Archive - Aug 5, 2007

Golden Rice: Gentech gegen den Hunger

Arrogante Welt: Ingo Potrykus hat etwas entwickelt, das Hunderttausende vor dem Erblinden und dem Tod durch Mangelernährung bewahren könnte. Doch &#8222;Golden Rice&#8220;, den es schon seit 1999 gibt, wartet weiter auf seine Zulassung. Schuld ist die Gentech-Skepsis der Industrieländer. 2012 könnte es trotzdem soweit sein. Golden Rice: Gentech gegen den Hunger <% image name="Potrykus2" %><p> <small> Ingo Potrykus: "Mit dem Ruf nach immer weiteren Regulierungen spielen Gentech-Gegner jenen vier Konzernen in die Hände, die sich eine transgene Entwicklung leisten können." </small> Mangelernährung ist ein Problem der Armen. Im Jahr 2000 hatten 792 Mio Menschen weltweit nicht genug zu essen oder nicht genug vom Richtigen zu essen bekommen, um ein normales gesundes Leben führen zu können, schätzt die Welternährungsorganisation. 90 % derer, die daran gestorben sind, kommen aus 42 Entwicklungsländern. Es fehlt in erster Linie an Eisen, Zink, Jod und Provitamin A. In Staaten wie den Philippinen oder Malaysia erblinden jährlich 500.000 Kinder, weil ihre Nahrung nicht genügend Provitamin A enthält, 50 % sterben an den Folgen binnen eines Jahres. Reis ist dort das Hauptnahrungsmittel. 80 % des Kalorienbedarfs wird damit gedeckt und keine der Reissorten kann Betakarotin &#8211; also Provitamin A &#8211; synthetisieren. Dieses bezieht der Körper normalerweise aus Obst und Gemüse. Ingo Potrykus, Professor für Pflanzenwissenschaften an der ETH Zürich, hat nach einer nachhaltigen Lösung gesucht und 1991 einen Dissertanten dafür gewinnen können, an der Entwicklung einer transgenen Reissorte zu arbeiten, die das benötigte Provitamin A von sich aus herstellen würde. Niemand hätte ihm das Vorhaben finanziert, doch Schweizer Universitäten stellen ihren Professoren begrenzt Forschungskapital zur freien Verfügung. 10 Jahre hatte er bereits investiert um die dafür notwendigen Methoden zu entwickeln und es sollte fast noch einmal solange dauern, bis der &#8222;Golden Rice&#8220; 1999 marktreif war. Potrykus emeritierte und scheut seitdem keine Anstrengung um seine Erfindung dorthin zu bringen, wo sie gebraucht wird. <b>Genetischer Bypass.</b> Der Name Golden Rice bezieht sich auf die gelb-orange Färbung des Betakarotins. Vier Gene sind im Reis für seine Produktion notwendig, doch in normalem Reis sind alle &#8222;still gelegt&#8221; und funktionslos. Eine Reaktivierung dieser Gene schien aussichtslos und so entschied man sich, einen &#8222;genetischen Bypass&#8220; zu legen und installierte zwei neue Gene. Eines aus der Narzisse, welches dann durch ein aktiviertes Mais-Gen ersetzt wurde, und eines aus dem ubiquitären Bodenbakterium Erwinia. Damit ist es 2005 gelungen, Sorten zu entwickeln, die bis zu 36 Mikrogramm pro Gramm Betakarotin enthalten &#8211; 20 Mal mehr als in den ersten Golden Rice Varianten von 1999. Und mehr als ausreichend, um damit den Bedarf von Kindern und Erwachsenen in Reis-abhängigen Regionen zu decken. <% image name="Potrykus1" %><p> <small> &#8222;Staatliche Einrichtungen haben sich als inkompetent und unwillig erwiesen, wenn es darum geht, wissenschaftlichen Errungenschaften zu ihrer praktischen Anwendung zu verhelfen.&#8220; </small> So weit, so gut. Doch Potrykus und das Projekt &#8222;Golden Rice&#8220; kämpfen seitdem gegen die Windmühlen nationaler Regulierungsbestimmungen. Dabei wollen sie mit Golden Rice nicht einmal groß Geld verdienen, vielmehr ist das &#8222;Golden Rice&#8220; als humanitäres Projekt angelegt. Es handelt sich dabei um keine nur einmal verwendbare Hybridsaat, die jedes Jahr nachgekauft werden muss. Statt dessen kann ein Teil der Ernte wieder zur Aussaat verwendet werden. Keine Zusatzmittel müssten erstanden werden, an der Art und Weise des herkömmlichen Anbaus würde sich also nichts ändern. Zudem können die Landwirte den Golden Rice selbst weiter züchten, so wie sie es mit den eigenen Landsorten seit jeher tun. <b>&#8222;Open Source Gene&#8220;.