Archive - Mär 20, 2008

Phagen besorgen Pigmentsynthese in Cyanobakterien

Cyanobakterien der Gattung Prochlorococcus fangen Licht mittels Chlorophyll. Den roten Farbstoff Phycoerythrobilin, den andere Gattungen dazu brauchen, haben sie nicht nötig. Denn ein Virus, der das Cyanobakterium befällt, besitzt ein Enzym, das den Farbstoff sogar doppelt so effizient herstellen kann wie das Cyanobakterium. Phagen besorgen Pigmentsynthese in Cyanobakterien <% image name="Farblose_Bakterienzellen" %><p> <small>Farblose Bakterienzellen (Escherichia coli) (rechts), in die Cyanophagen-Pigmentbiosynthese-Gene eingebaut sind, färben sich durch die Anhäufung des roten Pigments Phycoerythrobilin rot (links). </small> Cyanobakterien sind kleinste Lebewesen, die in großen Mengen in Gewässern und Meeren vorkommen. Durch ihre Fähigkeit zur Photosynthese tragen sie als Primärproduzenten wesentlich zum Kohlenstoffkreislauf der Erde bei. Die Lichtenergie für die Photosynthese gewinnen sie durch komplexe Lichtsammelstrukturen, die Phycobilisomen. An diesen befinden sich rote und blaue Pigmente. Eine Ausnahme unter den Cyanobakterien ist die Gattung Prochlorococcus. Diese winzigen, in den Ozeanen sehr zahlreichen Cyanobakterien besitzen zur Lichtsammlung keine Phycobilisomen, sondern sammeln das Licht, ähnlich wie höhere Pflanzen, mit einem Chlorophyll-Komplex. Trotzdem besitzen sie Überbleibsel der Phycobilisomen in Form einzelner Phycobilisom-Einheiten, den Phycobiliproteinen. Zusätzlich findet man eine komplette Maschinerie, um die roten und blauen Pigmente herzustellen. <% image name="E_Coli_Bakterien" %><p> <small> Bakterien-Zellen (E. coli) können mit Hilfe der Cyanophagen-Pigmentbiosynthese-Gene fluoreszierende Proteine bilden. Die Zellen leuchten dadurch bei Betrachtung unter einem Fluoreszenzmikroskop. </small> Über die Funktion dieser Überbleibsel kann man derzeit nur spekulieren. Nutzlos können sie aber nicht sein. Zum einen ist das Genom der Bakterien so klein, dass vermutlich kein Ballast mitgeschleppt wird. Zum anderen entdeckten die Biologen um Nicole Frankenberg-Dinkel von der Ruhr-Uni Bochum ein neues Gen, das die Baupläne zur Herstellung des roten Farbstoffes enthält, in einem marinen Virus, das Prochlorococcen infiziert. Dieser Cyanophage trägt ein Gen für die Biosynthese des roten Pigmentes Phycoerythrobilin. Genauere Untersuchungen des von diesem Gen kodierten Proteins ergaben, dass es mehrere Schritte der Pigmentbiosynthese katalysiert, für die in Wirtszellen 2 verschiedene Enzyme benötigt werden. "Das bedeutet, dass der Phage mit der Hälfte des genetischen Materials auskommt", so Frankenberg-Dinkel. Genauere Auswertungen von DNA-Sequenzen aus Umweltproben zeigten, dass das neu entdeckte Gen verbreitet in wilden Phagenpopulationen zu finden ist, nicht jedoch in Wirts-Cyanobakterien. Da Phagen nach der Infektion ihren Wirt möglichst lange am Leben halten müssen, um ihr Erbgut von ihm vervielfältigen zu lassen, nehmen die Forscher an, dass das Enzym für die Wirte von entscheidender Bedeutung sein muss. "Es scheint sich um eine genetische Information zu handeln, die dem Phagen während der Infektion durch effiziente Pigmentbiosynthese einen Vorteil vermittelt", so Frankenberg-Dinkel. "Das wird auch an Expressionsstudien deutlich, die ganz klar zeigen, dass das Gen des Phagen während der Infektion transkribiert, also abgelesen wird." Künftig untersuchen die Forscher das Enzym näher, um seiner evolutionären Entstehung auf den Grund zu gehen und zu klären, wie es funktionieren kann, dass ein Enzym die Funktionen von zweien übernehmen kann. <small> Dammeyer, T., Bagby, S.C., Sullivan, M.B. & Frankenberg-Dinkel, N. (2008): Efficient phage-mediated pigment biosynthesis in oceanic cyanobacteria. Current Biology. </small>

