Archive - 2017

February 23rd

Zecken als Vorbild für Gewebeklebstoff

Ein Forschungsteam von Meduni Wien und TU Wien erforscht jenen biologischen Klebstoff, mit dem sich Zecken über mehrere Tage in der Haut festhaken können. Daraus erhofft man sich Anregungen für einen medizinisch einsetzbaren Gewebekleber.

Schon heute werden in der Chirurgie Gewebekleber verwendet, beispielsweise bei der Behandlung von  schweren Hautverletzungen oder Leberrissen. Häufig hat man es dabei aber mit toxischen Substanzen zu tun, während bei ungiftigen Kandidaten die Klebstoffeigenschaften meist zu wenig ausgeprägt sind.  Die Wissenschaft ist daher auf der Suche nach Alternativen biologischen Ursprungs, mit denen etwa auch Sehnen und Bänder metallfrei am Knochen verankert werden könnten.

Eine solche Alternative wird nun von Sylvia Nürnberger (Universitätsklink für Unfallchirurgie der Meduni Wien) und Martina Marchetti-Deschmann (Institut für Chemische Technologien und Analytik der TU Wien) näher untersucht. Die beiden Forscherinnen wollen wissen, wie die zementartige Substanz zusammengesetzt ist, mit der sich Zecken an der Haut festhaken. Ein Verständnis von Struktur und Funktionsweise des Bioklebstoffs könnte ermöglichen, diesen als Vorlage für medizinische Einsätze zu verwenden.  

 

Riesenzecken aus Südafrika

Derzeit arbeitet man mit rund 300 Zecken aus Österreich, die man durch eine hautähnliche Membran stechen lässt, wo der Klebstoff abgesondert wird und aushärtet. Zusätzlich will man Riesenzecken aus Südafrika für diese Zwecke untersuchen. Die Aktivitäten sind Teil des EU-Netzwerks „Bioklebstoffe“ im Rahmen des COST-Frameworks, das vom Ludwig-Boltzmann-Institut für experimentelle und klinische Traumatologie koordiniert wird.

February 22nd

Bayer meldet „Rekordjahr“

Umsatz und EBITDA sind gestiegen, im Pflanzenschutz- und Saatgutgeschäft allerdings gefallen. Bei der geplanten Übernahme von Monsanto gibt es laut Vorstandschef Baumann „Fortschritte“.

 

Der deutsche Chemie- und Pharmakonzern Bayer erwirtschaftete im Jahr 2016 einen Umsatz von rund 46,8 Milliarden Euro, um 1,5 Prozent mehr als 2015. Das EBITDA stieg um 12,7 Prozent auf 10,8 Milliarden Euro, das EBIT um 12,8 Prozent auf 7,0 Milliarden. Vorstandschef Werner Baumann sprach von einem „Rekordniveau“. Dieses sei vor allem auf die guten Erträge im Geschäft mit verschreibungspflichtigen Medikamenten (Pharmaceuticals) zurückzuführen. In diesem Bereich verzeichnete Bayer ein Umsatzplus von 7,3 Prozent auf 16,4 Milliarden Euro, das EBITDA erhöhte sich um 16,2 Prozent auf rund 5,1 Milliarden Euro, das EBIT um 11,9 Prozent auf 3,4 Milliarden. Als „Cash-cows“ erwiesen sich einmal mehr der Gerinnungshemmer Xarelto, das Augenmedikament Eylea, die Krebsmedikamente Xofigo und Stivarga sowie Adempas, eine Arznei gegen Lungenhochdruck. Zufrieden gab sich Baumann auch mit Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten (Consumer Health ). Zwar sank der Umsatz um 0,6 Prozent auf 6,0 Milliarden Euro. Doch war das EBITDA mit 1,3 Milliarden Euro um 6,1 Prozent höher als 2015. Das EBIT wiederum sackte um 9,5 Prozent auf 695 Millionen Euro ab. Im Tiergesundheitsbereich verzeichnete Bayer ein Umsatzplus um 2,2 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro. Das EBITDA ging um 8,2 Prozent auf 343 Millionen Euro in die Höhe, das EBIT um 23,2 Prozent auf 313 Millionen.

