Archive - 2020

February 12th

EU-Parlament gegen Blei in PVC

Nach dem Umweltausschuss lehnte nun auch das Plenum des Parlaments einen Vorschlag der EU-Kommission bezüglich der Einführung von Obergrenzen ab.

 

Das Votum war unmissverständlich: Mit 394 gegen 241 Stimmen bei 13 Enthaltungen verwarf das Plenum des EU-Parlaments am 12. Februar einen Vorschlag der Kommission bezüglich des Bleigehalts von PVC. Dieser sah vor, die zulässige Konzentration von Blei und Bleilegierungen in PVC-Erzeugnissen auf 0,1 Prozent des PVC-Gewichts zu begrenzen. In recyceltem Hart-PVC sollte der Bleigehalt zwei Prozent erreichen dürfen, in recyceltem Weich-PVC ein Prozent. Den Parlamentariern zufolge lief der Vorschlag der Kommission dem Chemikalienmanagementsystem REACH entgegen. Sie erinnerten daran, Blei sei ein Giftstoff, der die menschliche Gesundheit schwer beeinträchtigen könne. Bereits bei geringen Dosierungen seien etwa Schädigungen des Nervensystems möglich. Die von der Kommission vorgeschlagenen Gewichtsanteile seien nicht unbedenklich. Außerdem gebe es Alternativen.

 

Mit seinem Votum folgte das Plenum dem Umweltausschuss des Parlaments. Dieser hatte den Vorschlag der Kommission bereits am 21. Jänner verworfen. Dessen Mitglieder argumentierten ähnlich wie nun das Plenum. Sie konstatierten ferner, Recycling dürfe keine Rechtfertigung für die Verwendung gefährlicher Stoffe sein. Im Zweifelsfall gehe die Gesundheitsvorsorge vor dem Recycling.

 

Bereits seit dem Jahr 2015 darf in der Europäischen Union hergestelltes PVC kein Blei und keine Bleilegierungen mehr enthalten. Dazu hat sich die europäische Chemieindustrie selbst verpflichtet. Für Material, das aus Drittstaaten importiert wird, gilt das allerdings nicht.

 

Am Zug ist nun neuerlich die Kommission. Sie kann dem Parlament einen abgeänderten Vorschlag oder eine völlig neue Regelung präsentieren.

 

 

 

February 6th

OMV evaluiert CO2-Speicherung

In einer großen Gesteinsformation im Nordosten Österreichs könnte das Treibhausgas verfestigt und damit über geologische Zeiträume hinweg gelagert werden.

 

Die OMV evaluiert Möglichkeiten zur unterirdischen (End-)Lagerung von CO2 aus Kraftwerksabgasen (Carbon Capture and Storage, CCS). Das berichtete der zuständige Vorstand des Unternehmens, Johann Pleininger, am Rande der Bilanzpressekonferenz der OMV am 6. Februar. Möglichkeiten dazu sieht sie nicht zuletzt im Aderklaar Konglomerat, einer großen Gesteinsformation in etwa 3.000 bis 3.500 Metern Tiefe im Weinviertel und im Wiener Becken. Der Vorteil bestünde laut Pleininger darin, dass sich das Klimagas dort verfestigen würde und somit gewissermaßen über geologische Zeiträume hinweg quasi „endgelagert“ werden könnte. Allerdings fehlen in Österreich die gesetzlichen Grundlagen für kommerzielle CCS-Projekte. Zulässig sind zurzeit nur Pilotvorhaben. Pleininger verwies indessen darauf, dass die Europäische Union in ihrem „Green Deal“ CCS als eine wesentliche Technologie für die Bekämpfung des Klimawandels ansieht.

