Archive - Jun 25, 2020

Vier für CCU

Lafarge, die OMV, die Borealis und der Verbund wollen in Mannersdorf eine großindustrielle Anlage zur CO2-Abscheidung und -Nutzung (Carbon Capture and Utilization, CCU) errichten. Das Treibhausgas könnte der Produktion von Kraft- und Kunststoffen dienen.

 

Eine großindustrielle Anlage zur Abscheidung von CO2 aus Industrieabgasen und seiner anschließenden Nutzung (Carbon Capture and Utilization, CCU) planen der Zementkonzern Lafarge, die OMV, der Kunststoffkonzern Borealis und der Verbund. Das berichteten die vier Unternehmen in einer gemeinsamen Aussendung. Das Vorhaben trägt die Bezeichnung „Carbon2ProductAustria“ (C2PAT). Vorgesehen ist, bis 2030 im Zementwerk Mannersdorf am Leithagebirge etwa 30 Kilometer südöstlich der OMV-Raffinerie Schwechat eine Anlage zur Abscheidung von rund 700.000 Tonnen CO2 pro Jahr zu bauen. Mannersdorf ist mit einer Jahreskapazität von etwa 1,1 Millionen Tonnen das größte Zementwerk Österreichs.

Das CO2 könnte in der Raffinerie Schwechat unter Reaktion mit Wasserstoff in Kohlenwasserstoffe umgewandelt werden. Aus diesen würde die OMV Kraftstoffe erzeugen. Die Borealis, an der die OMV zurzeit mit 36 Prozent beteiligt ist, könnte sie zur Herstellung von Kunststoffen nutzen. Bekanntlich plant die OMV, ihren Anteil an der Borealis auf 75 Prozent aufzustocken, wofür sie rund vier Milliarden Euro aufwenden will. Den Wasserstoff würde der Verbund herstellen. Erfolgen würde dies durch die elektrolytische Spaltung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Energien.

 

Zurzeit untersuchen Lafarge, OMV, Borealis und Verbund, wie das Vorhaben durchgeführt werden könnte und ob es wirtschaftlich rentabel wäre. Anschließend soll „ein Cluster von industriellen Pilotanlagen im Osten Österreichs technisch entwickelt und bis 2023 in Betrieb genommen werden“. In einem letzten Schritt ist geplant, die Abscheidekapazität auf 700.000 Tonnen CO2 pro Jahr zu steigern. Damit würde den Unternehmen zufolge „die globale Skalierbarkeit der Technologie demonstriert“. Fix ist allerdings noch nichts. Wie die Partner mitteilten, hängt die Umsetzung des Vorhabens von der Schaffung tauglicher regulatorischer sowie finanzieller Rahmenbedingungen auf österreichischer sowie auf EU-Ebene ab. Zu den voraussichtlichen Projektkosten verlauteten die Unternehmen nichts.

 

Grundsätzlich positiv äußerte sich der Budgetsprecher der Grünen im Nationalrat, Jakob Schwarz. Ihm zufolge wäre C2PAT „ein kleiner Schritt fürs Klima, ein großer für die Zementproduktion“. Die Letztere bezeichnete er in ihrem derzeitigen Zustand als „klimapolitisches Sorgenkind. Wenn es dem Projekt gelingt, die CO2-Intensität der Wertschöpfungskette zu halbieren, ist das ein toller erster Schritt“. Im Sinne des Ziels der Bundesregierung, Österreich bis 2040 „klimaneutral“ zu machen, müssten diesem jedoch viele weitere Anstrengungen auch in anderen industriellen Bereichen folgen. „Das Projekt führt vor, was sich mit dem im Regierungsprogramm verankerten Green Deal bewegen ließe. Auch in anderen Bereichen gibt es Innovationspotenzial, dass es gemeinsam zu heben gilt. Und gerade die Großen sind hier gefordert, mutig voran zu gehen“, resümierte Schwarz.

 

Bayer: Vergleiche zu Glyphosat und Dicamba

Zur Beilegung in den USA anhängiger Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit den Pflanzenschutzmitteln sowie mit der behaupteten Schädigung von Gewässern durch PCB wendet der deutsche Chemiekonzern bis zu elf Milliarden Euro auf.

 

Umgerechnet rund elf Millarden Euro stellt der deutsche Chemiekonzern Bayer bereit, um Rechtsstreitigkeiten in den USA beizulegen. Sie betreffen Schädigungen von Personen durch das Pflanzenschutzmittel Roundup (Wirkstoff: Glyphosat), von Ernten durch das Pflanzenschutzmittel Dicamba sowie von Gewässern durch Polychlorierte Biphenyle (PCB). Konzernchef Werner Baumann, Finanzvorstand Wolfgang Nickl und Bill Dodero, Global Head Litigation von Bayer sagten bei einer telefonischen Investorenkonferenz am 24. Juni, entsprechende Vereinbarungen seien grundsätzlich getroffen worden. Sie bedürften zum Teil aber noch der Genehmigung durch die zuständigen Gerichte, darunter den U.S. District Court for the Northern District of California. Ausdrücklich betonte Bayer, die Vereinbarungen seien „keinerlei Eingeständnis einer Schuld oder eines Fehlverhaltens“. Es gehe ausschließlich darum, die wirtschaftlichen Risiken im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zu minimieren.

