Archive - Feb 8, 2019

Pharmaindustrie startet Serialisierung

Ein neues digitales System soll die Lieferkette für rezeptpflichtige Arzneimittel europaweit noch transparenter machen und das Einschleusen von Fälschungen verhindern.

 

 

Per 9. Februar muss jede neu erzeugte Packung mit rezeptpflichtigen Medikamenten der Arzneimittelfälschungs-Richtlinie der EU (2011/62 EU) entsprechen. Und Österreich ist bestens vorbereitet, hieß es bei einer Pressekonferenz der Austrian Medicines Verification Organisation (AMVO), die hierzulande für die Umsetzung der Richtlinie verantwortlich zeichnet. Dieser zufolge müssen alle neuen Arzmittelpackungen mit einem 2-D-Data-Matrix-Code und einem Manipulationsschutz versehen werden, etwa einer Perforierung oder einem Siegel. Als neues Sicherheitsmerkmal enthält der Code eine individuelle Seriennummer, die jede Packung eindeutig identifizierbar macht. Jede Seriennummer ist vom Hersteller des Medikaments in den gesamteuropäischen Datenspeicher der European Medicines Verification Organisation (EMVO) einzubuchen, der Dachorganisation der MVOs der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten. Ferner ist die Seriennummer auch in den Datenspeicher jenes Landes einzubuchen, für das die Packung bestimmt ist. In Österreich ist das der Datenspeicher der AMVO-Tochter AMVS (Austrian Medicines Verification System GmbH). Beim Ausfolgen der betreffenden Packung an einen Patienten wird der darauf aufgedruckte 2-D-Data-Matrix-Code gescannt und so die Seriennummer aus dem System ausgebucht. Diese „Serialisierung“ gewährleistet nach menschlichem Ermessen, dass der Patient ein einwandfreies Medikament erhält. Packungen mit rezeptpflichtigen Arzneien, die vor dem 9. Feber zum Verkauf freigegeben wurden, dürfen noch bis 2024 an die Patienten ausgefolgt werden.

 

An dem neuen System nehmen 32 Staaten teil. Dabei handelt es sich um die derzeit noch 28 Mitglieder der EU sowie die Mitglieder der European Free Trade Association (EFTA), also Norwegen, Island, die Schweiz und Liechtenstein. Die beiden letzteren Staaten haben ein gemeinsames Prüfsystem samt Datenspeicher installiert.

 

Planmäßige Umsetzung

 

AMVO-Vorstandschef Jan Oliver Huber erläuterte bei der Pressekonferenz, die Arzneimittelfälschungs-Richtlinie werde „planmäßig umgesetzt“. Allein für Österreich bezieht sich diese ihm zufolge auf etwa 150 Millionen Packungen pro Jahr. Sie werden von 247 Pharmaunternehmen in Verkehr gebracht und über 170 Großhändler, 1.440 öffentliche Apotheken und Krankenhausapotheken, 860 Hausapotheken bei Ärzten sowie 22-In-Vitro-Fertilisationszentren an Patienten ausgefolgt. Für die Pharmaindustrie und ihre Partner sei es herausfordernd gewesen, die Umsetzung binnen lediglich dreier Jahre vorzunehmen. Der Grund: Erst Anfang Februar 2016 erging jene Delegierte Rechtsakte zu der Richtlinie, in der die Details zur Serialisierung festgelegt wurden. In dieser Zeit musste die Branche nicht nur die notwendige IT-Technik installieren, sondern auch ihre Logistik und teilweise ihre Produktionsprozesse anpassen. Huber zufolge gingen die Kosten europaweit in die Milliarden Euro. Doch sei es der europäischen Pharmaindustrie gelungen, die Serialisierung zu implementieren: „Wir sind zuversichtlich, dass sich diese in der Praxis bewähren wird.“ Ähnlich argumentierte der Präsident des Österreichischen Generikaverbands, Wolfgang Andiel. Ihm zufolge „bedeutet die Umsetzung der Fälschungsrichtlinie die Überführung eines grundsätzlich sicheren Systems in das digitale Zeitalter. Damit geht eine nachhaltige Verbesserung der Patientensicherheit zum Schutz vor gefälschten Arzneimitteln einher“.

 

Nach Angaben der Geschäftsführerin des Pharma-Großhandelsverbands PHAGO, Monika Vögele, liefern dessen Mitglieder pro Jahr etwa 140 Millionen Packungen mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln an die öffentlichen Apotheken: „Wir kaufen die Ware bei etwa 2.000 Lieferanten und haben rund 50.000 verschiedene Arzneien auf Lager.“ Mit den Beständen könnten die österreichischen Patienten rund drei Wochen lang versorgt werden. In den kommenden Monaten prüfen die PHAGO-Mitglieder Vögele zufolge die neu einlangenden Packungen freiwillig, um sicherzustellen, dass die Vorgaben der Serialisierung eingehalten werden.

 

„Neues Sicherheits- und Schutzniveau“

 

Laut Christa Wirthumer-Hoche, der Leiterin der Medizinmarktaufsicht der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) erreicht Österreich mit der Serialisierung „ein neues Sicherheits- und Schutzniveau für die  Patienten. Jeder, der seine Arzneimittel über die Apotheke oder den hausapothekenführenden Arzt bezieht, ist optimal geschützt“. Wirthumer-Hoche vertritt im Aufsichts- und Kontrollbeirat der AMVO das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG). Diese untersteht dem Gesundheitsministerium und ist in Österreich auf behördlicher Seite für die Arzneimittelfälschungs-Richtlinie zuständig. Wirthumer-Hoche ergänzte, die Serialisierung sei ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Transparenz sowie der Versorgungssicherheit auf dem Arzneimittelmarkt. Bezüglich der Versorgungssicherheit sprach sich Wirthumer-Hoche für verpflichtende Meldungen der Pharmaindustrie über die Verfügbarkeit von Arzneimitteln aus. Wie sie dem Chemiereport erläuterte, werden diese Verpflichtungen voraussichtlich mit einer Novelle zum Arzneimittelgesetz (AMG) im kommenden Jahr eingeführt.