 

Schlechte Ernte

 

Weniger lukrativ war dem gegenüber das Saatgut- und Pflanzenschutzgeschäft. Hier sank der Umsatz um 2,1 Prozent auf 9,9 Milliarden Euro, das EBITDA brach um 13,2 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro ein, das EBIT um 16,2 Prozent auf nur mehr 1,7 Milliarden Euro (2015: 2,1 Milliarden). Und das ist nicht nur finanziell unerfreulich, sondern kommt auch atmosphärisch nicht gerade gelegen: Bekanntlich will Bayer noch heuer die Übernahme des US-Agrarmultis Monsanto abschließen. Baumann verlautete, diesbezüglich „macht Bayer Fortschritte. Bei etwa zwei Dritteln der rund 30 Behörden wurden die Genehmigungen bereits beantragt“. Die beiden Konzerne arbeiteten eng mit den Behörden zusammen. In der EU werde die Genehmigung im zweiten Quartal beantragt.

 

Ausblick mit Optimismus

 

Für heuer ist laut Baumann „Fortsetzung der positiven Entwicklung“ zu rechnen. Der Konzernumsatz werde bei etwa 49 Milliarden Euro liegen, in denen die ausgegliederte Werkstoffsparte Covestro inkludiert ist. Bayer hält ab Covestro rund 64 Prozent, will das Unternehmen aber über kurz oder lang verkaufen. Das EBITDA nach Sondereinflüssen will Baumann „auf oder über dem Niveau“ und somit bei mindestens 11,3 Milliarden Euro halten.

 

 

February 20th

Covestro: EBITDA 2016 bei 2,0 Milliarden Euro

Die 2015 ausgegliederte Werkstoffsparte des Bayer-Konzerns legte am 20. Februar ihr erstes Jahresegebnis vor.

 

In seinem ersten vollständigen Geschäftsjahr 2016 verzeichnete der deutsche Werkstoffhersteller Covestro Umsatzerlöse von 11,9 Milliarden Euro. Sie lagen damit um 1,5 Prozent unter dem Wert, den die Segmente der vormaligen Werkstoffsparte des Bayer-Konzerns 2015 erwirtschafteten. Dem gegenüber erhöhte sich das EBITDA um 41,9 Prozent auf 2,0 Milliarden Euro, das EBIT wuchs um 95,7 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro. Als Grund wurden in einer Aussendung die um 7,5 Prozent gestiegenen Absatzmengen genannt. Die Absatzmengen im Polykarbonatgeschäft stiegen um 10,3 Prozent, jene bei Polyurethanen um 7,7 Prozent. Im Geschäftsbereich Coatings, Adhesives, Specialties (CAS) verringerten sich die Mengen gegenüber 2015 um 0,3 Prozent.

 

Vorstandschef Patrick Thomas sprach von „hervorragenden Ergebnissen“. Es gelinge „immer besser, herkömmliche Materialien durch überlegene Kunststoffe zu ersetzen“.

 

Für heuer rechnet die Konzernführung über alle Segmente hinweg mit einem Mengenwachstum „im unteren bis mittleren einstelligen Prozentbereich“. Das Polykarbonatgeschäft sollte sich im Vergleich mit den Segmenten Polyurethane und CAS „etwas besser entwickeln“.

 

February 17th

Elektrochemische Flusszelle treibt Sportwagen an

Das Schweizer Elektrochemie-Unternehmen Nanoflowcell wird auf dem diesjährigen Genfer Automobilsalon (9. – 19. März) das Sportwagenkonzept „Quant 48Volt“ präsentieren. Dabei bedient man sich eines Niedervolt-Elektroantriebs auf Basis der von Nanoflowcell entwickelten Flusszellen-Technologie.

