Archive - Okt 19, 2007

Stuttgarter analysieren Rohr-Detonationen

Wissenschaftler der Materialprüfungsanstalt der <a href=http://www.uni-stuttgart.de>Uni Stuttgart</a> um Eberhard Roos analysieren Detonationen in Rohrleitungen. Der dabei verwendete Versuchsaufbau führt zu sehr hohen Energieaufkommen und liefert Ergebnisse, die bisher kaum zu erhalten waren. Stuttgarter analysieren Rohr-Detonationen <% image name="Detonation" %><p> <small> Rohr vor dem Versuch im 32 m tiefen, unterirdischen Prüfschacht. © Uni Stuttgart </small> Bei Siedewasserreaktoren und in chemischen Anlagen ist es theoretisch möglich, dass sich in Rohrleitungen ein Wasserstoff-Sauerstoff-Gemisch (Knallgas) bildet, das sich entzünden und zur Detonation im Rohr führen kann. Die Forscher führen deshalb experimentelle und numerische Untersuchungen zum Rohrleitungsverhalten durch, in dem sie Situationen simulieren, bei denen sich in Rohrleitungen vorhandene Wasserstoff-Sauerstoff-Ansammlungen entzünden. <% image name="Detonation2" %><p> <small> Zerborstenes Rohr nach einer gezielten Knallgasdetonation. </small> Als Versuchsmaterial verwenden sie dünnwandige Geradrohre mit einer Weite von 100 mm mit und ohne eingeschweißte Rohrkrümmer und bringen das Gemisch im stöchiometrischen Verhältnis von rund 66 Vol% Wasserstoff und 34 Vol% Sauerstoff mit einem Fülldruck von 70 bar in die Rohre ein. Bei den Versuchen wird zusätzlich Stickstoff in Anteilen zwischen 0 und 60 % eingesetzt, so dass nach gezielter Zündung unterschiedlich starke Gasreaktionen realisiert werden. Je niedriger der Stickstoffanteil, desto mehr Energie wird freigesetzt. Dabei entstehen Druckspitzen von bis zu 1.500 bar, die sich mit rund 3.000 m/sek im Rohr ausbreiten. Zu derartig hochdynamischen Rohrleitungsbelastungen gibt es bisher noch kaum Versuchsergebnisse. Im Gegensatz zu den weitläufig angewandten quasistatischen Berstversuchen können bei diesen Beanspruchungen Mehrfachlängsriss- und -bruchbildungen bis hin zu Splitterbrüchen auftreten. Eine moderne High Speed-Kamera filmt die Abläufe mit bis zu 100.000 Bildern/sek. Die Ergebnisse der aufwändigen Versuche dienen auch der Verifikation numerischer Berechnungen zur Beschreibung des Materialverhaltens bei derartig hochdynamischen Beanspruchungen und fließen in die Entwicklung von Werkstoffgesetzen mit ein.