 

Die OMV emittiert pro Jahr rund 2,8 Millionen Tonnen CO2 und ist damit einer der bedeutendsten Erzeuger von Treibhausgasen in Österreich. Sie setzt bei der Verminderung dieser Emissionen derzeit vor allem darauf, Erdöl als Kraftstoff durch Erdgas zu ersetzen. Auch die Vermeidung des „Abfackelns“ (Flaring) von Erdgas, das bei der Erdölförderung zutage tritt, gehört zu ihren diesbezüglichen Initiativen. Pleiniger zufolge gelang es dem Unternehmen, seinen „CO2-Footprint“ im Bereich der Förderung von Kohlenwasserstoffen in den vergangenen zehn Jahren um rund 25 Prozent zu vermindern. Bis 2030 ist eine weitere Halbierung geplant. Diese soll zu etwa zehn bis 20 Prozent durch technische Maßnahmen erfolgen. Die übrigen 80 Prozent möchte die OMV laut Pleininger durch „Veränderungen des Portfolios“ darstellen. Als Beispiel nannte er den Verkauf von unternehmenseigenen Erdölfeldern in Kasachstan. Werde in Österreich CCS rechtlich zugelassen, könne die OMV ihren „Carbon Footprint“ möglicherweise auch um mehr als 50 Prozent verringern. Dazu bedürfe es allerdings staatlicher Unterstützung. Norwegen habe einen diesbezüglichen Fonds eingerichtet: „Das wäre eventuell auch für Österreich eine Idee.“

 

OMV-Generaldiraktor Rainer Seele betonte bei der Bilanzpressekonferenz, die Industrie sei keineswegs ein Gegner der Klimapolitik. Im Gegenteil zeige nicht zuletzt sein Unternehmen beträchtliches Engagement zur Eindämmung des Klimawandels und seiner Auswirkungen. Dies werde auch international gewürdigt. Als einziges österreichisches Unternehmen sei die OMV bereits zum zweiten Mal in den Dow-Jones-Sustainability-Index aufgenommen worden.

 

February 4th

Screening-Komitee zur Krebs-Früherkennung kommt

Den Auftrag erteilte Gesundheitsminister Rudolf Anschober am Weltkrebstag. Dem Minister zufolge müssen innovative Arzneien grundsätzlich allen Betroffenen offenstehen. Laut dem Pharamindustrieverband Pharmig wird gerade auch in Österreich intensiv an neuen Wirkstoffen geforscht.

 

Das Gesundheitsministerium wird ein Screening-Komitee zur Früherkennung von Krebs einrichten. Den Auftrag dazu habe er am Weltkrebstag, dem 4. Februar, erteilt, berichtete Gesundheitsminister Rudolf Anschober bei einer Pressekonferenz im auf Kinderkrebsforschung spezialisieren St.-Anna-Kinderspital in Wien. Das Komitee soll im Wesentlichen die bestehenden Früherkennungsprogramme bewerten und Empfehlungen für deren Weiterentwicklung sowie für neue Programme ausarbeiten. Die Details hinsichtlich seiner Zusammensetzung und seiner Arbeitsweise werden in den kommenden Wochen geklärt, erläuterte Anschober auf Anfrage des Chemiereports. Klar sei aber, dass die Tätigkeit des Komitees sowie die Empfehlungen „transparent und nachvollziehbar“ gestaltet würden.

 

Der Präsident der Österreichischen Kinderkrebshilfe, Paul Sevelda, ergänzte, neue Mittel gegen Krebserkrankungen seien oft teuer, aber auch erheblich wirksamer als frühere Präparate. Österreich werde die Kosten für neue Medikamente auch in Hinkunft übernehmen, „oder, Herr Minister?“ Der solcherart angesprochene Anschober konstatierte, das Gesundheitsministerium stehe an der Seite der Betroffenen. Grundsätzlich müsse der Zugriff auf innovative Therapien allen Personen offenstehen, die diese benötigen. Freilich gelte es indessen, auch die Fragen der Kostenentwicklung und der Versorgungssicherheit zu beachten.

 

Hinsichtlich der Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln im Allgemeinen steht in Kürze eine Entscheidung bezüglich des Verbots des Parallelhandels an, berichtete Anschober. Die Europäische Union habe zu den diesbezüglichen Plänen Österreichs noch nicht Stellung genommen. Mit der Entscheidung werde es aber „relativ rasch gehen müssen“.