Gegenüber den heute gängigen Antriebskonzepten bei Elektroautos, die häufig mit Batteriespannungen von 400 Volt betrieben werden, kommt der Quant mit den namensgebenden 48 Volt aus, ohne dass auf Leistung verzichtet wird: Nach Angaben des Herstellers kommt der Allrad-Sportwagen auf 560 Kilowatt und eine Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h. Erreicht wird dies durch ein Batterie-System mit mehreren Flusszellen. Dabei zirkulieren zwei Elektrolyt-Lösungen auf Basis ionischer Flüssigkeiten in zwei getrennten Kreisläufen, zwischen denen in einer galvanischen Zelle Ionenaustausch über eine Membran erfolgt.

In der jüngsten Generation des Batteriesystems wurde die aktive Membranoberfläche vergrößert und sechs Flusszellen in Serie geschaltet, um mehr Antriebsenergie generieren zu können. Nanoflowcell argumentiert, dass mit einem solchen System ähnliche Energiedichten wie bei Lithium-Ionen-Akkus möglich seien, dabei  aber ein wesentlich höheres Sicherheitsniveau erreicht werde.

 

 

 

February 15th

MFPL verabschieden ihren Leiter Graham Warren

Am 20. Februar verabschieden die Max F Perutz Laboratories (MFPL) ihren langjährigen wissenschaftlichen Leiter, Graham Warren, mit einem Nachmittag unter dem Motto „Seeding Success in Science“.

 

Biowissenschaftler von internationalem Ruf werden dabei über ihren Karriereweg erzählen und Erfahrungen aus einer erfolgreichen Laufbahn an die Zuhörer weitergeben. Unter den Vortragenden sind Kai Simons (Dresden), Catherine Rabouille (Utrecht) und Tom Mistelli (Bethesda).

Graham Warren studierte Biochemie in London und Cambridge und spezialisierte sich in seiner Forschung auf die Biogenese des Golgi-Apparats (eines Systems membranumschlossener Reaktionsräumen in der Zelle). Seine Karriere führte in unter anderem nach Dundee, Heidelberg und Yale, bevor er 2007 Leiter der MFPL wurde. An dieser von der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien gemeinsam betriebenen Forschungseinrichtung baute Warren die leitenden Prinzipen (leistungsbezogene Selektion auf allen hierarchischen Ebenen, frühe Unabhängigkeit für Jungwissenschaftler, Core Facilities, Förderung von Start-ups) aus und schuf ein international beachtetes Umfeld für erfolgreiche Forschung.

Die Veranstaltung wird von IMP, IMBA, Valneva und dem internationale PhD-Programm „Integrative Structural Biology“ unterstützt. Die ÖGMBT (die Vereinigung österreichischer Biowissenschaftler aus Academia und Unternehmen) ist mit einem eigenen Info-Zelt vertreten. Das Event findet am 20. Februar von 14 bis 19 Uhr im Festsaal der Universität Wien statt.

 

 

February 13th

Novo A/S beteiligt sich an Evotec

Über seine Vermögensverwaltungstochter übernimmt der dänische Novo-Nordisk-Konzern rund 8,99 Prozent des Wirkstoffforschungs- und -entwicklungsunternehmens.

 

Im Rahmen einer Kapitalerhöhung der Evotec von rund 133,06 auf von 146,19 Millionen Euro erhält die dänische Novo A/S 13.146.019 neue Aktien des Hamburger Wirkstoffforschungs- und -entwicklungsunternehmens. Sie hält damit rund 8,99 Prozent an Evotec. Für ihren Anteil bezahlt sie 90,3 Millionen Euro, was einem Kurs von 6,87 Euro je Aktie entspricht. Der Evotec stehen damit rund 77,17 Millionen Euro für neue Investitionen zur Verfügung. Dies ist der Differenz zwischen dem Stückwert der Aktien, also 13.146.019 Euro, um die sich das Grundkapital der Evotec erhöht, und dem Kurswert von 90,3 Millionen.

 

Die Novo A/S ist eine Tochter des Pharmakonzerns Novo Nordisk und verwaltet dessen Vermögenswerte. Michael Shalmi, Managing Director of Large Investment des Unternehmens, verlautete in einer Aussendung, der Erwerb der Evotec-Aktien „passt sehr gut in unsere langfristige Investmentstrategie“. Die Beteiligung „unterstreicht unser Anliegen, Unternehmen zu unterstützen, die wirklich etwas in der Gesundheitsbranche bewegen können und effiziente Lösungen in der sich zügig verändernden Wertschöpfungskette der Wirkstoffforschung und -entwicklung zur Verfügung stellen“.