</b> Dass Golden Rice de facto verschenkt wird, liegt an der einzigartigen Zusammenarbeit der Forscher mit mehr als 30 Patenthaltern, die sich letztendlich bereit erklärten, insgesamt 72 für die Entwicklung notwendigen Patente freizugeben. Keines der beteiligten Unternehmen plant Golden Rice zu kommerzialisieren. Vom privaten Sektor entwickelte Varianten werden ebenso kostenlos zur Verfügung gestellt. Erst ab einem Jahreseinkommen von über 10.000 $ muss eine Lizenz vom Hauptinvestor Syngenta erworben werden. Unterstützung bekommt das Golden Rice Project sogar von der Gates-Foundation. &#8222;Staatliche Einrichtungen haben sich als inkompetent und unwillig erwiesen, wenn es darum geht, wissenschaftlichen Errungenschaften zu ihrer praktischen Anwendung zu verhelfen&#8220;, seufzt Potrykus. <% image name="Goldenrice" %><p> <small> Wie viel Betakarotin der eigene Reis produziert, sieht man an der Farbe der Körner. Zuviel Betakarotin kann man nicht zu sich nehmen. © goldenrice.org </small> Diese legen dem Golden Rice Project die letzten und größten Hürden in den Weg. Denn für die Freisetzungszulassung muss zuerst nachgewiesen werden, dass einem neuen Konstrukt eine regulativ saubere transgene Insertion vorangegangen ist. Es muss also nachgewiesen werden, dass das neue genetische Material nur einmal ins Wirtsgenom aufgenommen wurde und vieles mehr. Diese Nachweise bedeuten, dass gut 90 % der erfolgreichen Konstrukte wieder entsorgt werden müssen &#8211; darunter oft genug jene, am meisten Betakarotin produzieren. Der Sicherheitstest an Tier und Mensch benötigt bis zu drei (weiteren) Jahren. Deren Sinn mag einleuchten. Die Tatsache, dass die meisten Menschen mit den eingeführten Genen und ihren Produkten schon ihr ganzes Leben in Berührung sind, wird allerdings nicht in die Beurteilung einbezogen. Im Laufe der Tests von Golden Rice verlangten Kritiker sogar, dass der Reis auf bekannte Narzissentoxine untersucht werden sollte. Und damit ist die Liste der erforderlichen Tests noch lange nicht zu Ende. Für Potrykus sind diese Vorsichtsmaßnahmen &#8222;Standards, die Sinn machten, als man sie in den 1970er Jahren einführte&#8220;. Fast 30 Jahre später habe man genug Erfahrung im Umgang mit transgenen Material: Weltweit werden in 21 Ländern 9 Mio ha mit GMO-Pflanzen bewirtschaftet. Statt den herrschenden Auflagen fordert Potrykus ein &#8222;vernünftiges Risikomanagement&#8220;: Seiner Ansicht nach sollten &#8222;die eingeführte Eigenschaften und nicht die dahinterstehende Technologie&#8220; reguliert werden. Und: &#8222;Pathogene Bakterien und transgene Pflanzen lassen sich nicht über den gleichen Kamm scheren.&#8220; <b>Regulierungswut.</b> In den letzten Jahren sind Gentech-Regulierungen weltweit schärfer geworden, wobei die EU hier Vorreiter ist. Diese Regulierungen entwickeln sich immer mehr zu einem Netzwerk kultureller und moralischer Wertvorstellungen, die versuchen, Konsumentenängsten vorwegzugreifen &#8211; mit dem Effekt, dass das mehr an Regulierungen auch Angst vor dem &#8222;Regulierten&#8220; schüren. Außerhalb der EU werden diese Vorschriften über den Handelsweg oder über internationale Abkommen den Schwellenländern aufoktroyiert. So könnten etwa indische Basmatireishersteller, die sich entschließen, Golden Rice zu vertreiben, von ihren Hauptabnehmern in der EU mit Boykott bedroht werden. Dazu übersteigen die &#8222;Deregulationkosten&#8220; die finanziellen Möglichkeiten eines staatlichen Forschungsvorhabens bei weitem. Die Folge davon: Mehr als 200 transgene Pflanzen aus Projekten in den Entwicklungsländern werden wohl nie auf den Markt kommen. Auch die allermeisten privaten Entwickler steigen aus. &#8222;Weltweit können sich die transgene Entwicklung nur 4 Unternehmen leisten&#8220;, sagt Potrykus. &#8222;Mit dem Ruf nach immer weiteren Regulierungen spielen Gentech-Gegner diesen wenigen großen Unternehmen in die Hände.&#8220; Monsanto etwa investiert 10-15 Mio $, um ein Konstrukt durch die Regulationsmechanismen zu bringen, für Golden Rice wird mit 20 Mio $ gerechnet. Dennoch, ein vorläufiges Ende ist für Potrykus 2012 in Sicht: Dann soll Golden Rice &#8211; zumindest auf den Philippinen &#8211; bei den Bauern sein, wenn dort die Deregulierung des Golden Rice abgeschlossen ist. Knapp 30 Jahre nach dem Start des Projekts.

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