Archive - Jun 10, 2020

Chemieindustrie: Streit um Kollektivvertrag

Die Arbeitgeber nennen die Forderungen der Gewerkschaften „völlig überzogen“, diese wiederum bezeichnen das Angebot der Unternehmer als „Verhöhnung“.

 

Nach wie vor gibt es keine Einigung über den neuen Kollektivvertrag für die Beschäftigten der österreichischen Chemieindustrie. Auch die vierte Verhandlungsrunde endete ergebnislos, berichteten der Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) und die Gewerkschaften PRO-GE sowie GPA-djp übereinstimmend. Der FCIO bezeichnet die Forderung der Arbeitnehmer einer Lohn- und Gehaltserhöhung um 2,8 Prozent als „völlig überzogen“. Die Gewerkschaften ihrerseits sprechen angesichts des Angebots der Arbeitgeber in Höhe der Inflationsrate von 1,57 Prozent von einer „Verhöhnung“.

 

Rainer Schmidtmayer, der Verhandlungsführer der Arbeitgeber und Vorstand der Treibacher Industrie AG, konstatierte, er verstehe „Handlungsweise der Gewerkschaften nicht. Wir befinden uns in einer der schwersten Wirtschaftskrisen, die Österreich je gesehen hat. Bei allen anderen Verhandlungen haben die Gewerkschaften in dieser schwierigen Zeit angemessene Abschlüsse zum Wohl aller Beschäftigten und Betriebe mit den Arbeitgebern getroffen, die weit entfernt von den bei uns geforderten Lohnerhöhungen in Höhe von 2,8 Prozent liegen, trotz ähnlicher Rahmenbedingungen“. Er ventilierte die Idee einer Kombination aus einer „angemessenen Lohnerhöhung und Bonuszahlungen“. Damit wäre seiner Ansicht nach „ein verantwortungsvoller, standortsichernder Abschluss möglich“.

 

Die Gewerkschafter Alfred Artmäuer (PRO-GE) und Günther Gallistl (GPA-djp) dagegen argumentierten, Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer progagiere „im ganzen Land Konsum und Geldausgeben“. Bei den Kollektivvertragsverhandlungen jedoch wollten die Arbeitgeber den Arbeitnehmern „nicht einmal einen realen Einkommenszuwachs gewähren, obwohl die letzten Jahre die Branche außerordentlich gut verdient hat“. Außerdem sei der Verhandlungsstil der Arbeitgeber „empörend“: „Das hat nichts mit sozialpartnerschaftlicher Verhandlungskultur auf Augenhöhe zu tun, sondern ist der Versuch, vollendete Tatsachen zu diktieren. Wir werden jetzt die Beschäftigten informieren und weitere Aktionen auf betrieblicher Ebene bis hin zum Streik durchführen.“ Der ÖGB habe die Streikfreigabe „bereits erteilt“.