will, werden immer mehr Importe nötig sein, aus Ländern, deren Qualitätsstandards wir nicht kennen.

 

 

CR: Hat die Politik ausreichend Verständnis für Ihre Anliegen?

Stockmar: In der Landwirtschaft den modernen Pflanzenschutz als Bestandteil moderner pflanzenbaulicher Konzepte zu sehen, ist weitgehend konsensuell. Sehr zu begrüßen ist das Projekt „Zukunft Pflanzenbau“ von Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter, das alle Aspekte des modernen Pflanzenbaus berücksichtigt.

 

 

CR: Wird die Diskussion über Pf lanzenschutzmittel in anderen Ländern sachlicher geführt als in Österreich?

Stockmar: Bezüglich Glyphosat spielen sich die Debatten in den meisten Ländern auf einer ähnlichen Ebene ab wie hier. Das Thema wird auch mit einem großen Hersteller in Verbindung gebracht. Aber die Verwendung von Glyphosat in Europa ist nicht mit jener in den Ländern zu vergleichen, in denen gentechnisch verändertes Soja angebaut wird. Da geht es um ganz andere Tonnagen und einen völlig anderen Einsatz.

 

 

Dipl.-Ing. Dr. Christian Stockmar ist Vorstand der Industriegruppe Pflanzenschutz. Seit 2005 leitet er die Zweigniederlassung der Syngenta Agro GmbH. Stockmar hat über 20 Jahre Erfahrung in der Pflanzenschutzindustrie. 

 

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