Archive - Jul 2019

Datum

July 5th

Krach um Arzneimittelversorgung

Ob zuletzt thematisierte Engpässe bei der Verfügbarkeit einzelner Medikamente „hausgemacht“ sind oder nicht, ist umstritten.

 

Grantig reagiert das Forum der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich (FOPI) auf Äußerungen von Apothekerkammerpräsidentin Ulrike Mursch-Edlmayr. Sie behauptete im Zusammenhang mit den Debatten über die Nichtverfügbarkeit von Arzneimitteln in einer Tageszeitung, in Europa würden kaum noch Arzneimittel erzeugt. Nötig sei eine „europäische Initiative“, um sicherzustellen, dass auch weiterhin pharmazeutische Forschung und Entwicklung stattfinde. Dies brachte FOPI-Präsident Ingo Raimon und seine Klientel auf die Palme. Per Aussendung ließ Raimon wissen, die forschende Pharmaindustrie „beschäftigt 642.000 Mitarbeiter in Europa und generiert eine Wertschöpfung in Höhe von 206 Milliarden Euro in der EU“. Der jährliche Exportüberschuss der Pharmaunternehmen liege bei „über 70 Milliarden Euro“. Von mangelnder Produktion könne somit keine Rede sein. Um eventuelle Probleme zu lösen, sollten alle Beteiligten zusammenarbeiten, „etwa in der gemeinsamen Taskforce unter Ägide des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG)“.

 

Ähnlich argumentierte der Generalsekretär des Pharmaindustrieverbands Pharmig, Alexander Herzog. Von insgesamt rund 13.000 in Österreich zugelassenen Medikamenten seien „über 99 Prozent lieferbar. Freilich wollen wir eine vollständige Lieferfähigkeit. Wir haben hier aber kein österreichspezifisches Problem, sondern ein weltweites, das noch dazu viele Ursachen hat. Daher arbeiten wir gemeinsam mit allen Beteiligten der Lieferkette intensiv und mit Hochdruck an Lösungen, um die Versorgung für die Patienten möglichst reibungslos zu gestalten“. Als Gründe für allenfalls auftretende Lieferschwierigkeiten nannte Herzog unter anderem „Rohstoffknappheit, Qualitätsprobleme bei der Herstellung oder im Vertrieb, unerwarteten Mehrbedarf oder auch Warenabflüsse ins Ausland“. Und allzu dramatisch sei die Angelegenheit auch wieder nicht: „Wenn im Einzelfall tatsächlich ein Medikament nicht verfügbar ist, dann lässt sich in der Regel gemeinsam mit dem Arzt oder der Ärztin ein alternatives Präparat finden.“

 

Unterdessen stellte der NEOS-Nationalratsabgeordnete Gerald Loacker eine Anfrage an Gesundheitsministerin Brigitte Zarfl. Er will wissen, ob die zuletzt thematisierten Engpässe - unter anderem bei dem Präparat Imurek gegen Abstoßungsreaktionen nach Organtransplantationen - möglicherweise „selbstgemacht“ sind. Einmal mehr kritisiert Loacker in diesem Zusammenhang den Hauptverband der Sozialversicherungen (HV) und die Krankenkassen. Wörtlich heißt es in seiner Anfrage: „Es ist bekannt, dass die Sozialversicherung (indirekt unterstützt vom Gesundheitsministerium) in den letzten Jahren außergewöhnlich harte Preisverhandlungen mit den Pharmaunternehmen geführt hat. Dabei wurde offensichtlich nur auf den Preis fokussiert, ohne Arzneimittel-Liefergarantien zu verhandeln. Es stellt sich also nicht nur die Frage, wie viele Arzneimittel-Engpässe es in den letzten Jahren gegeben hat, sondern auch, wie sehr diese Engpässe selbstgemacht sind.“

 

July 4th

VCI: Umsatz sinkt um vier Prozent

Der deutsche Chemie- und Pharmaverband klagte bei der Präsentation der Halbjahresbilanz über „schwierige globale Rahmenbedingungen und Belastungen“.

