Archive - 2016

June 16th

Weiter Debatten um endokrine Disruptoren

Kritik an den gestern von der EU-Kommission präsentierten Kriterien für endokrine Disruptoren (EDs) kommt nun auch vom europäischen Chemieindustrieverband CEFIC und vom deutschen Verband der Chemischen Industrie (VCI). In einer gemeinsamen Aussendung der CEFIC, des Kunststoffindustrieverbands Plastics Europe und des Verbandes der Pflanzenschutzmittelhersteller (ECPA) heißt es, die Vorschläge seien „nicht akzeptabel“. Faktisch würden keine Kriterien festgelegt. Statt dessen übernehme die Kommission lediglich die Definition der WHO, die unzureichend sei. CEFIC-Generaldirektor Marco Mensink verlautete: „Nach etlichen Jahren haben wir nun nur eine neuerliche Bekräftigung der WHO-Kriterien. Das schafft zwar wenigstens mehr Klarheit, ist aber unzureichend. Wir müssen höchstmögliche Sicherheitsstandards festlegen, die gleichzeitig Innovationen ermöglichen.“ ECPA-Generaldirektor Jean-Jacques Bocquet bemängelte, aufgrund des Vorschlags der EU-Kommission müssten Pflanzenschutzmittel verboten werden, die Stoffe beinhalten, „wie sie auch in alltäglichen Produkten vorkommen, zum Beispiel Kaffee“. Dies sei sinnlos. Die Kriterien sollten ausschließlich auf wirklich bedenkliche Substanzen abstellen, nicht aber auf solche, die die Landwirtschaft zur Produktion sicherer, gesunder und erschwinglicher Nahrungsmittel benötige. Ähnlich argumentierte Karl Förster, der Exekutivdirektor von Plastics Europe.

 

Konzentration aufs Wesentliche

 

Auch der VCI sieht den Vorschlag der Kommission „kritisch“, betonte Hauptgeschäftsführer Utz Tillmann: „Zwischen hormonell aktiven Stoffen, die sicher verwendet werden können, und denen, die schon bei niedrigen Mengen oder Dosierungen eine schädliche Wirkung haben, kann damit nicht unterschieden werden. Es darf nicht dazu kommen, dass eine Vielzahl von Stoffen, die wichtig für modernen Pflanzenschutz oder effiziente Materialien ist, verboten wird“. Tillmann zufolge unterliegen endokrine Disruptoren bereits einer Reihe von Vorschriften: „Im Rahmen der europäischen Chemikalienverordnung REACH können sie einer Zulassungspflicht unterworfen werden. Die Verordnungen für Pflanzenschutzmittel oder Biozid-Produkte schreiben sogar ein weitreichendes Verwendungsverbot vor“. Tillmann empfiehlt daher, neue Regulierungen für endokrine Disruptoren auf Stoffe zu beschränken, „die bereits in niedrigen Mengen oder Dosierungen eine schädliche Wirkung beim Menschen oder in der Umwelt auslösen. Die Entscheidung, ob ein Stoff reguliert werden muss, sollte die Schwere der schädlichen Effekte, die Reversibilität eines negativen Effekts sowie die Aussagekraft der wissenschaftlichen Daten berücksichtigen“.

 

 

 

June 15th

Endokrine Disruptoren: EU-Kommission präsentiert Kriterien

Die EU-Kommission präsentierte am 15. Juni die seit langem erwarteten Kriterien, nach denen Pestizide sowie Biozide als hormonell schädigende Stoffe (endokrine Disruptoren, EDs) einzustufen sind. Wie bereits im März angekündigt, stützt sich die Kommission dabei auf die Begriffsbestimmung von EDs durch die Weltgesundheitsorganisation WHO. Dieser zufolge ist ein Stoff ein ED, wenn er die menschliche Gesundheit schädigt, auf das Hormonsystem wirkt sowie seine Wirkung auf das Hormonsystem der Grund für die Gesundheitsschädigung ist. Laut EU-Kommission erfolgt die Definition eines Stoffes als ED „unter Heranziehung aller relevanten wissenschaftlichen Erkenntnisse, mit einer Gewichtung der Erkenntnisse nach ihrer Beweiskraft („Weight-of-evidence“-Ansatz) und mit einer robusten systematischen Überprüfung“.