 

Evotec-Chef Werner Langthaler begrüßte Novo A/S als „weiteren angesehenen und bekannten Investor“. Die Evotec werde weiterhin nicht zuletzt in den Bereich EVT Innovate investieren. Dieser umfasst mittlerweile eine Forschungs- und Entwicklungspipeline mit mehr als 70 Programmen. Im Jahr 2016 erwirtschaftete die Evotech über 150 Millionen Euro Umsatz und beschäftigt mehr als 1.200 Wissenschaftler in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA. Laut Aussendung besteht das langfristige Ziel des Unternehmens darin, „auf globaler Ebene eine führende Position als wissenschaftliches Wirkstoffforschungsunternehmen mit einem Netzwerk von hochwertigen Partnerschaften zu erreichen sowie eine co-owned Wirkstoffforschungspipeline gemeinsam mit ihren Partnern aufzubauen“.

February 9th

„Gewaltiger Eingriff in den Wirtschaftsraum“

ARA-Vorstand Christoph Scharff über die Kreislaufwirtschaft als umfassendes Konzept für Rohstoff-, Industrie- und Standortpolitik der Europäischen Union.


CR: Was heißt für Sie Kreislaufwirtschaft?

Streng betrachtet, ist der Begriff etwas irreführend. Es geht ja nicht um die Rückführung von Stoffen zum selben Punkt. Denn die Abfälle, die nach einem Zyklus – Sammlung, Aufbereitung, Bereitstellung zur Verwertung – wieder als Rohstoffe zurückkommen, treffen auf eine andere Welt. Bei der PET-Flasche merkt man das vielleicht nicht, weil zwischen Abfüllung, Konsum und Verwertung nur eine kurze Zeitspanne vergeht. Die Flasche steht nach einigen Wochen – nach dem Recyclat-Schritt – wieder im Regal. Aber bei Stoffen in Elektrogeräten, Fahrzeugen und Gebäuden reden wir von Jahren oder Jahrzehnten. Das wird für manche Materialien nicht relevant sein, etwa für Metalle. Den Baustahl, den man aus einem Abbruchhaus herausholt, wird man künftig leicht einsetzen können. Aber beispielsweise bei einem spezifischen Kunststoffpolymer kann sich die Frage stellen, ob es dafür in Zukunft noch einen Markt gibt.

 

CR: Die EU-Kommission fordert in ihrem Kreislaufwirtschaftspaket vom 2. Dezember 2015 die Transformation der EU in eine Kreislaufwirtschaft bis 2030. Halten Sie das für realistisch?

Das Kreislaufwirtschaftspaket ist nicht schlecht. Gemeinhin wird nur der erste Teil diskutiert, der unter anderem die neuen Recyclingquoten für den Siedlungsabfall und für die einzelnen Packstoffe sowie die Deponiebegrenzung von zehn Prozent ab 2030 enthält. Von all dem ist die Deponiebegrenzung mit Abstand das Wichtigste. Ich frage mich nur, warum man den schlechtesten Mitgliedsstaaten wieder eine Übergangsfrist einräumt. Eigentlich sollten diese tätig werden, bevor sich die ohnehin schon guten in neue Kosten stürzen. Der zweite Teil des Pakets, der meiner Meinung nach zu wenig Beachtung findet, obwohl er der viel spannendere ist, ist der Aktionsplan. Dabei handelt es sich um eine Sammlung von über 50 Maßnahmen im Zusammenhang mit der Kreislaufwirtschaft, die in einer öffentlichen Konsultation im Sommer 2016 erarbeitet wurden. Noch sind das alles Überschriften. Aber die Kommission hat erkannt, wo man arbeiten muss, vom Forschungsbedarf über das Funktionieren der Märkte bis zu Innovation, Investition und Monitoring. Die Diskussion im EU-Parlament dreht sich jetzt darum, ob die Recyclingquoten um fünf Prozent rauf oder runter sollen. Angesichts der Tatsache, dass manche Staaten ihre Ziele für 2020 schwerlich erreichen werden, würde ich mir über Quoten für 2030 noch nicht allzu sehr den Kopf zerbrechen. Das wird nicht der große Durchbruch sein.