 

Der Pharmaindustrieverband Pharmig verwies anlässlich des Weltkrebstages auf die diesbezüglichen Aktivitäten der Branche. Etwa 45,3 Prozent aller 2018 in Österreich durchgeführten industriegesponserten Wirkstoffstudien betrafen laut Pharmig die Onkologie. Und das komme nicht von Ungefähr: In den vergangenen Jahren sei die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen an unterschiedlichen Krebsarten von etwa 36.500 auf 41.000 angewachsen. „Die Krebsforschung in Österreich ist nicht zu unterschätzen, gleichzeitig gibt es hier noch sehr viel Luft nach oben. Je mehr Forschungsprojekte in Österreich realisiert werden, umso besser ist das für die Versorgung von Krebspatienten. In diesem Sinne begrüßen wir das Bekenntnis zur Stärkung der Forschung, das im Regierungsprogramm abgegeben wird“, betonte Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog. Notwendig seien in diesem Zusammenhang „mehr entsprechend ausgebildete Fachkräfte, eine vereinfachte Administration sowie eine stärkere Vernetzung zwischen Spitälern und Krankenhausträgern, um für klinische Forschungsprojekte Synergien zu schaffen“.

 

 

 

 

February 3rd

CO2-Valorisierung: CEFIC fordert klare Rahmenbedingungen

Die chemische Aufwertung von Kohlendioxid brächte manche Vorteile mit sich. Sie hat jedoch auch einige politische sowie regulatorische Voraussetzungen, betont der europäische Chemieindustrieverband.

 

 

Ein Positionspapier zur chemischen Aufwertung (Valorisierung) von CO2 erstellte der europäische Chemieindustrieverband CEFIC. Wie es darin heißt, bieten entsprechende Technologien die Möglichkeit, die Umweltauswirkungen der Branche zu verringern, alternative Kohlenstoffquellen für Produktionsprozesse zu nutzen und so den Kohlenstoffkreislauf (Carbon Circularity) zu verbessern. Allerdings ist dafür laut CEFIC eine Reihe von Voraussetzungen notwendig.


Zunächst einmal gilt es, die unterschiedlichen Technologien zur CO2-Nutzung terminologisch eindeutig voneinander abzugrenzen. Weiters muss geklärt werden, wie die Umweltauswirkungen der CO2-Valorisierung zu bestimmen sind. Ferner fordert CEFIC Rahmenbedingungen, die die Nutzung von CO2 als umweltverträglicher Kohlenstoffquelle unterstützen. Überdies müssen allfällige Risiken für Investoren abgefedert werden. Und schließlich ruft CEFIC die EU sowie deren Mitgliedsstaaten auf, die Forschung und Entwicklung einschlägiger Technologien zu unterstützen.

 

Laut dem Positionspapier arbeiten die Unternehmen der Chemieindustrie an Werkstoffen sowie Prozessen, die die effiziente Abscheidung und Aufreinigung von CO2 aus unterschiedlichen Quellen ermöglichen. Auch befassen sie sich mit der Erzeugung von Chemikalien und Polymeren mit einem niedrigen CO2-Fußabdruck. In Entwicklung befinden sich ferner Verfahren zur möglichst klimaverträglichen Herstellung von Wasserstoff, der zur CO2-Valorisierung benötigt wird. Darüber hinaus beschäftigt sich die Branche auch mit sogenannten Power-t-X-Technologien. Dabei wird Wasser mit Strom aus erneuerbaren Energien in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten. Der Wasserstoff kann so zur Stromspeicherung genutzt werden. Weiters arbeitet die Chemieindustrie an neuartigen Kraftstoffen, die einen geringeren „CO2-Fußabdruck“ aufweisen als die derzeitigen. Sie könnten beispielsweise in der Luftfahrt Verwendung finden.

 

Das Positionspapier steht auf der CEFIC-Website zur Verfügung.
 

 

January 29th

EU-Industriepolitik: Die Richtung stimmt

An Herausforderungen ist laut einer neuen Studie des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche kein Mangel. Allerdings lassen sich diese durchaus bewältigen.

 

Für die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten ist es nicht leicht, die Industrie (weiter) zu stärken. Aber grundsätzlich stimmt die Richtung. Das ist die Kernaussage der kürzlich erschienenen Studie „The European Union’s Industrial Policy: What are the Main Challenges?“ des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW). Die Autoren, Michael Landesmann und Roman Stöllinger, sehen vor allem vier Herausforderungen.

