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Chemiereport_2016-4

44 AustrianLifeSciences chemiereport.at 2016.5 COVERTHEMA Bild: iStockphoto.com/Sebastian Kaulitzki CR: Sie forschen im Rahmen eines Pro- jekts zur Gender Medicine daran, wel- che Unterschiede es bei der Entstehung von Lungenkrebs zwischen Männern und Frauen gibt. In welches Umfeld ist Ihre Arbeit dabei eingebettet? Der Ansatz, den wir verfolgen, ist Teil der sogenannten „Personalisierten Medi- zin“. Erkrankungen entstehen nicht bei jedem Menschen auf gleiche Weise, auf der molekularen Ebene zeigen sich viele Unterschiede. In der Krebsmedizin hat man zunächst die Mutation einzelner Gene betrachtet und Patientengruppen herausgegriffen, die diese Mutation tra- gen. Dieser Mutationsstatus gibt Auskunft darüber, ob eine Person auf ein bestimm- tes Medikament ansprechen wird oder nicht. Das kann aber nur der erste Schritt sein. In Zukunft wird es darum gehen, immer mehr Faktoren zu berücksichti- gen. Wir sehen, dass sich die Chromoso- men der Krebszellen bei Fortschreiten der Erkrankung immer stärker verän- dern, in einem solchen Fall nützt es nicht viel, zu wissen, dass der Patient unter vielen anderen auch diese eine Mutation trägt. Mein Forschungsumfeld ist deshalb ein sehr spannendes, weil sich sehr viele Interessensgruppen einbringen. So defi- nieren Patienten, Ärzte, Forscher, aber auch Pharmaunternehmen immer wie- der neue An- und Herausforderungen, die dem Forschungsfeld eine hohe Dynamik verleihen. CR: Sie untersuchen dabei neben gene- tischen auch epigenetische Faktoren. Was versteht man darunter? In der Epigenetik betrachtet man rever- sible Modifikationen, die die Expression eines Gens beeinflussen, ohne die DNA-Se- quenz zu ändern. Darunter fallen bei- spielsweise Methylierungen der DNA oder Veränderungen an Histon-Proteinen (um die die DNA im Zellkern herumgewickelt ist, Anm.). Im Unterschied zu genetischen Veränderungen, von denen bereits viele in der diagnostischen Routine untersucht werden, gibt es noch wenig Erfahrung mit epigenetischen Modifikationen. Hier müssen wir erst herausfinden, welche die geeignetsten Kandidaten für eine klini- sche Anwendung sind. CR: Ziehen diese Entwicklungen auch einen Paradigmenwechsel in der The- rapie nach sich? Der nächste Schritt in der personalisier- ten Medizin wird jedenfalls viel größer sein als der erste, der nur eine Mutation betrachtet hat. Mittlerweile ist die Suche nach solchen monokausalen Biomarkern stark zurückgegangen. Was man bereits macht, ist, Signal-Kaskaden zu betrach- ten, an denen mehrere Gene und die von ihnen codierten Proteine beteiligt sind. Wir produzieren dabei zunehmend grö- ßere Datensätze, von denen noch nicht klar ist, wie man sie in einer klinischen Routine effizient analysieren wird kön- nen. Dem steht aber derzeit noch kein potenzieller Arzneimittelmarkt gegen- über, deswegen ist auch die Finanzierung schwieriger als bisher, wo der Fokus auf einer einzelnen Mutation lag, die meist von einem Arzneimittel direkt erkannt wurde. Eine weitere interessante Entwicklung ist in der Diagnostik zu beobachten. Hier werden die Vorgaben immer konkreter bis hin zu zertifizierten Kit-Systemen, die genau nach Vorschrift durchgeführt werden müssen, um danach eine Ja-Nein- Antwort zu geben, ob ein Patient zu einer bestimmten Therapie zugelassen wird. CR: Wie wird in der molekularbiologi- schen Forschung gearbeitet? In der Molekularbiologie wird immer auf ein Ziel hin geforscht, man stellt Fragen an ein biologisches System und bekommt etwas heraus, das man als Antwort lesen kann. Ein PhD-Student oder Postdoc muss dabei meist sehr eigenverantwortlich agieren. Der Leiter einer Forschungs- gruppe kann sich nicht immer mit den einzelnen Experimenten auseinander- setzen; wie eine Forschungsfrage metho- disch angegangen wird, muss man selbst überlegen. Es ist daher ganz wesentlich, dass schon ein PhD-Student eigene Ideen einbringt. Diese Ideen bekommt man oft aus Gesprä- chen, Vorträgen oder wissenschaftlichen Publikationen. Es erscheinen unglaublich viele Arbeiten: Ich verbringe jede Woche Stunden damit, allein die neu erschie- Genetik, Epigenetik und personalisierte Medizin Molekularbiologie mit persönlichem Engagement Rita Seeböck erforscht an der IMC FH Krems geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Entstehung und Therapie von Krebs. Im Gespräch gibt sie Einblicke in die Arbeitsweise der molekularbiologischen Forschung. Erkrankungen entstehen nicht bei jedem Menschen auf gleiche Weise, auf der molekularen Ebene zeigen sich viele Unterschiede. ALPBACH 2016

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