 

CR: Wie sieht Ihr Modell für eine österreichische Kreislaufwirtschaft aus?

Im Nachhall des letzten Bundesabfallwirtschaftsplans hat sich im Rahmen des Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverbandes eine Plattform von Institutionen, Forschern und Unternehmen gebildet, die sich nun diesem Thema widmet. Wir als ARA haben in den vergangenen Jahren eine Benchmarking-Studie für die österreichische Abfallwirtschaft maßgeblich unterstützt. Ausgehend davon werden nun Handlungsempfehlungen erarbeitet. Auf diese Weise lässt sich der Bundesabfallwirtschaftsplan zu dem weiterentwickeln, was er dem Namen nach ist: ein Plan für die Zukunft der Abfallwirtschaft. Das ist ein evidenzbasierter Ansatz, den es bisher in Österreich noch nicht gegeben hat.

 

CR: Ihnen zufolge wird die Kreislaufwirtschaft „zu einem zentralen Baustein der Rohstoff- und damit der Industrie- und Standortpolitik der EU und darf nicht länger als reine Umweltthematik gesehen werden“. Wie meinen Sie das?

Es ist auffallend, wie die EU-Kommission das Kreislaufwirtschaftspaket einmoderiert hat: Jobs, Wachstum und Umweltschutz, nicht Umweltschutz, Wachstum und Jobs. Es heißt ja auch Kreislaufwirtschaft. Wenn das Kreislaufwirtschaftspaket Leben bekommen soll, beeinflusst das die allermeisten Unternehmen und alle Konsumenten. Das ist ein gewaltiger Eingriff in einen Wirtschaftsraum und kein reines Umweltschutzthema mehr. Umso mehr mein Appell: Wenn die EU-Kommission schon so dicke Bretter bohrt, sollte sie evidenzbasiert agieren, um den Bohrer nicht an der falschen Stelle anzusetzen. Dass sie eingestandenermaßen keine Wirkungsabschätzung des Pakets durchführte, ist angesichts seiner Tragweite erstaunlich. Denn dieses greift massiv in Märkte, in die Produktgestaltung und damit in die Produktionskosten ein. Und wenn – richtigerweise – Wachstum und Beschäftigung gewünscht werden, geht es um Effizienzsteigerungen und nicht darum, Kosten zu erhöhen.

 

CR: Sie plädieren dafür, den künftigen quantitativen und qualitativen Rohstoffbedarf unter Berücksichtigung der Versorgungssicherheit zu modellieren. Läuft das auf eine Art „bundesabfallwirtschaftsplanerische Prognose“ hinaus?

Der Bundesabfallwirtschaftsplan kann eine solche Modellierung nicht leisten. Ein Beispiel: Aluminium soll laut dem Kreislaufwirtschaftspaket erstmals eine dezidierte Recyclingquote bekommen. Aluminiumrecycling ist sicher sinnvoll. Aber für die von der Kommission vorgesehenen Quoten und resultierenden Qualitäten hat Europa keine geeigneten Verwertungsmöglichkeiten. Ein reines Skalieren der heutigen Strukturen ist daher nicht zielführend. Ein Kollege an der TU Wien hat versucht, den Materialfluss für Aluminium nicht nur statisch abzubilden, sondern die Lebenszyklen von Produktgruppen zu berücksichtigen und damit das Aufkommen dynamisch zu modellieren. Damit wird sichtbar, wie sich das Aluminium in der Infrastruktur akkumuliert, wann wie viel aus dem Abbruch verfügbar wird und ob wir dafür die erforderlichen Verwertungskapazitäten sowie den Bedarf haben. Solche materialspezifischen Studien sind sehr aufwendig. Aber sie sind sinnvoll, weil auch eine Methodik entwickelt wird und sich zeigt, was uns alles an Daten noch fehlt. In der Abfallwirtschaft hat sich bezüglich Datenverfügbarkeit viel verbessert. Handlungsbedarf besteht im Bereich der Sekundärressourcen. Das Verhältnis zwischen den Vorkommen, die wir täglich in der Mülltonne finden, und denen, die in der Infrastruktur verbaut sind, liegt bei etwa rund 1: 100 bis 1:1000.