 

Die erste davon ist die technologische Innovation. Hier sollte die EU auf ihre quasi „ererbten“ Stärken setzen, das heißt, auf die vorhandenen industriellen und technischen Strukturen sowie auf das Humankapital. Eine weitere Herausforderung sind die „Emerging Markets“, die rasant aufholen. Ihnen gegenüber müssen die EU und ihre Mitgliedsstaaten auf eine wohlausgewogene Strategie setzen, die Elemente des Wettbewerbs mit solchen der Zusammenarbeit verbindet. Drittens gilt es, strukturschwache Regionen innerhalb Europas nicht (weiter) zurückfallen zu lassen. Die vierte Herausforderung besteht in der Klimapolitik. Diese bietet einerseits Chancen zur Entwicklung neuer Technologien und somit zur immer wieder propagierten Verbindung zwischen Ökonomie und Ökologie. Andererseits verursacht sie kurzfristig Kosten für die Unternehmen und damit Wettbewerbsnachteile. Landesmann und Stöllinger zufolge empfiehlt es sich indessen gerade in diesem Bereich, vorne mit dabei zu sein, um die Vorteile des „First Mover“ nutzen zu können. Denn die Konkurrenz in Asien, insbesondere in China und Südkorea, hole auf, und das alles andere als langsam.

 

Grundsätzlich halten die beiden Ökonomen den „Mission-orientierten“ industriepolitischen Ansatz der EU für richtig und sinnvoll. Sie raten allerdings, auf die Devise „Lieber weniger, aber dafür besser“ zu setzen: Die EU und ihre Mitglieder sollten nicht mehr als drei bis vier „Missionen“ gleichzeitig bearbeiten. Das Kunststück bestehe freilich darin, die richtigen „Missionen“ zu identifizieren.

 

Kritisch betrachten Landesmann und Stöllinger die Ankündigung Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyens, im Rahmen ihres „Green Deal“ innerhalb der kommenden zehn Jahre insgesamt 1.000 Milliarden Euro für unterschiedliche Vorhaben bereitstellen zu wollen. Ihnen zufolge dürften davon nur rund 7,5 Milliarden Euro an neuen, also nicht ohnehin bereits vorgesehenen, Mitteln zustande kommen. Und dieses Geld fließe vornehmlich in den sogenannten Just Transition Fund, mit dem der Ausstieg Polens aus der Kohleindustrie inklusive Kohleverstromung subventioniert werden soll.

 

 

Die Studie steht auf der Website des WIIW kostenlos zur Verfügung.

 

 

Novartis mit Umsatzwachstum

CEO Vasant Narasimhan sieht den Schweizer Pharmakonzern „einzigartig posititioniert“

 

Der Schweizer Pharmakonzern Novartis erwirtschaftete 2019 einen Umsatz von rund 47,44 Milliarden US-Dollar, um sechs Prozent mehr als 2018. Das operative Ergebnis wuchs um acht Prozent auf 9,08 Milliarden US-Dollar. Indessen verringerte sich der Reingewinn um 44 Prozent auf 7,14 Milliarden US-Dollar. Novartis begründet dies damit, dass 2018 im Reingewinn Erlöse von rund 5,7 Milliarden US-Dollar enthalten waren. Sie entstammten dem Verkauf der Beteiligung von Novartis an einem Gemeinschaftsunternehmen mit GlaxoSmithKline (GSK) im Bereich Consumer Health Care.

 

Novartis-CEO Vasant („Vas“) Narasimhan sprach von einem „außergewöhnlichen Jahr 2019“ und lobte seine Strategie über den grünen Klee: Der Konzern habe 2019 „fünf beispiellose neue Wirkstoffe eingeführt und eine Vielfalt an frühen Entwicklungsprogrammen in unserer Pipeline vorangetrieben, die auf bedeutende unerfüllte medizinische Bedürfnisse zugeschnitten sind. Mit Blick auf die Zukunft rechnen wir damit, unser langfristiges Wachstum und unsere langfristigen Margensteigerungen aufrechtzuerhalten – gestützt auf unsere Wachstumstreiber im Markt sowie auf 15 bedeutende Markteinführungen, die gerade im Gange sind oder noch bevorstehen. Gleichzeitig werden wir unsere reichhaltige Pipeline weiter voranbringen“. Insgesamt sei Novartis „mit seiner Größe und Diversifikation über verschiedenste Therapiegebiete nun einzigartig positioniert“.

 

Für das laufende Geschäftsjahr erwartet Narasimhan ein Wachstum des Nettoumsatzes „im mittleren bis hohen einstelligen Prozentbereich“. Das operative Kernergebnis wiederum soll „im hohen einstelligen bis niedrigen zweistelligen Prozentbereich“ zulegen.