 

Ergänzend ersucht die EU-Kommission die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA und die Europäische Chemikalienagentur ECHA, zu prüfen, „ob einzelne zugelassene Stoffe, bei denen es Indizien dafür gibt, dass sie endokrine Disruptoren sind, nach den heute vorgelegten Kriterien als endokrine Disruptoren identifiziert werden können“. Damit können die beiden Behörden die neuen Kriterien anwenden, sobald sie in Kraft sind. Laut geltendem EU-Recht dürfen Biozide sowie Pflanzenschutzmittel nicht zugelassen werden, wenn sie EDs sind. Ausgenommen sind Pflanzenschutzmittel, bei denen die Exposition vernachlässigbar ist, sowie Biozide, bei deren (sachgemäßer) Verwendung faktisch kaum Gesundheitsrisiken bestehen.

 

Die Vorschläge der Kommission müssen vom Europäischen Parlament und dem Rat im Rahmen regulärer Rechtssetzungsverfahren gebilligt werden. Die Kriterien gelten auch für Stoffe, die in die EU importiert werden. Aus diesem Grund hat die EU-Kommission ihre Vorschläge an die Welthandelsorganisation WTO übermittelt. So haben Drittstaaten die Möglichkeit, sich dazu zu äußern.

 

Vertane Chance“

 

Heftige Kritik kam vom Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO). Geschäftsführerin Sylvia Hofinger sprach von einer „vertanen Chance“. Die Kommission habe „mit ihrer unspezifischen Definition leider die Chance verpasst, die menschliche Gesundheit durch sinnvolle Kriterien und eine wissenschaftlich basierte Risikobewertung vor tatsächlich hormonell schädlichen Substanzen zu schützen. Diese breite Definition lässt keine Konzentration auf riskante Stoffe zu“. Ihr zufolge wird damit „der gefährliche und in der EU verbotene Weichmacher DEHP gleich behandelt wird wie zum Beispiel Kaffee, Bier oder Tofu“. Denn auch diese Lebensmittel enthielten Stoffe, die als EDs im Sinne der Vorschläge einzustufen wären. Das verunsichere die Bevölkerung und bringe für deren Gesundheit nichts. 

 

Hofinger zufolge sind generelle Kriterien, wie sie die EU-Kommission einführen will, sinnlos. Sie fordert statt dessen eine „stoffbezogene, wissenschaftliche Risikobewertung, bei der das Gefährdungspotenzial hormonaktiver Stoffe einzeln ermittelt wird“.

 

 

 

AIT sieht sich gut unterwegs

Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2015 verzeichnete das Austrian Institute of Technology (AIT) ein Konzernergebnis von rund 3,1 Millionen Euro, etwa ebensoviel wie 2014. Auch das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (EGT) blieb mit rund 3,2 Millionen Euro stabil. Das berichteten die AIT-Geschäftsführer Anton Plimon, Alexander Svejkovsky und Wolfgang Knoll heute bei der Jahresbilanzpressekonferenz in Wien. Laut Plimon ist auch das heurige Jahr gut angelaufen. Setze sich der Trend des ersten Quartals fort, „liegen wir exakt so, wie es das Budget für heuer vorsieht“. Für das Gesamtjahr 2016 ist laut Finanzchef Svejkovsky ein Jahresergebnis von etwa zwei Millionen Euro zu erwarten. Der Rückgang gegenüber 2015 ergibt sich aus der Verdopplung der Investitionen von sechs auf rund 12,5 Millionen Euro. Plimon zufolge fließt das Geld zu jeweils etwa der Hälfte in die Modernisierung sowie in die Anschaffung von Geräten: „Damit haben wir eine saubere Basis für die Zukunft“. Unter anderem wird eine Kaltkammer-Druckgussmaschine für den Standort Ranshofen der Geschäftseinheit „Light Metals Technologies“ beschafft. Überdies entsteht ein neues Labor für die Entwicklung von Batteriematerialien. Den Auftragsstand im Jahr 2015 bezifferte Svejkovsky mit rund 152,0 Millionen Euro, um etwa 11,3 Millionen weniger als 2014. Ihm zufolge ist dies eine durch das Projektgeschäft bedingte Schwankung: „Langfristig geht der Trend nach oben.“