Anti-Aging: Forscher entdecken neuen Insulin-Effekt

Forscher der <a href=http://www.celegans.de>Uni Freiburg</a> und der Harvard Medical School in Boston haben eine bisher unbekannte Funktion des Insulins entdeckt, welche die Alterung und Lebenserwartung beeinflussen kann. Ihre Studie zeigt, dass Insulin über ein Enzym einen der wichtigsten zellulären Stressregulatoren, ein Protein namens SKN-1, in den Zellen blockiert. Anti-Aging: Forscher entdecken neuen Insulin-Effekt <% image name="C_Elegans" %><p> <small> Der nur 1 mm große Fadenwurm C. elegans ist einer der wichtigsten Modellorganismen für die Insulin- und Alterungsforschung. &copy; Ralf Baumeister </small> Im Experiment im Verdauungstrakt des Fadenwurms C. elegans führte die Aktivierung von SKN-1 zur Verlängerung der Lebenserwartung. SKN-1 kontrolliert dabei ein als Phase-2-Detoxifizierung bekanntes genetisches Netzwerk, das Zellen und Gewebe vor oxidativem Stress schützt. Die Forscher um Ralf Baumeister hatten erst vor 4 Jahren ein Gen gefunden, das ein entscheidendes Enzym namens SGK-1 produziert und im Insulinweg für das zelluläre Alterungsprogramms steuert. Zur selben Zeit entdeckten Kollegen in Boston, dass der Stressregulator SKN-1 ebenfalls einen Einfluss auf die Lebenserwartung hat. Die Forscher verglichen daher ihre Daten und forschten gemeinsam weiter. "Obwohl wir bereits seit den 1990er Jahren wissen, dass der Insulinweg eine wichtige Rolle für die Zellalterung vieler Organismen spielt, sind die meisten Details immer noch unbekannt", so Baumeister. Die Forscher gingen bisher stets davon aus, dass das Alterungsprogramm allein über einen einzelnen Genschalter namens FOXO vermittelt wird, den Insulin meist ausgeschaltet hält. <table> <td width="120"></td><td> <u>FOXO</u> ist wichtig für den Stoffwechsel bei Diabetes, für Tumorsuppression und für die Erhaltung von Stammzellen. Darüber hinaus steuert FOXO auch Gene, die an der Stressabwehr beteiligt sind. Reduziert man in C. elegans das Insulinsignal, etwa über Manipulation von SGK-1, so wird dort ebenfalls ein FOXO-Protein namens DAF-16 aktiviert, das wirksam gegen Stress ist und einen Anti-Aging Effekt hervorruft. </td> </table> Die Neuentdeckung ist nun, dass mit SKN-1 ein zweiter Schalter existiert, der unabhängig von FOXO durch Insulin inhibiert wird. "Es genügt, SKN-1 zu aktivieren, und der Wurm lebt länger!" Die Experimente sollen jetzt an Mäusen wiederholt werden, wo Insulin und der Wachstumsfaktor IGF in einem Zusammenhang stehen. <small> Original: Jennifer M.A. Tullet, Maren Hertweck, Jae Hyung An, Joseph Baker, Ji Yun Hwang, Shu Liu, Riva P. Oliveira, Ralf Baumeister, and T. Keith Blackwell in Cell, Volume 132, Issue 6, 21. März 2008 </small>