 

CR: Sie haben in diesem Zusammenhang von „Daten als neuem Rohstoff“ gesprochen. Davon reden heute alle. Aber das Problem sind doch eher Datenfluten, die niemand bewältigen kann.

Diese Gefahr besteht immer. Es geht deshalb auch nicht um Big Data, sondern um Smart Data. Ein Beispiel: Die Versorgungsnetze für Wasser, Strom, Telekommunikation, Gas und Wärme sind mehr oder weniger gut kartiert. Wenn man weiß, wo die Leitungen liegen, ist es nur eine Frage der Datenqualität, auch zu wissen, welche Rohstoffe sie enthalten. Bei den Gebäuden fehlt dieses Wissen. Die Zusammensetzung eines Autos kennen wir auch nicht standardmäßig, außerdem ändert sich diese ständig. Hier besteht also Bedarf an sinnvollen und nutzbringenden Daten.

 

CR: Sie gründeten im Sommer 2015 die Circular Economy Coalition for Europe (CEC4Europe). Was ist der aktuelle Stand?

Das ist ein wachsendes Netzwerk europäischer Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die sich mit Kreislaufwirtschaft befassen. Dazu wollen wir den Entscheidungsträgern und der interessierten Öffentlichkeit einige Fakten und uns wichtig erscheinende Aspekte der Kreislaufwirtschaft präsentieren, um bessere Entscheidungen zu ermöglichen.

 

CR: Wie soll es in Österreich mit der Kreislaufwirtschaft weitergehen?

Unabhängig von allfälligen gesetzlichen Maßnahmen sollten wir uns überlegen, wie wir künftig die großen Massen an Abfallstoffen bearbeiten und welchen Beitrag die Sekundärrohstoffwirtschaft zur Deckung des Ressourcenbedarfs der Industrie leisten soll. Dazu gibt es in Österreich keine Zahlen, in Deutschland wird der derzeitige Anteil auf rund 15 Prozent geschätzt. Es gibt Signale, dass die internationalen Handelsbarrieren eher wieder aufgebaut als abgebaut werden. Der Protektionismus greift Platz. Das sollte uns aus Rohstoffsicht zu denken geben. Denn damit gewinnt die innereuropäische Aufbringung an Bedeutung. Vielleicht bekommt so die Kreislaufwirtschaft mehr Relevanz, als wir vor einigen Jahren meinten.

 

CR: Wo sehen Sie wichtige Industriepartner?

Jedenfalls im Bereich Metall und Kunststoff, aber auch im Bausektor und in der Elektro- sowie der Elektronikindustrie, wobei sich diese Branchen ja berühren. Wenn man auf einem Gebäude eine Photovoltaikfassade installiert, bringt man damit die Elektronik und die kritischen Rohstoffe an der Fassade an, und darunter befindet sich die Wärmedämmung. Also fragt sich, wie sich diese Stoffe in 40 Jahren wiedergewinnen lassen und was damit anzufangen ist. So gesehen, besteht kein akuter Handlungs-, sehr wohl aber akuter Forschungsbedarf. Wir sollten u nsere Sekundärrohstofflager systematisch erheben und bewerten, denn nur so können wir sie künftig nutzen. 

February 8th

Voestalpine will CO2-frei Stahl erzeugen

Bei einem Pilotprojekt unter Beteiligung des Verbunds und Siemens Österreichs wird mit Strom aus erneuerbaren Energien Wasserstoff erzeugt. Dieser könnte künftig Kohlenstoff als Reduktionsmittel ersetzen.