 

Ein wesentliches Thema der nächsten Aufsichtsratssitzung ist laut Plimon die Evaluierung der AIT-Unternehmensstrategie. Im Zuge ihrer Erarbeitung überprüfen fünf „Panels“, die von externen Experten geleitet werden, die „Performance“ des AIT und seiner Tochterunternehmen und geben Empfehlungen hinsichtlich der weiteren Entwicklung ab. Der Prozess ist im Wesentlichen abgeschlossen: „Dann beginnen wir mit der Umsetzung der kurzfristigen wie auch der langfristigen Maßnahmen, die sich aus den Empfehlungen ergeben“. Wie Plimon dem Chemiereport erläuterte, besteht eine der Empfehlungen darin, das jeweils relevante Umfeld von Forschungsfeldern zu untersuchen, um diese noch besser bearbeiten zu können.

 

Knoll, der wissenschaftliche Geschäftsführer des AIT, ergänzte, dieses habe „Technologien zu entwickeln, die auf dem Markt tatsächlich nachgefragt werden“. Mit den geplanten Investitionen sei dies weiterhin gewährleistet. Aufgrund seiner Reputation werde das AIT mittlerweile auch eingeladen, in „Entscheidungs-, Definitions- und Designgremien“ für internationale Forschungsprogramme mitzuarbeiten, etwa im Rahmen von Horizon 2020 der EU und des nachfolgenden Vorhabens. Mit dem Complexity Science Hub habe das AIT eine Institution geschaffen, die sich unter anderem der Erarbeitung von Modellen für die zukünftige Entwicklung von Städten befasst. Dabei werden nicht nur die Infrastrukturnetze berücksichtigt, sondern auch die sozialen und die staatlichen Netze sowie deren wechselseitige Beeinflussung.

 

Im Steigflug“

 

Aufsichtsratschef Hannes Androsch resümierte, es sei seit 2007 gelungen, das AIT aus einem Sanierungsfall zu einer international ernstgenommenen Forschungs- und Entwicklungseinrichtung zu machen: „Wir sind im Steigflug in Richtung Premier Ligue“. Dies sei nicht zuletzt den Eigentümern, dem Technologieministerium (BMVIT) und der Industriellenvereinigung (IV), zu danken. Androsch bestätigte dem Chemiereport, die vor wenigen Wochen angelaufene Aufsichtratsperiode werde definitiv seine letzte sein. Er sehe seine wichtigste Aufgabe darin, die Evaluierung der Strategie unter Dach und Fach zu bringen und sicherzustellen, „dass die Geschäftsführung die adaptierte Strategie umsetzen kann. Dann ist mission accomplished“. 

Biosimilarsverband fordert neues Erstattungsmodell

Der im April gegründete <a href=http://biosimilarsverband.at target=“_blank“>Biosimilarsverband Österreich</a> fordert ein neues  Erstattungsmodell für Nachahmerprodukte von Biopharmaka. Die derzeit gültige restriktive Regelung verhindere die Verfügbarkeit zahlreicher Produkte auf dem österreichischen Markt.