January 28th

Wacker meldet 630 Millionen Euro Jahresverlust

Gesunkene Preise für Solarsilizium und Standardsilikone zwangen den Münchner Chemiekonzern zu außerordentlichen Abschreibungen von 760 Millionen Euro.

 

Nach vorläufigen Berechnungen erwirtschaftete der Münchner Chemiekonzern Wacker 2019 einen Verlust von 630 Millionen Euro. Der Umsatz blieb mit 4,93 Milliarden Euro in etwa stabil (2018: 4,98 Milliarden Euro). Das EBITDA sank um 16 Prozent auf 780 Millionen Euro. Das EBIT liegt bei -540 Millionen Euro, verglichen mit +390 Millionen Euro im Jahr 2018.

 

Wacker begründet dieses Resultat vor allem mit den gesunkenen Preisen für Solarsilizium sowie für Standardsilikone. Wie Anfang Dezember gemeldet, zwangen sie den Konzern zu einer außerplanmäßigen Abschreibung seiner Fabriken für Polysilizium von 760 Millionen Euro. Als weiteren Grund für die Verluste führt Wacker „die stark gestiegenen Stromkosten in Deutschland“ ins Treffen.

 

Wie der Konzern betont, sind diese Zahlen noch nicht endgültig. Seinen Bericht zum Geschäftsjahr 2019 veröffentlicht er am 17. März.

 

January 27th

Allergan verkauft Brazikumab

Mit der Abgabe des Mittels setzt das Unternehmen einen weiteren Schritt zu seiner Übernahme durch Abbvie. Erworben wird Brazikumab vom „logischen Käufer“ AstraZeneca.

 

Das US-amerikanische Pharmaunternehmen Allergan verkauft das in Entwicklung befindliche Arzneimittel Brazikumab an AstraZeneca. Ferner veräußert es Zenpep, ein Medikament gegen exokrine Pankreasinsuffizienz sowie Viokace, ein Mittel gegen ähnliche Störungen, an den Schweizer Nestlé-Konzern. Die Transaktionen stehen im Zusammenhang mit der geplanten Übernahme von Allergan durch den US-amerikanischen Pharmakonzern Abbvie. Sie wurde kürzlich von der Europäischen Kommission genehmigt, allerdings unter der Auflage, Brazikumab abzustoßen. Das Medikament ist ein IL-23-Hemmer zur Behandlung der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), also Colitis ulcerosa und Morbus Crohn. Allergan-Chef Brent Saunders sprach von einem „weiteren Schritt zum Erwerb von Allergan durch Abbvie. Der Verkauf von Brazikumab und Zenpep erlaubt uns, an der geplanten Übernahme weiterzuarbeiten“. Ähnlich äußerte sich Abbvie-Chef Richard A. Gonzalez. Ihm zufolge bedeuten die Verkaufsverträge „einen wesentlichen Fortschritt zu unserer Übernahme von Allergan“.

 

AstraZeneca ist gewissermaßen der „logische“ Käufer“ von Brazikumab. Das Unternehmen hatte mit Allergan ein Lizenzabkommen zur Entwicklung des Wirkstoffs geschlossen, das nun gekündigt wird. Brazikumab durchläuft zurzeit eine klinische Phase-III-Studie hinsichtlich Morbus Crohn und eine Phase-II-Studie bezüglich Colitis ulcerosa. Zahlungen in diesem Zusammenhang erhält auch der US-Pharmakonzern Amgen, mit dem AstraZeneca im Jahr 2012 bezüglich Brazikumab (vormals MEDI2070) zusammenarbeitete und der den Wirkstoff ursprünglich entwickelt hatte. Die nun fällig werdenden Abgeltungen belaufen sich laut AstraZeneca auf einen hohen einstelligen bzw. niedrigen zweistelligen Millionen-Dollar-Betrag.