 

Der Umsatz der deutschen Chemie- und Pharmaindustrie lag im ersten Halbjahr 2019 bei knapp 96 Milliarden Euro. Er war damit um vier Prozent niedriger als im ersten Halbjahr 2018, hieß es bei der Bilanzpressekonferenz des Branchenverbandes VCI. Diesem zufolge ging auch die Produktion zurück: Sie verringerte sich um 6,5 Prozent. Laut VCI-Präsident Hans Van Bylen konnte die Chemie- und Pharmaindustrie somit „in den ersten sechs Monaten 2019 nicht an das hohe Niveau des Vorjahres anknüpfen. Das lag vor allem an den schwierigen globalen Rahmenbedingungen und Belastungen“. Er verwies auf die weltweite Konjunkturabschwächung sowie die schwelenden Handelskonflikte, aber auch die andauernden Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem EU-Austritt Großbritanniens. Alle diese Faktoren hätten der deutschen Industrie insgesamt geschadet und auch die Chemie- und Pharmabranche betroffen.

 

So lag die Produktion von Spezialchemikalien um vier Prozent unter dem Vergleichswert des Vorjahres. Bei Polymeren war eine Verminderung um sieben Prozent zu verzeichnen. Die Produktion von Seifen sowie Wasch- und Reinigungsmitteln wiederum ging um 4,5 Prozent zurück. Laut Van Bylen ist der Ausblick für das Gesamtjahr getrübt. Der VCI-Präsident rechnet mit einem Rückgang des Umsatzes um etwa drei Prozent auf etwa 197 Milliarden Euro und der Produktion um rund vier Prozent.

 

Nicht zuletzt angesichts dessen warnte Van Bylen vor neuen Belastungen der Industrie. Solche drohen ihm zufolge unter anderem durch geplante Verschärfungen der Klimapolitik. Überlegt wird etwa eine Einbeziehung der Sektoren Gebäude und Verkehr in den europäischen Emissionshandel (ETS) sowie die Einführung eines CO2-Preises in der EU. Laut Van Bylen würde dies „aber die Wettbewerbsfähigkeit für deutsche Unternehmen noch stärker belasten. Die Verlagerung an „günstigere“ Standorte würde damit attraktiver – mit allen Konsequenzen für Investitionen und Arbeitsplätze in Deutschland“. Er plädierte statt dessen dafür, „auf der Ebene der G20 einen gemeinsamen CO2-Preis zu vereinbaren, würde das deutliche Auswirkungen auf den Klimaschutz zeigen und zugleich die internationale Wettbewerbsfähigkeit erhalten“. Die G20 insgesamt repräsentieren rund 80 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Dass sie sich auf eine Maßnahme wie einen gemeinsamen CO2-Preis einigen, ist allerdings auszuschließen. Die USA hatten sich beim Gipfel in Osaka heftig dagegen gewehrt, das Thema Klimapolitik überhaupt in die Abschlusserklärung aufzunehmen.

 

 

 

 

 

July 3rd

Nationalrat beschließt Glyphosatverbot

Die SPÖ hält diesen Schritt für notwendig im Sinne des Schutzes von Gesundheit und Umwelt. Die ÖVP dagegen spricht von einer Einschränkung der Entscheidungsfreiheit der Landwirte.

 

Mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ, NEOS und JETZT beschloss der Nationalrat am 2. Juli das vollständige Verbot der Anwendung des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat in Österreich. Dies erfolgte durch eine entsprechende Änderung des Pflanzenschutzmittelgesetzes. Um Rechtskraft zu erlangen, muss diese seitens der EU-Kommission genehmigt werden. Sollte die Kommission die Regelung zurückweisen, wäre ein neuerlicher, abgeänderter, Beschluss des Nationalrates notwendig.

 

In ihrem Antrag berief sich die SPÖ auf die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Glyphosat im März 2015 als „wahrscheinlich krebserzeugend für den Menschen“ einstufte. Überdies konstatierten die Sozialdemokraten, die Europäische Chemikalienagentur ECHA habe das Mittel als „augenreizend und giftig für Wasserorganismen mit langfristigen Auswirkungen“ eingestuft. Es stelle „somit jedenfalls eine Gefahr für die Umwelt dar. Der Expertenstreit über die mögliche krebserregende Wirkung von Glyphosat dauert an. Die starken Zweifel an der Ungefährlichkeit des Wirkstoffes für den Menschen konnten bisher nicht ausgeräumt werden“. Der Tiroler Nationalratsabgeordnete Max Unterrainer sieht in dem Beschluss eine „Stärkung der Biolandwirtschaft“. Agrarsprecher Erwin Preiner zufolge ist die SPÖ „dem Vorsorgeprinzip verpflichtet. Glyphosat ist eine Gefahr für Mensch und Tier“.