Mit Strom aus erneuerbaren Energien aus Wasser Wasserstoff zu erzeugen und diesen für die klimaschonende Stahlerzeugung einzusetzen ist das Ziel des Pilotprojekts „H2Future“. Beteiligt sind die Voestalpine, der Verbund, Siemens Österreich, der österreichische Übertragungsnetzbetreiber APG sowie die wissenschaftlichen Partner K1-MET und ECN. Die Projektkosten belaufen sich auf rund 18 Millionen Euro, zwölf Millionen davon stellt die Europäische Union als Förderung bereit. Mit dem Vorhaben begonnen wurde am 1. Jänner des heurigen Jahres, die Laufzeit geben die Beteiligten mit 4,5 Jahren an. Erweist sich das Verfahren als erfolgreich, könnte es längerfristig weltweit zum Einsatz gelangen.

Am Standort Linz der Voestalpine wird eine Elektrolyseanlage auf Basis der Proton-Exchange-Membrane-Technologie (PEM-Technologie) installiert. Siemens bezeichnet diese als „weltweit ersten PEM-Elektrolyseur mit einer gebündelten Leistung von sechs Megawatt (MW) in einem geschlossenen Zellverbund“. Solche Geräte können die witterungsbedingt schwankende Stromerzeugung von Windparks und Solaranlagen gut bewältigen. Dies ist für die Nutzung von Ökostrom zur elektrolytischen Zerlegung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff besonders wichtig. Voestalpine-Vorstandschef Wolfgang Eder verwies auf die klima- und energiepolitischen Ziele der Europäischen Union. Diese sehen vor, die CO2-Emissionen bis 20130 um 40 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken, bis 2050 sogar um 80 bis 95 Prozent. Ihm zufolge sieht sich die Voestalpine daher zur „schrittweisen Entkarbonisierung“ der Stahlerzeugung gezwungen, also zum weitestgehenden Verzicht auf Kohle. Allerdings ist es zumindest in Österreich faktisch unmöglich, Stahl ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energien zu produzieren. Dafür würde die Voestalpine rund 33 Terawattstunden (TWh) Strom pro Jahr benötigen. Zum Vergleich: Im Jahr 2015 wurden mittels der „Erneuerbaren“ rund 49 TWh an elektrischer Energie erzeugt. Aus diesem Grund müssen andere Technologien entwickelt werden. Eine Möglichkeit stellt die Nutzung von Wasserstoff als Reduktionsmittel dar. Laut Eder ist dies allerdings nicht kurzfristig zu erreichen. Die Umstellung werde etwa 15 bis 20 Jahre erfordern: „Wir sind überzeugt, dass wir das schaffen. Aber wir brauchen Zeit.“ Bei „H2Future“ sei die Partnerschaft mit dem Verbund von großer Wichtigkeit, weil dieser Strom aus erneuerbaren Energien günstig bereitstellen könne.

 

Laut Wolfgang Anzengruber, dem Vorstandsvorsitzenden des Verbunds, bewerkstelligt dieser mittlerweile rund 96 Prozent seiner Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien. Die traditionell wichtigste davon ist die Wasserkraft. Jedoch ist der Verbund Anzengruber zufolge mittlerweile auch einer der größten Solarstromanbieter Österreichs. Anzengruber betonte, die zweifellos erforderliche Dekarbonisierung der Wirtschaft dürfe keine „De-Industrialisierung“ sein. Daher müssten neue Technologien entwickelt werden. Die „Verzahnung“ mit der Voestalpine biete dem Verbund die willkommene Möglichkeit, seine Wertschöpfungskette durch Erzeugung von Wasserstoff mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Energien zu erweitern.

 

Bart Biebuyck, der Chef des Fuel Cells and Hydrogen Joint Undertaking (FCH JU) der EU-Kommission ergänzte, bei „H2Future“ handle es sich „um das größte Brennstoffzellenprojekt, das wir je gefördert haben. Das ist eine tolle Partnerschaft und eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten“. Die Dekarbonisierung lasse sich nur durch die Zusammenarbeit der Unternehmen mit der öffentlichen Hand bewältigen. Biebuyck bezeichnete „H2Future“ als „eines unserer Flaggschiff-Projekte. Die Stahlindustrie auf der ganzen Welt wird sich das sehr genau anschauen“.

