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Chemiereport_2016-4

46 AustrianLifeSciences chemiereport.at 2016.5 COVERTHEMA Bilder: Medaustron stehen würden. Es war also eine berufliche Herausforderung, eine Einrichtung zu leiten, die Pionierstatus auf diesem Gebiet hat. Viele der eingesetzten Komponenten sind ja nicht von Her- stellern zugekauft, sondern selbst entwickelt worden. Wir haben ein junges und dynamisches Team, das sehr engagiert ist. Außer- dem wollte ich nach vielen Jahren in den USA wieder zurück nach Europa, und ich fühle mich als Münchner in Österreich sehr wohl. CR: An der Ionentherapie wird ja immer wieder kritisiert, dass ihr Aufwand im Verhältnis zur Anzahl der potenziellen Nutznießer viel zu groß ist. Was würden Sie dem entgegnen? Wie überall, wo Sie es mit Hochtechnologie zu tun haben, sind die Anlagen anfangs groß und teuer und werden mit zunehmen- dem Fortschritt kleiner und billiger. Dazu gibt es Beispiele aus allen Teilbereichen der Medizin: In den 80er-Jahren hat man noch gedacht, fünf Kernspintomographen werden für die gan- zen USA ausreichen. Heute belächelt man eine solche Aussage. In der Protonentherapie gibt es schon heute kleinere Einheiten mit nur einem einzigen Behandlungsraum, die für 20 Prozent der ursprünglichen Summe errichtet werden können. Die Par- tikeltherapie hat heute den „Point of no return“ in jedem Fall überschritten, wir bewegen uns auf einer soliden Basis. Weltweit laufen nahezu 180 klinische Studien, die sich damit beschäfti- gen, für welche Patientengruppen diese Therapieform am bes- ten geeignet ist. CR: Welche Schlüsse lassen sich aus dem, was Sie in der Pio- nierzeit der Ionentherapie miterlebt haben, für die Innovati- onsdynamik in der Medizin im Allgemeinen ziehen? In der Medizin ist es schwierig, mit einer neuen Technologie einen Fortschritt zu erzielen, der auch wirklich nachhaltig ist. Viel zu schnell wird eine Schlagzeile produziert, die einen neuen Durchbruch verspricht. Oft erkennt man, gerade bei Krebser- krankungen, erst viel später, dass die Sache komplexer ist. Es ist daher sehr wichtig, einem eingeschlagenen Weg konsequent und konsistent zu folgen und sich nicht durch Rückschläge oder vermeintliche Erfolge beirren zu lassen. Das bedeutet nicht, dass man neue Erkenntnisse nicht miteinbezieht. Aber man darf nicht bei jedem neuen Ergebnis die Strategie ändern, sonst kann man nicht aus Fehlern lernen. Oft ist es auch besser, sich auf ein Thema zu beschränken, anstatt frühzeitig in die Breite zu gehen. Das kann man an der Geschichte der Ionentherapie gut erken- nen: Wir haben uns lange Zeit auf wenige Indikationen konzen- triert. Als man dort Erfolge erzielen konnte, waren die Medizi- ner auch bereit, Analogieschlüsse zu ziehen. Wenn man mit Ionentherapie beispielsweise in einer bestimmten Indikation bei einem Kind Erfolge erzielen kann, dann könnte es bei derselben Erkrankung auch bei einem Erwachsenen funktionieren. Was mir noch aufgefallen ist: Sie bekommen sehr viel Unterstüt- zung von Fachkollegen, so lange Sie an einem intellektuell her- ausfordernden Nischenprodukt arbeiten, das keine Konkurrenz zu etablierten Methoden darstellt. Wenn Ihre Methode dann eine gewisse Reife erlangt hat und eine Alternative zu dem darstellt, was die Kollegen machen, wird aus Rückenwind schnell Gegen- wind. Es ist daher, gerade für neue Formen der Partikelthera- pie, wichtig, Kollegen früh ins Boot zu holen und ihnen klar zu machen, dass es sich um eine komplementäre und nicht um eine konkurrierende Technologie handelt. Eugen Hug Eugen Hug ist medizinischer Leiter des Ionentherapie-Zentrums Medaustron in Wiener Neustadt. Er hat davor in leitender Funktion an mehreren Zentren der Ionentherapie in der Schweiz und den USA gewirkt. Am Medaustron werden Protonen und Kohlenstoff- ionen mithilfe eines Teilchenbeschleunigers auf zwei Drittel der Lichtgeschwindigkeit gebracht, um Krebspatienten mit einer neu- artigen Form der Strahlentherapie zu behandeln. Therapie mit Protonen und Kohlenstoffionen Gegenüber der herkömmlichen Strahlentherapie mit energierei- cher elektromagnetischer Strahlung oder Elektronen kann der Wirkungsort von Ionenstrahlen viel präziser definiert und dadurch das den Tumor umgebende Gewebe wesentlich besser geschont werden. Neben Protonen (den positiv geladenen Kernen von Was- serstoffatomen) kommen am Medaustron auch Kohlenstoffionen zum Einsatz, die sich darüber hinaus durch höhere biologische Wirksamkeit auszeichnen. Dadurch eignet sich die Therapie mit Kohlenstoffionen vor allem für Knochen- und Weichteiltumoren in der Nähe strahlensensibler Organe sowie für langsam wach- sende oder sauerstoffarme Tumoren. In klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass mit Kohlenstoffionen auch Tumoren behan- delt werden konnten, die gegenüber einer herkömmlichen Strah- lentherapie weitgehend resistent waren. ALPBACH 2016

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