Karin Doppelbauer von den (NEOS) sprach unter Hinweis auf den möglichen Widerspruch des Verbots zum EU-Recht von einer „Bauchwehentscheidung“. Auch dürfe die neue Bestimmung nicht zu Wettbewerbsnachteilen für die österreichische Landwirtschaft führen.

Sahra Wiener, Abgeordnete der Grünen zum EU-Parlament, zeigte sich „begeistert“ von dem Verbot. Ihr zufolge betonte die EU-Kommission nach dem Beschluss der Zulassungsverlängerung für Glyphosat im Jahr 2017, „dass die Mitgliedsstaaten nationale Verbote beschließen können, das haben wir schwarz auf weiß. Falls es da Probleme gibt, werden wir EU-Abgeordneten alles in Bewegung setzen, damit die Kommission ihrem Versprechen nachkommt“.

 

Die ÖVP lehnte das generelle Verbot der Anwendung von Glyphosat als europarechtswidrig ab. Sie beantragte statt dessen Einschränkungen, die über die bisher geltenden hinausgehen. Verboten sein sollte ihr zufolge die Nutzung des Mittels „in öffentlichen Parks oder Gärten, Friedhöfen, Sport- und Freizeitplätzen, Schwimmbädern, Schulgeländen oder auf Kinderspielplätzen oder in unmittelbarer Nähe von Gesundheitseinrichtungen oder zur Anwendung durch den nicht beruflichen Verwender fur den Haus- und Kleingartenbereich“. Landwirte sollten Glyphosat dagegen weiter verwenden dürfen.

Johannes Schmuckenschlager, VP-Nationalratsabrgeordneter und Präsident der Landwirtschaftskammer (LK) Niederösterreich, kritisierte, das Verbot „führt zur Einschränkung der Entscheidungsfreiheit der österreichischen Bauern in ihrer täglichen Arbeit und zu einer immensen Benachteiligung der heimischen Produktion. Schließlich wird auch die Versorgung der Konsumenten mit heimischen Lebensmitteln gefährdet. Dieser Beschluss entbehrt jeglicher fachlichen und sachlichen Grundlage“. Er verwies auf die am 1. Juli veröffentlichte „Nationale Machbarkeitsstudie zum Glyphosatausstieg“ der AGES und der Universität für Bodenkultur. Dieser zufolge ist ein vollständiges Verbot von Glyphosat nicht mit dem EU-Recht vereinbar.

 

Heftige Kritik kam auch von der von der Industriegruppe Pflanzenschutz (IPG). Sie sprach vom „freien Spiel der Unvernunft“ und von „Populismus auf dem Rücken der heimischen Landwirte“. Etwa 3.300 Studien mit insgesamt 90.000 Seiten hätten bewiesen, dass Glyphosat bei sachgemäßer Anwendung keine Gefahr für Gesundheit und Umwelt darstelle. Ferner erhöhe das Mittel die Ernteerträge je Hektar um 30 bis 60 Prozent. Dürfe es nicht mehr eingesetzt werden, seien die Anbauflächen zwangsläufig zu erweitern: „Das ist aus Sicht der IGP nicht nachhaltig.“

July 2nd

Lackindustrie: Teure Rohstoffe, kostbare Fachkräfte

Die österreichische Lackindustrie hat mit einem schwierigen Rohstoffmarkt zu kämpfen und setzt sich für eine Profilierung der Ausbildung auf verschiedenen Ebenen ein.

Der Umsatz der heimischen Lack- und Anstrichmittelbetriebe hat sich 2018 mit einem Plus von rund zwei Prozent auf ca. 454 Millionen Euro nur mäßig entwickelt. Nach einem vielversprechenden ersten Halbjahr habe sich die Entwicklung nach dem Sommer viel schwächer fortgesetzt, wie Hubert Culik, Obmann der Berufsgruppe und CEO von Kansai Helios Coatings, im Rahmen einer Pressekonferenz mitteilte. Zu schaffen gemacht haben der Branchen vor allem Rohstoffpreise und -verfügbarkeit. Gerade in der starkem Druck ausgesetzten Automobilbranche konnte man Preiserhöhungen nicht an die Kunden weitergeben, wie Culiks Stellvertreter Ernst Gruber, Geschäftsführer von Axalta Coating Systems Austria, ergänzte.