Rezension: Warum wir essen, was wir essen

Gibt es angeborene Geschmackspräferenzen? Kann man "Bio"-Lebensmittel "schmecken"? Und verändert Stress die sensorische Wahrnehmung? Eva Derndorfer, Ernährungswissenschaftlerin und Studiengangsleiterin an der FH Burgenland, gibt in einem neuen Büchlein Antworten. <table> <td><% image name="Cover_Warum_essen" %></td> <td align="right"> 6 Grundgeschmacksarten unterscheiden wir, nach 2 davon entwickelt der Mensch weltweit bereits pränatal dasselbe Verlangen: Nach Süßem - den "Sicherheitsgeschmack der Evolution" - sowie nach Umami, dessen Geschmackseindruck von Glutamaten hervorgerufen wird. Die beiden angeborenen Eindrücke addiert entspricht die Zusammensetzung der Muttermilch. Verweigert werden indessen von Kleinkindern Bitteres und Saures, gegenüber Salzigem sind sie indifferent, zu Fett lässt sich derzeit noch zu wenig sagen. Erdbeeren oder Äpfel schmecken wir indessen nicht: Wir riechen sie! </table> <b>Supertaster und Gemüsekaspar.</b> Nahrungspräferenzen, so lässt sich nachlesen, sind indessen teilweise auch genetisch bedingt. Bekannt ist, dass die bittere Substanz 6-n-Propyl-2-Thiouracil (PROP) von verschiedenen Menschen unterschiedlich intensiv wahrgenommen wird - entsprechend dieser Fähigkeit lässt sich zwischen Supertaster und Nichtschmecker unterscheiden. Erstere sind gegenüber Süßem, Salzigem und Scharfem extrem empfindlich, mögen indessen bitteres Gemüse weniger gern. Als Ausrede für einen schlechten Ernährungsstil geht die genetische Disposition allerdings nicht durch. Denn: Zum einen sind Effekte der Sozialisierung, also der kulturellen Prägung viel wichtiger. Zum anderen ist Essen auch stark "psychologisch beladen". Generell werden Geschmackspräferenzen gelernt, konditioniert: Durch den "More Exposure Effect" steigen die jeweiligen Vorlieben mit der Zahl der Darreichung entsprechend an - "etwas, das man in Experimenten sogar mit der Stinkfrucht Durion hat nachweisen können", so Derndorfer. Als Gegenspieler zum Effekt der bloßen Darbietung wirkt indessen die spezifisch sensorische Sättigung - ein Gefühl, das bei Kindern und im Alter allerdings weitaus weniger stark ausgeprägt ist. Nur Brot und Kartoffeln sind sättigungsresistent. <b>Komplexes Geschmackserleben.</b> Insgesamt ist das Geschmacksempfinden ein höchst vielschichtiges: Bei Erdbeeren etwa kommen rund 360 Aromastoffe zum Tragen, bei Kaffee sogar 800. Zudem "essen die Augen mit": Ein entsprechend visueller Prototyp entsteht bereits frühkindlich und macht bestimmte Formen, Texturen und Farben "appetitlicher" als andere. Geschmäcker sind aber nicht nur verschieden und streitbar, sie ändern sich auch mit der Zeit. Mehr noch: Bei Stresssituationen verschlechtert sich das Geruchsempfinden stark, mentaler Stress verschlechtert den Grundgeschmackssinn allgemein. Frauen essen bei Stress übrigens in der Regel deutlich ungesünder. Als "problematisch" bezeichnet Derndorfer den Nachweis, dass "Bio-Lebensmittel" tatsächlich anders schmecken: "Der Bio-Effekt ist alleine durch die Kennzeichnung schon sehr verschwommen; um ihn zu messen, müssten weiters genaue Reifegrade, exakt definierte Arten, mehrjährige Konstanzen sowie die Bodencharakterisierungen untersucht werden, um einen Unterschied zwischen konventionellem und Bio-Anbau ausmachen zu können." Wie auch immer: Gekauft werden die "Bio"-Lebensmittel in Österreich ohnehin vorrangig aus der Einbildung heraus, damit "gesünder" zu leben. Primär wird das Leben dadurch teurer, doch das steht in einem anderen Büchlein. <small>Eva Derndorfer: Warum wir essen, was wir essen. Eine Entdeckungsreise zum persönlichen Geschmack. Hubert Krenn Verlag, 144 Seiten, 16,90 €. </small> Rezension: Warum wir essen, was wir essen