 


Bezüglich Roundup/Glyphosat könnte Bayer etwa 75 Prozent der Verfahren abschließen. Dabei geht es um 125.000 eingereichte sowie noch nicht eingereichte Fälle. Bayer stellt zur Beilegung der bereits vorliegenden Klagen 7,82 bis 8,53 Milliarden Euro bereit. Hinzu kommen 1,11 Milliarden Euro für potenzielle weitere Klagen.
Die möglichen künftigen Roundup-Klagen werden in einer Gruppe zusammengefasst. Ein wissenschaftliches Gremium (Class Science Panel) entscheidet, ob das Mittel „das Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) verursachen kann, und falls ja, welche Expositionsniveaus hierfür mindestens erreicht sein müssen“. Verneint es dieses Risiko, dürfen die Kläger das Gegenteil nicht behaupten. Kommt es zum gegenteiligen Schluss, darf Bayer bzw. Monsanto nicht behaupten, das Mittel könne das NHL nicht hervorrufen. Allerdings müssen die Kläger nachweisen, dass sie das für eine Schädigung notwendige Expositionsniveau erreicht bzw. überschritten haben. Strafschadenersatz zu fordern, ist ihnen nicht erlaubt. Bis das wissenschaftliche Gremium seine Einschätzung vorlegt, dürften laut Bayer mehrere Jahre vergehen.
Nicht von den Vereinbarungen umfasst sind die drei Fälle Johnson, Hardeman und Pilliod, in denen Bayer erstinstanzlich zu Schadenersatzzahlungen verurteilt wurde. Die Berufungsverfahren sind im Gange. Bayer verwies in diesem Zusammenhang auf ein diese Woche ergangenes Urteil eines Bundesrichters in Kalifornien. Dieser hatte festgestellt, dass das Anbringen einer Krebswarnung auf den Verpackungen glyphosatbasierter Herbizide nicht notwendig ist.

Bayer überlegte einer Aussendung zufolge, die Prozesse bezüglich Roundup weiterzuführen. Bei einem negativen Ausgang wären die Kosten jedoch „wahrscheinlich weit höher ausgefallen als beim jetzigen Vergleich“. Außerdem hätte Bayer mit „Schäden für die Reputation und das Geschäft“ rechnen müssen.

 

Ernten und Gewässer

 

Zur Beilegung der Streitigkeiten um Dicamba wendet Bayer bis zu 356 Millionen Euro auf. Wer behauptet, Ernteschäden durch Verwehungen des Mittels erlitten zu haben, muss das dem U.S. District Court for the Eastern District of Missouri nachweisen. Mitverklagt ist in dieser Angelegenheit die BASF. Von ihr erwartet Bayer „einen Beitrag“ zu dem Vergleich. Eine Stellungnahme der BASF liegt bis dato nicht vor. Nicht in diesen einbezogen ist der Fall Bader Farms, in dem Bayer zu Schadenersatz verurteilt wurde und in Berufung ging.

 

Was schließlich die behauptete Schädigung von Gewässern durch PCB betrifft, stellt Bayer bis zu 729 Millionen Euro zurück. Davon sind 578 Millionen Euro für eine Gruppe von Privatklägern vorgesehen. Die übrigen Mittel dienen der Beilegung von Auseinandersetzungen mit den Generalstaatsanwälten der Bundesstaaten New Mexico und Washington sowie des District of Columbia.

 

Genug Liquidität

 

Bayer geht davon aus, heuer und 2021 jeweils weniger als 4,45 Milliarden Euro für die Vereinbarungen aufwenden zu müssen. Die verbleibenden Beträge dürften erst 2022 oder später fällig werden. „Zur Finanzierung dieser Zahlungen, die von der steuerlichen Behandlung abhängig sind, kann Bayer zurückgreifen auf die bestehende Liquidität, den künftigen Free Cash Flow, auf die Einnahmen aus der Veräußerung des Animal-Health-Geschäfts und zusätzliche Anleiheemissionen“, hieß es in einer Aussendung.

 

Konzernchef Baumann resümierte, „indem wir daran arbeiten, diese umfangreichen Rechtsstreitigkeiten hinter uns zu lassen, können wir Kurs auf die Zukunft nehmen und die globalen Herausforderungen in den Bereichen Gesundheit und Ernährung angehen. Das gilt nicht nur jetzt während der Covid-19-Pandemie, sondern auch langfristig“.