Wie Bakterien bei Pflanzen als "Trojaner" funktionieren

Pflanzentumore verursachende Bakterien modifizieren das Pflanzengenom unter geschickter Ausnutzung erster Verteidigungsmaßnahmen der Pflanze. Dabei werden bakterielle Gene via Pflanzen-Proteine in den Zellkern und anschließend in das Pflanzengenom eingeschleust, um dort den Stoffwechsel umzuprogrammieren. Dieser Vorgang wurde nun im Rahmen eines FWF-Projekts in Wien entdeckt. Wie Bakterien bei Pflanzen als "Trojaner" funktionieren <% image name="Protein_VIP1" %><p> <small> Das pflanzliche Protein VIP1 wird zur Abwehr von Pathogenen in den Zellkern transportiert. Genau diesen Transport nutzt das Agrobakterium zur Einschleusung seiner T-DNA ins Pflanzengenom. © Hirt </small> Nicht geklärt war bisher der genaue Vorgang, wie die Bakteriengene in den Zellkern transportiert werden - zumal die Verteidigungsmaschinerie der Pflanzenzelle bereits sehr rasch nach der bakteriellen Invasion anläuft. Ein überraschendes Detail dieses Vorgangs hat nun Heribert Hirt und sein Team an den Max F. Perutz Laboratories der Uni Wien und dem URGV Plant Genomics Institute bei Paris, an welchem Hirt als künftiger Direktor seit kurzem auch tätig ist, entdeckt. Die zentrale Rolle spielt dabei das als <b>VIP1</b> bezeichnete Protein der Pflanzenzelle. Über dieses Protein war zwar bekannt, dass es den Transport der als T-DNA bezeichneten bakteriellen DNA in den Zellkern der Pflanzenzelle unterstützt, doch blieb die genaue Funktion von VIP1 ungeklärt. Dazu Hirt: "Wir konnten zeigen, dass VIP1 ein Protein ist, das verschiedene Gene zur Abwehr der bakteriellen Invasion reguliert. VIP1 kommt allerdings zunächst nur im Zytoplasma der Zelle vor und muss zur Erfüllung seiner Regulierungsfunktion in den pflanzlichen Zellkern gelangen. Genau diesen Transport von VIP1 benutzt das Bakterium, um seine T-DNA mit in den Zellkern einzuschleusen." Diese Strategie, bei der die Verteidigung der Pflanze unabwendbar zum eigenen Untergang beiträgt, wird von Hirt mit der des Trojanischen Pferdes verglichen. Pflanzen verfügen über eine Immunabwehr, die nach dem Erkennen bestimmter Moleküle der Eindringlinge gestartet wird und auf der Aktivierung von Genen im Zellkern beruht. Nach der Erkennung des Eindringlings werden bestimmte Proteinkinasen im Zytoplasma aktiviert, also Enzyme, die durch das Anhängen von Phosphatgruppen die Aktivität anderer Proteine regulieren. Eines der Proteine, das von diesen Proteinkinasen phosphoryliert wird, ist das VIP1, dem erst nach dessen Phosphorylierung Zugang in den Zellkern gewährt wird, um dort die entsprechenden Abwehrgene einzuschalten. Für die frühen Vorgänge in einer infizierten Pflanzenzelle zeichnet sich also folgendes Modell ab: Das Eindringen der T-DNA und das Erkennen des Bakteriums als Eindringling erfolgt zeitgleich. Während VIP1 im Zytoplasma von den Proteinkinasen phosphoryliert wird, haftet sich die bakterielle T-DNA an VIP1 und kann in der Folge unerkannt mit in den Zellkern eingeschleust werden. Es erfolgt somit das gemeinsame Eindringen von Freund und Feind. Einmal im Zellkern, wird die T-DNA abgelesen und es beginnt der Prozess der Tumorbildung - gleichzeitig wird die Verteidigung der Pflanzenzelle durch die Aktivierung der Abwehrgene aufgebaut. Zu spät jedoch: die Zelle ist bereits transformiert. <small> Originalpublikation: Trojan horse strategy in Agrobacterium transformation - Abusing MAPK-targeted VIP1 defence signalling Armin Djamei, Andrea Pitzschke, Hirofumi Nakagami, Iva Rajh, Heribert Hirt, Science 318, 453 (2007). </small>

<small>Miesmuschel als Vorbild:</small><br> Bionischer Feuchtkleber für Zahnimplantate

Die Miesmuschel macht es mit ihrer Haftbeständigkeit im Meerwasser vor: Ein bionischer Feuchtkleber könnte für bessere Haftung von Zahnimplantaten sorgen. Mit dieser Idee gewann die Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie (<a href=http://www.klinik.uni-frankfurt.de >MKG</a>) des Klinikums der J. W. Goethe-Uni Frankfurt gemeinsam mit anderen Projekten den Innovationspreis Medizintechnik 2007. <small>Miesmuschel als Vorbild:</small><br> Bionischer Feuchtkleber für Zahnimplantate <% image name="Miesmuschel" %><p> <small> Vorbild für die Medizin: Miesmuschel mit Klebefäden. © IFAM </small> Ziel des von Robert Sader an der MKG-Klinik geleiteten Forschungsvorhabens ist es, einen neuartigen Feuchtklebstoff zu entwickeln, der hauptsächlich aus den Klebeproteinen der Miesmuschel Mytilus edulis und synthetischen Trägermaterialien (Polymeren) besteht. An dem Projekt sind zudem das Bremer <a href=http://www.ifam.fraunhofer.de>IFAM</a> und das <a href=http://www.technologiezentren-bremen.de>BitZ</a>, die TU Darmstadt sowie der Freiburger Implantate-Herstellers <a href=http://www.straumann.de>Straumann</a> beteiligt. Die von Miesmuscheln aus einer Drüse ausgeschiedenen Proteine sind vielen technischen Klebern überlegen. Sie härten im (Salz-)Wasser und sind dort lange beständig, besitzen eine hohe Festigkeit und sind elastisch. Gleichzeitig haften sie auf so verschiedenen Untergründen wie Glas, Holz, Knochen oder Teflon. Den IFAM-Chemikern ist es gelungen, solche Proteine synthetisch herzustellen. Die Frankfurter MKG-Klinik wird mit ihren Partnern testen, inwiefern sich die Eigenschaften des bionischen Feuchtklebers für die Zahnfleischbefestigung dentaler Titanimplantate eignen. Dafür werden sie die Biokompatibilität der Klebstoffe in vitro prüfen und immunologische Untersuchungen einschließlich der Gefäßneubildung um den implantären Bereich herum vornehmen. Der Einsatz des Muschelklebers wird nach Ansicht von Sader aber nicht auf die Zahnmedizin beschränkt bleiben: "Wenn das so funktioniert, wie wir es uns vorstellen, könnte man künftig etwa eine Herzklappe einkleben anstatt sie einzunähen."