 

 

 

 

February 7th

Neuer Studiengang zur digitalen Innovation

Im September startet an der IMC FH Krems erstmals der neue Master-Studiengang „Digital Business Innovation“. Dabei soll vermittelt werden, wie die Möglichkeiten der Digitalisierung und Vernetzung zur Weiterentwicklung von Unternehmen genutzt werden können.

Die Studenten erhalten eine Kombination aus betriebswirtschaftlichen und informationstechnologischen Kenntnissen und werden in Kommunikation, Kooperation, Lösungsorientierung, Data-Mining und „Design Thinking“ trainiert. In einer Aussendung spricht die Fachhochschule von „Transformationskompetenzen“, die es den Absolventen ermöglichen sollen,  Veränderungsprozesse in verschiedensten Branchen zu koordinieren und zu begleiten, die besonderen Anforderungen an digitale Geschäftsmodelle zu  verstehen und die „Informatisierung“ von Produktions-, Service- und Verkaufsprozessen zu planen, zu steuern und umfassend voranzutreiben.

Der Studiengang bedarf noch der Genehmigung durch die Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria. Bewerbungen sind bis 15. Mai 2017 möglich.

February 6th

Wertschöpfung durch Cluster-Aktivitäten

Eine aktuelle Studie des Economica-Instituts errechnete, dass die von der niederösterreichischen Wirtschaftsagentur Ecoplus gemanagten Cluster seit ihrem Bestehen einen österreichweiten Wertschöpfungseffekt von 81,3 Millionen Euro erzielten.

Das Land Niederösterreich ließ die Aktivitäten der von der landeseigenen Wirtschaftsagentur Ecoplus betriebenen Cluster nach einer Vorgänger-Studie aus dem Jahr 2011 nun ein zweites Mal vom Economica-Institut für Wirtschaftsforschung evaluieren. Dabei zeigte sich, dass seit dem Beginn der Cluster-Initiative im Jahr 2001 mit einem Fördervolumen von rund 40 Millionen Euro ein Wertschöpfungseffekt von 73,3 Millionen Euro (allein in Niederösterreich, österreichweit wären es 81,3 Millionen Euro) erzielt werden konnten. Nach den Worten von Ökonom Christian Helmenstein zeige dies, dass auch mit einer verhältnismäßig kleinen Förderleistung ein statistisch signifikanter Strukturwandel herbeigeführt werden könne. Der österreichweite Beschäftigungseffekt beträgt 1.153 Jahresarbeitsplätze in Vollzeitäquivalenten.

Als „Impact“ der Cluster-Aktvitäten wurden dabei sowohl die direkten Einkommen der in den Cluster-Projekten beteiligten Unternehmen, als auch indirekte Effekte (Vorleistungen zu den direkt erwirtschafteten Einkommen) und induzierte Effekte (erwirtschaftetes Geld, das wieder ausgegeben wird) betrachtet. Dabei zeigte sich die starke regionale Konzentration der auf diese Weise generierten Wertschöpfung, von der 90 Prozent in Niederösterreich selbst verbleiben. Innerhalb des Landes ist der Nutzen der Cluster-Projekte geographisch relativ gleich verteilt: Auf Basis einer geoinformationsbasierten Analyse konnte gezeigt werden, dass Unternehmen außerhalb der wirtschaftlichen Zentren des Landes gleichermaßen an Cluster-Projekten beteiligt sind.

Vier Cluster, eine Plattform

Die niederösterreichische Wirtschaftsagentur Ecoplus organisiert vier Cluster (Bau/Energie/Umwelt, Lebensmittel, Kunststoff, Mechatronik) und eine Plattform zum Thema Elektromobilität. Insgesamt wurden seit 2001 1.229 Projekte (davon 643 Kooperationsprojekte) mit mehr als 3.500 Projektpartnern umgesetzt. Alle vier niederösterreichischen Cluster sind Träger des European Cluster Excellence Gold Label.

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