Zu Wehr setzen sich die Industrievertreter derzeit gegen eine Reihe angekündigter regulatorischer Maßnahmen. So drohen laut Andrea Berghofer, stellvertretende Obfrau der Berufsgruppe und Geschäftsführerin der Adler-Werk Lackfabrik, ausgeweitete Biozid-Beschränkungen die Produktion von Wasserlacken zu gefährden. Besonders schwerwiegend wäre auch die von Frankreich geforderte Einstufung des wichtigen Weißpigments Titandioxid als „krebserregend Kategorie 2“ (Verdacht auf karzinogene Wirkung beim Menschen). Zahlreiche Experten halten diese Einstufung für nicht nachvollziehbar, da die Tierversuche, auf denen diese beruht, bereits in den 1980er-Jahren und mit lungengängigen Stäuben durchgeführt wurden, deren onkologische Bedrohung unabhängig vom jeweiligen Stoff ist. Bei der Anwendung eines Titandioxid enthaltenden Beschichtungs-, Sonnenschutz- oder Lebensmittels ist dagegen keine Exposition gegenüber Stäuben zu erwarten. Noch ist im Europäischen Rat keine Einigung auf eine solche Einstufung erzielt worden, Österreich hat sich der Stimme enthalten.

 

Akademischer Lehrgang „Surface Technology“ ab Sommer 2020 in Krems

Selbst in die Hand genommen hat die Lackindustrie unterdessen die Verbesserung der Ausbildungssituation für dringend benötigte Fachkräfte. Derzeit sei man in Verhandlung mit den Bundesländern, das neu geschaffene Modul des Lack- und Anstrichmitteltechnikers im Rahmen des Lehrberufs Labortechnik zentral an der Berufsschule St. Pölten abzuhalten.

In Bezug auf den Vertiefungsschwerpunkt „Surface Technology“ im Rahmen des Bachelor-Studiums „Applied Chemistry“ an der IMC FH Krems wollte man nun nicht länger auf eine handlungsfähige Regierung warten, sondern hat bereits für den Sommer 2020 einen außercurricular angebotenen akademischen Lehrgang zu oberflächenchemischen Themen konzipiert. Geplant sind 140 Lehreinheiten zu je 45 Minuten, was einem Ausbildungsumfang von zehn Semesterwochenstunden oder 13 ECTS-Punkten entspricht. Der Lehrgang ist auf 24 Teilnehmer beschränkt, steht aber nicht nur Studenten des Bachelor-Studiums sondern auch Externen mit entsprechender Qualifikation zur Verfügung. Die Firma Adler-Werk engagiert sich auf ähnlichem Gebiet in Westösterreich und finanziert eine Stiftungsprofessur für Chemieingenieurwesen und Materialprozesstechnik an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck.

 

 

 

July 1st

Amgen Österreich: Lindgren führt Geschäfte

Mit dem Wechsel Martin Muntes in die Schweiz werden auch beim Pharmaverband Pharmig Änderungen fällig.

 

Der gebürtige Finne Lauri Lindgren übernahm per 1. Juli die Geschäftsführung von Amgen Österreich. Er folgte Martin Munte, der nun in der Europazentrale des US-amerikanischen Biotechnologiekonzerns tätig ist. Diese befindet sich in Rotkreuz in der Schweiz, etwa 25 Kilometer südwestlich von Zürich. Lindgren arbeitet seit 2009 bei Amgen. Unter anderem war er interimistischer Geschäftsführer des Unternehmens in Finnland und Strategic Planning and Operations Director in der Europazentrale von Amgen. Bis 1. Juli führte er die Geschäfte von Amgen in Schweden und war Vorstandsmitglied des schwedischen Pharmaindustrieverbands.

 

Mit dem Wechsel kommen auch auf den österreichischen Pharmaverband Pharmig Veränderungen zu. Munte ist derzeit dessen Präsident und wurde erst bei der Generalversammlung am 26. April für eine zweite Funktionsperiode gewählt. Nun muss eine außerordentliche Generalversammlung im September über seine Nachfolge entscheiden. In einem Zuge werden das gesamte Präsidium und der Vorstand neu gewählt. Auf Anfrage des Chemiereports hieß es, bei der Wahl Muntes im April sei dessen Wechsel nach Rotkreuz bereits bekannt gewesen. Aus statutarischen Gründen habe es allerdings keine Möglichkeit mehr gegeben, bereits zu diesem Zeitpunkt einen Nachfolger zu bestimmen.

 

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