 

Nestlé beabsichtigt, mit dem Kauf von Zenpep nach eigenen Angaben seinen Geschäftsbereich Medical Nutrition „zu erweitern und das Portfolio an therapeutischen Produkten zu ergänzen“. Das Mittel wird in den USA vertrieben. Es eignet sich für „Menschen, deren Bauchspeicheldrüse unzureichend Enzyme produziert, um Fett, Proteine und Kohlenhydrate aufzuspalten“. Nach Angaben von Nestlé belief sich der Umsatz mit Zenpep im Jahr 2018 auf rund 237 Millionen US-Dollar (etwa 215 Millionen Euro). Den Kaufpreis sowie sonstige finanzielle Details nannte Nestlé nicht.

 

 

January 15th

Spatenstich in Tulln

Am 9. Jänner setzten das Land Niederösterreich und seine Wirtschaftsagentur ecoplus mit dem Spatenstich für die vierte Ausbaustufe des TFZ Tulln den nächsten Schritt zur Entwicklung dieses schon heute gut sichtbaren Biotechnologie-Standorts.

Auf dem Podium des Festzelts, das anlässlich des Spatenstichs zum weiteren Ausbau des Technologie- und Forschungszentrums (TFZ) Tulln aufgebaut war, herrschte joviale Stimmung: Die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, die ecoplus-Geschäftsführer Helmut Miernicki und Jochen Danninger (der designierter Nachfolger von Petra Bohuslav als Wirtschaftslandesrat ist), Tullns Bürgermeister Peter Eisenschenk, Alexander Pretsch (Gründer und CSO des Startup-Unternehmens Oxford Antibiotic Group) – sie alle kennen einander gut und arbeiten seit langem zusammen. In einer solchen Atmosphäre kommen auch Anekdoten leichter über die Lippen: Sie habe Pretsch auch schon an seinem Arbeitsplatz an der Universität Oxford besucht, so Mikl-Leitner, das sei sehr beengt gewesen, gar kein Vergleich zu den Räumlichkeiten, die nun am TFZ Tulln geplant sind.

13 Millionen Euro investiert das Land hier in eine Hochtechnologie-Spezialimmobilie, der Europäische Fonds für regionale Entwicklung kofinanziert das Vorhaben. Es ist die vierte Ausbaustufe des Technologie- und Forschungszentrums Tulln, mit der die vorhandenen Kapazitäten von derzeit rund 5.000 auf 8.000 Quadratmeter vermietbare Fläche erhöht werden. In den drei bestehenden Gebäuden sind heute 18 Unternehmen mit rund 180 Mitarbeitern angesiedelt, die Mieterstruktur spiegelt die Schwerpunkte des von der ecoplus gemanagten Technopols Tulln wider, der auf biobasierte Technologien im Bereich Prozesstechnik, Agrarbiotechnologie, Lebens- und Futtermittelsicherheit fokussiert ist: Die Erber-Gruppe mit ihren Unternehmen Biomin und Romer Labs, das Cellulosechemie-Startup Acticell oder die Eurrus Biotech GmbH, die einen neuartigen Asthma-Impfstoff entwickelt, sind nur einige der hier angesiedelten Firmen.

 

Familiär und kompetent

Die Oxford Antibiotic Group ist heute noch im nahegelegenen Universitäts- und Forschungszentrum Tulln (UFT) eingemietet. Gründer Alexander Pretsch hatte 2016 nach der operativen Schließung seines früheren, ebenfalls in Tulln angesiedelten Unternehmens Sealife Pharma in Oxford angedockt und beschäftigte sich dort mit Medizinalchemie. Aus seiner Zusammenarbeit mit Mark Moloney vom Chemie-Department der Uni Oxford erwuchsen die Ideen, die zur Gründung der Oxford Antibiotic Group führten und mit denen in der Natur vorkommende Molekülstrukturen abgewandelt und für den pharmazeutischen Einsatz optimiert werden sollen – insbesondere, um dem drängenden Problem Antiobiotika-resistenter Bakterien zu begegnen. Gegründet wurde das Unternehmen trotz der wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit Oxford in Tulln. Man finde hier optimale Rahmenbedingungen für die Wirkstoffentwicklung vor und könne Synergien mit der hier vorhandenen Mikrobiologie-Kompetenz nutzen, wie Pretsch betonte.  Und dazu komme ein weiterer Faktor: „Hier gibt es wesentlich familiärere Strukturen als an einer englischen Elite-Universität“, so Pretsch.

