Archive - Aug 9, 2013

Baxter: „Große Erwartungen“ an Gesundheitsreform

 

Der Pharmakonzern Baxter hat große Erwartungen hinsichtlich der Reform des österreichischen Gesundheitssystems, sagte der Vorstand des Unternehmens, Andreas Kronberger, heute vor Journalisten in Wien: „Grundsätzlich stimmt die Richtung.“ Immerhin werde seit den 1960er Jahren über die Reform diskutiert. Es bestehe nunmehr die Möglichkeit, „etwas Vernünftiges zustandezubringen.“ So könnten die vorgesehene Stärkung des niedergelassenen Bereiches sowie die bessere Abstimmung zwischen den Hausärzten und den Spitälern „zu einer Optimierung der Versorgung und zur intelligenten Kostendämpfung durch innovative Lösungen beitragen.“ Als Beispiel nannte Kronberger die Heimdialysen, die „von vielen Patienten selbständig durcheführt werden“ könnten. In Österreich liege deren Anteil an der Gesamtzahl der Dialysen bei rund zehn Prozent, in anderen Ländern belaufe er sich auf über 30 Prozent: „Werte in dieser Größenordnung sollten auch wir anstreben.“ 

Freilich gebe es im Rahmen der Reform eine Vielzahl von Problemem zu lösen. So verfüge Österreich im internationalen Vergleich über eine sehr hohe Zahl an Akutbetten: „Wir sollten uns überlegen, wie viele Akutbetten wir wirklich brauchen.“ Grundsätzlich müsse stets die Verbesserung der Lage der Patienten im Mittelpunkt der Reform stehen. Vom Chemiereport gefragt, ob die Pharmaindustrie in die Verhandlungen über die Reform ausreichend eingebunden worden sei, sagte Kronberger: „Das war leider nicht der Fall.“ Die Branche habe immer wieder versucht, sich als Anbieter von Lösungen sowie als Know-how-Träger ins Spiel zu bringen – allerdings ohne Erfolg: „Es ist schade, dass die Politik auf unsere Expertise verzichtet.“

 

Spitzenplatz in Gefahr

Kritik übte Kronberger an der Bildungspolitik der Regierung. Diese müsse dringend Initiativen setzen, um dem nachlassenden Interesse an naturwissenschaftlichen Fächern gegenzusteuern. So seien die Schülerzahlen an den Berufsbildenenden Höheren Schulen (BHS) im Sinken. „Mit 50 Minuten Frontalunterricht wie vor hundert Jahren kommen wir nicht weiter. Wir brauchen moderne Lehrmethoden, sonst verlieren wir unseren Spitzenplatz“, sagte Kronberger dem Chemiereport. Es werde immer schwieriger, „Spezialisten und Führungspositionen, aber auch Labortechniker in gewünschter Zahl“ zu bekommen. Baxter versuche, dieses Problem zumindest teilweise selbst zu lösen und bilde beispielsweise Chemielaboranten, aber auch Kälte- und Verfahrenstechniker aus. Das österreichische Lohnniveau ist für Baxter laut Kronberger kein Problem. In Österreich als weltweit wichtigstem Forschungsstandort des Konzerns „können wir uns etwas höhere Löhne leisten.“

Wünscheswert wären allerdings flexiblere Arbeitszeiten, teilte der Produktionsleiter des Standorts Wien, Karl-Heinz Hofbauer, dem Chemiereport mit. Dabei gehe es insbesondere um die Arbeit an Wochenenden, die „sehr strikt“ geregelt sei. Bei einer rund um die Uhr laufenden Produktion wäre „mehr Flexibilität hinsichtlich der Wochenarbeitszeit“ hilfreich. Hofbauer fügte hinzu, es gehe keineswegs um Mehrbelastungen für die Arbeitnehmer. Im Gegenteil versuche sein Unternehmen, solche hintanzuhalten. Den Wunsch von Wirtschaftsvertretern nach Ausweitung der Tagesarbeitszeit auf bis zu zwölf Stunden teilt Hofbauer daher nicht. Beispielsweise habe es keinen Sinn, Menschen „unter den nicht angenehmen Bedingungen in einem Reinraum“ so lange Zeit durchgehend arbeiten zu lassen.

 

Entscheidung über Krems

Unterdessen bahnt sich eine Entscheidung über die Zukunft des Baxter-Standortes Krems an. Das Unternehmen hatte dort 2002 einen Gebäudekomplex errichtet, in dem Impfstoffe erzeugt werden sollten, wozu es jedoch bisher nicht kam. Baxter-Sprecher Michael Heinrich kündigte an, bis Jahresende werde geklärt, „ob wir in Krems auch etwas anderes als Impfstoffe herstellen können.“ Zu den Details wollten sich weder Kronberger noch Christine Schmatz, die Vizepräsidentin für den Bereich „Global Manufacturing Recombinants & Vaccines Operations“, äußern. Kein Thema sei es indessen, den Standort zu vermieten oder zu verkaufen, fügte Heinrich hinzu: „Krems ist eine Back-up-Facility, die wir für Eventualitäten vorhalten.“

Schmatz zufolge hat Baxter derzeit 42 Projekte „in unserer Forschungs- und Entwicklungspipeline“. Vor wenigen Wochen erteilte die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA die Zulassung für einen rekombinanten Faktor IX (rFIX), der für die Routine-Vorbeugung gegen Hämophilie („Bluterkrankheit“) sowie für die Kontrolle von Blutungen bei erwachsenen Patienten geeignet ist. Das Medikament wird in Österreich hergestellt. Auf europäischer Ebene läuft die Zertifizierung des „Hemopatch“, eines in Österreich entwickelten und produzierten Vlieses, „das Blutungen nach chirurgischen Eingriffen sehr schnell stoppen kann“, ergänzte Schmatz. Generell betrachtet, spiele der Standort Österreich mit seinen rund 4.400 Mitarbeitern „bei den Zukunftsplänen von Baxter eine zentrale Rolle.“