Der Fachverband der chemischen Industrie hat in seinem Jahrespressegespräch die Folgen der dramatischen Konjunkturentwicklung auf die Branche beleuchtet. Grundtenor: die Krise wurde nicht von der Industrie verursacht, sie ist vielmehr eine Folge der von den Banken ausgelösten Kreditklemme.<% image name="FCIO_Untersperger_Eickhoff" %>
<small>FCIO-Obmann Peter Untersperger und FCIO-Geschäftsführer Wolfgang Eickhoff sprachen über die differenzierte Lage der Branche angesichts der konjunkturellen Einbrüche. (c) FCIO</small>
Peter Untersperger, der Obmann, und Wolfgang Eickhoff, der Geschäftsführer des Fachverbands der chemischen Industrie Österreichs konnten nicht umhin, die jüngst kolportierten Zahlen zu kommentieren: erst letzte Woche hatten das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und das Institut für Höherer Studien (IHS) ihre Konjunkturprognose für 2009 nach unten revidiert und gehen nun von einem Rückgang des BIP von rund 2 % aus.
Angesichts derartig drastischer Einbrüche gab Untersperger zu bedenken, dass man derzeit auch noch mit einer hohen Latte vergleiche: im Jänner 2008 konnte die chemische Industrie in Österreich noch Rekordauftragseingänge verbuchen. Angesichts dessen sei mit einem leichten Abschwung zu rechnen gewesen. Dass dieser allerdings derartig dramatische Ausmaße angenommen habe, komme nicht aus der Industrie selbst. Ursache dafür sie vielmehr der Schockzustand im Interbankenhandel, der sich nach der Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers eingestellt habe. Aus diesem Grund sei das derzeitige Tief noch deutlich stärker ausgefallen als jenes von 1993.
Die Zahlen der chemischen Industrie für 2008 spiegeln diese starken Bewegungen in der gesamtwirtschaftlichen Situation wider: Im ersten Halbjahr konnte die Produktion noch um 9 % gesteigert werden, die Zahl der Beschäftigten erreichte mit 44.176 einen Rekordwert. Durch die Abwärtsbewegung im zweiten Halbjahr, vor allem ab November 2008, reduzierte sich das Produktionswachstum im Gesamtjahr bereits auf 5,7 %. Noch düsterer fällt die Prognose der chemischen Industrie für 2009 aus: man rechnet damit, dass die Produktion um 10 % zurückgeht.
<b>Kunststoffsparte am stärksten betroffen</b>
Nicht alle Teilbereiche der chemischen Industrie sind gleich stark von diesen Entwicklungen betroffen. Am besten geht es der weitgehend konjunkturunabhängigen Pharmaindustrie, auch für Betriebe, die in Konsumenten-nahe Bereiche wie Lebensmittel oder Kosmetik liefern, ist die Situation relativ gut. Am stärksten betroffen ist der Kunststoffbereich, wo viele Unternehmen an die Bau- oder die Automobilindustrie liefern. Die Zahlen für November 2008 zeigen die Unterschiede besonders deutlich: Während der Pharmabereich um 20 % zulegen konnte, brach der Kunststoffbereich in diesem Monat um 37 % ein. Da es sich um eine weltweite Krise handelt, ist auch der Export – Wachstumsmotor der vorangegangenen Jahre – eingebrochen.
Nach wie vor schwierig ist die Finanzierungssituation. Geld zu bekommen ist nach Aussage Unterspergers teuer geworden. 72 % der Chemieunternehmen würden dementsprechend angeben, Investitionen derzeit aufzuschieben. Untersperger regte angesichts dieses Szenarios in Richtung Politik an, garantierte Industriefinanzierungen zu schaffen. Er fürchtete, dass zögerliches handeln für einige Betriebe zu spät kommen könnte.
Sehr unsicher seien derzeit auch die Prognosen der weiteren Geschäftsentwicklung. Man rechne beispielswiese damit, dass in der chemischen Industrie in Österreich Im laufenden Jahr rund 2000 Arbeitsplätze verloren gingen. Möglichweise werde man den Effekt erst im 4. Quartal 2009 spüren, wenn die jetzt vereinbarten Kurzarbeitsmodelle nicht mehr griffen. Da das dramatische Ausmaß der Krise nicht aus der Industrie selbst komme, falle es nach Untersperger aber leichter, auch wieder leise Anzeichen einer mittelfristigen Verbesserung der derzeitigen Lage zu sehen.
Die chemische Industrie in Zeiten des Konjunktureinbruchs