Das hörte die anwesende Politik gerne. „Durch das TFZ hat Tulln eine völlig neue Perspektive in einem intelligenten Wirtschaftssegment bekommen“, freute sich etwa Bürgermeister Eisenschenk. Miernicki und Danninger wiesen darauf hin, dass die ecoplus mit dem Technopol-Programm und der Errichtung des TFZ wesentlich zur Entwicklung eines attraktiven Innovationsstandorts beitragen konnte, der heute mehr als 1.000 Forschungs- und Technologie-orientierte Arbeitsplätze umfasse. Nicht zuletzt soll hier auch die physische Version des virtuell schon existierenden „Haus der Digitalisierung“ entstehen, das vom Land Niederösterreich vorangetrieben wird, wie die Landeshauptfrau betonte.

Im Gespräch mit dem Chemiereport unterstrich Pretsch die Bedeutung, die die am TFZ bald zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten für weitere Entwicklung der Oxford Antibiotoic Group haben: „Unser Team besteht heute bereits aus sieben Leuten, bald könnten es 17 bis 20 sein. In den bisherigen Räumen können wir uns nicht weiterentwickeln.“ Zu diesem Wachstumsplänen haben auch Forschungs- und Syntheseaufträge von zwei englischen Firmen beigetragen, mit denen man die eigenen Entwicklungsprojekte finanzieren könne. Noch in diesem Jahr will das Unternehmen in das dann fertiggestellte vierte TFZ-Gebäude übersiedeln.

 

 

January 14th

Positive Punkte, aber unklare Finanzierung

Die Österreichische Ärztekammer kann dem Regierungsprogramm mancherlei abgewinnen. Woran es ihr zufolge hapert, ist ein klares Bekenntnis zum notwendigen Geld für das Gesundheitssystem.

 

Euphorisch beurteilt Thomas Szekeres, der Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), das Programm der kurz-grünen Bundesregierung eher nicht: „Dass das Kapitel ‚Gesundheit‘ nur sieben Seiten umfasst, lässt hoffentlich keine Rückschlüsse auf den Stellenwert zu, den die neue Regierung dem Thema Gesundheit, Gesundheitspolitik und Gesundheitsversorgung beimisst“. Außerdem erstaunt Österreichs obersten Ärztevertreter, „dass das angesichts der involvierten Milliardensummen große Thema Sozialversicherung mit nur anderthalb Sätzen gestreift wird“. Szekeres will die Entwicklung des per 1. Jänner umgekrempelten Krankenkassen- und Sozialversicherungsbereichs jedenfalls „genauestens beobachten“.

Allerdings enthält das Programm ihm zufolge auch „viele Punkte, die optimistisch stimmen“. Als Beispiel nennt Szekeres das Bekenntnis der Regierung zur Selbstverwaltung sowie die angekündigten Anreizsysteme für die Teilnahme an Präventionsprogrammen wie Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen: „Jeder Euro, der in die Prävention fließt, erspart ein Vielfaches an Folgekosten.“

 

Zentral sei allerdings, wie viel Geld für das Gesundheitssystem in den kommenden Jahren zur Verfügung stehe. Und dazu sage die Regierung in ihrem Programm leider nichts. Szekeres: „Geld ist die Grundvoraussetzung. Wir haben schon oft betont, dass es mehr Geld im Gesundheitssystem brauchen wird, um den Herausforderungen der Zukunft angemessen und unserem in Österreich gewohnt hohen Standard entsprechend begegnen zu können.“ Im Vergleich zur Entwicklung des BIP stagnierten die Gesundheitsausgaben „ohnehin schon lange genug, durch die Zeit des Überganges ist der Investitionsdruck sicher nicht kleiner geworden. Wir dürfen unsere Messlatte, die im Bereich unserer Nachbarländer Deutschland und Schweiz liegt, nicht aus den Augen verlieren“.

 

Nach wie vor keine wirkliche Freude hat die ÖÄK übrigens mit der Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA), die noch unter dem seinerzeitigen Gesundheitsminister Alois Stöger eingeführt wurde. Harald Mayer, ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte, beschreibt die Misere so: „Wenn es eine Minute dauert, bis die Patientenakte geladen wird, die dann auch nicht vollständig ist, dann hilft mir die elektronische Patientenakte in meiner täglichen Arbeit nicht viel weiter. Wir befürworten eine digitale Patientenakte, aber bitte eine benutzerfreundliche, schnelle und strukturierte.“

 

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