Archive - Okt 21, 2015

ASVG-Novelle: Rechtsstreit droht

Die Pharmaindustrie wird die in Begutachtung befindliche ASVG-Novelle bezüglich der Rabattierung der Arzneimittelkosten notfalls rechtlich bekämpfen. Gleichzeitig sollen die Verhandlungen mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger (HV) über einen neuen Rahmenpharmavertrag fortgesetzt werden. Das betonten Pharmig-Präsident Robin Rumler, Generalsekretär Jan Oliver Huber sowie die Geschäftsführerin des Fachverbandes der chemischen Industrie Österreichs (FCIO), Sylvia Hofinger, heute bei einem Pressegespräch in Wien. Laut Rumler fordert das Gesundheitsministerium von der Branche einen „Zwangsbeitrag“ von 125 Millionen Euro pro Jahr zur Deckung der Arzneimittelkosten. Dies würde jedoch zu einer Reduktion der Investitionen in Österreich führen und damit letztlich Arbeitsplätze gefährden. Es bestehe die Gefahr, dass rund fünf bis zehn Prozent der 18.000 Arbeitsplätze in der Pharmaindustrie „langfristig nicht mehr nachbesetzt werden.“ Sein eigenes Unternehmen, Pfizer Österreich, plane den Ausbau seiner Aktivitäten. Mit dem Entwurf zur ASVG-Novelle „wird man sich das überlegen müssen. Zurzeit bringen Pharmaunternehmen gerne neue Produkte in Österreich auf den Markt. Wenn die ASVG-Novelle kommt, ist nicht auszuschließen, dass das künftig nicht mehr so ist.“

 

Huber sprach von einer „ungeheuren Attacke auf die soziale Marktwirtschaft“. Die Novelle stärke das „Machtmonopol“ des HV weiter: „Statt sich ein Gesetz zu bestellen, sollte der HV endlich daran gehen, die Krankenkassen zu reformieren.“ Diese leisteten sich über 153 eigene Gesundheitseinrichtungen, darunter „etliche Parallelveranstaltungen zum niedergelassenen Bereich“, die schwerlich notwendig seien. Der kurzzeitige HV-Vorsitzende und nunmehrige ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald selbst habe die Kuranstalten in Frage gestellt und sei dafür „vor allem von Arbeitnehmerseite geprügelt“ worden: „Es ist schon sehr bedauerlich, wenn man solche Fragen nicht einmal mehr öffentlich ansprechen darf.“ Wie Huber hinzufügte, wolle der HV seinen Hauptsitz um 25 Millionen Euro generalsanieren: „Wahrscheinlich wird das aber 50 bis 75 Millionen Euro kosten. Und dafür braucht man unser Geld.“

 

Weiterwursteln und abzocken“

FCIO-Geschäftsführerin Hofinger erläuterte, ein mittelständisches Unternehmen koste die geplante ASVG-Novelle rund eine halbe Million Euro pro Jahr, ein Großunternehmen etwa 25 Millionen Euro: „Das politische Signal ist also: Wirtschaftlicher Erfolg wird bestraft. Bei solchen Eingriffen verlieren die Unternehmen das Vertrauen in den Standort.“ Ihr zufolge ist die Novelle verfassungswidrig, weil sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt: Die Pharmaindustrie müsste damit weit mehr an den HV bezahlen, als sie an Kosten verursacht. Laut Hofinger ist es höchste Zeit, die Kassen zu reformieren: „Es kann nicht sein, dass das Weiterwursteln der Kassen durch das Abzocken der Unternehmen finanziert wird.“

 

Trotz dieser scharfen Töne zeigten sich Rumler und Huber gesprächsbereit: Die Pharmaindustrie stehe für weitere Verhandlungen mit dem HV über einen neuen Rahmenpharmavertrag zur Verfügung. Eine gesetzliche Regelung des Beitrags zur Deckung der Arzneimittelkosten wolle sie dagegen nicht. Wie Huber dem Chemiereport erläuterte, brächte ein Gesetz keine Vorteile, da bei einer solchen „alle möglichen Interessengruppen“ mitreden würden. Über den Rahmenpharmavertrag hingegen verhandelten mit dem HV und der Pharmaindustrie nur die tatsächlich Betroffenen: „Und wir wissen schon, worum es geht.“ Der Vertrag habe sich jahrelang bestens bewährt. Es sei unverständlich, nun eine andere Regelung anzustreben.

 

Konter der Kassen

Aus Sicht des HV sind die Verhandlungen indessen gescheitert. In einer Aussendung verlautete die Vorsitzende des HV-Trägervereins, Ingrid Reischl, die gleichzeitig Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) ist, es sei zu „keiner Einigung für eine Fortführung“ des Vertrags gekommen. Reischl kritisierte die Aussagen Rumlers, Hubers und Hofingers als „unseriöse Anschuldigungen“. Die im ASVG-Entwurf vorgesehenen Rabatte sieht Reischl nur als „ersten Schritt“.

 

Unterstützung der Grünen

Unterstützung für die Pharmaindustrie kam dagegen von der Gesundheitssprecherin der Grünen im Nationalrat, Eva Mückstein. Ihr zufolge sollten die „Beteiligten zurück an den Verhandlungstisch, um eine für beide Seiten faire Lösung auszuarbeiten.“ An einem neuen Rahmenpharmavertrag müssten sich freilich „alle Pharmafirmen“ beteiligen, „was in den letzten Jahren nicht der Fall war und der Vorzug der gesetzlichen Lösung ist.“ Mückstein fügte hinzu, der Sozialversicherungsbereich gehöre endlich reformiert: „Die Zusammenlegung der Krankenkassen, die Sanierung des zersplitterten Gesundheitswesens und die Planungs-, Finanzierungs- und Versorgungsverantwortung aus einer Hand sind dringend anzugehen, um Einsparungen und mehr Effizienz im Gesundheitswesen zu erreichen.“