 

Derzeit werden Biosimilars (also Nachahmerpräparate zu Biopharmaka nach Ablauf von deren Patentschutz) bei der Erstattung gleich behandelt wie Generika: Der erste Biosimilar-Anbieter auf dem Markt muss seinen Preis gegenüber dem Originator um 48 Prozent absenken, der zweite  um 15 Prozent gegenüber dem ersten, der dritte um 10 Prozent gegenüber dem zweiten. Nach Ansicht von Sabine Möritz-Kaisergruber, Geschäftsführerin von Astro-Pharma und Präsidentin des Biosimilarsverband Österreich (BiVÖ) verhindere dieses Modell den Eintritt zahlreicher Produkte in den Österreichischen Markt. „Österreich ist das einzige EU-Land, das kein auf Biosimilars zugeschnittenes Erstattungsmodell hat“, so Möritz-Kaisergruber. Viele Anbieter würden sich auf einen solchen Preisnachlass nicht einlassen, nach Angaben des BiVÖ sind von 23 in Europa zugelassenen Biosimilars nur acht im österreichischen Erstattungskodex gelandet.

 

Hohes Einsparungspotenzial bei neuem Modell erwartet

Nach Ansicht des Verbands seien Generika und Biosimilar aber schwer zu vergleichen, weil der Entwicklungsaufwand für ein biologisches Nachahmerpräparat ungleich größer sei als für ein durch chemische Synthese erzeugtes Generikum – nicht nur, weil ein Produktionsprozess mithilfe von Mikroorganismen oder Zellkulturen etabliert werden muss, sondern auch, weil die für ein Zulassung erforderlichen Daten ungleich komplexer sind. Denn im Unterschied zu Generika reicht es für die Zulassung eines Biosimilars nicht zu zeigen, dass ein mit dem Original vergleichbares Wirkungsprofil (Bioäquivalenz) vorliegt, es müssen auch möglichst große Übereinstimmungen in der Molekülstruktur und im Herstellungsprozess nachgewiesen und klinische Daten zur Wirksamkeit (Vergleichsstudie mit dem Referenz-Biologikum) vorgelegt werden.

Zur Untermauerung seiner Argumentation gab der BiVÖ eine Studie beim Marktforschungsunternehmen IMS Health in Auftrag. Dabei wurde eingeschätzt, welche Patentabläufe in den nächsten Jahren zu erwarten sind und davon ausgegangen aus, dass bei einem Preisnachlass von 30 anstatt der derzeit geforderten 48 Prozent der österreichische Markt so attraktiv für die Anbieter würde, dass alle zugelassenen Biosimilars auch gelauncht werden. Unter diesen Annahmen errechnete IMS Health ein Einsparungspotenzial von 300 Millionen Euro bis zum Jahr 2020, das ohne Eintritt neuer Biosimilars in den heimischen Markt nicht abgerufen werden könne.

 

Der Biosimilarsverband

Der Biosimilarsverband Österreich (BiVÖ) wurde im April von den fünf Anbietern A-med, Astro-Pharma, Ratiopharm, Sandoz und Stada als Zweigverband des Österreichischen Generikaverbands gegründet. Laut Aussage eines Branchenvertreters wolle man damit nicht nur die öffentliche Sichtbarkeit der für Biosimilars bestehenden spezielle Situation erhöhen, sondern sich auch gegenüber Unternehmen wie Boehringer Ingelheim oder Pfizer öffnen, die nicht auf den Generika-, wohl aber auf den Biosimilars-Markt abzielen.

 

 

 

June 13th

REHAU: EU-Kommission prüft Beihilfe

Die EU-Kommission prüft eine Beihilfe Deutschlands von vier Millionen Euro an den Schweizer Polymerverarbeiter REHAU. Erstmals erfolgt dies nach den neuen Leitlinien bezüglich regionaler Beihilfen. Diesen zufolge sind solche nur zulässig, wenn „die geförderten Produktionsverfahren eine echte Innovation darstellen“, teilte die Kommission mit. Sie stellt in Frage, ob dies bei der deutschen Förderung der Fall ist.

 

Wie die Kommission erläuterte, will REHAU eine veraltete Lackieranlage in Viechtach in Bayern ersetzen und dafür 50 Millionen Euro investieren. Die neue Anlage soll die doppelte Kapazität der bestehenden aufweisen. Die EU-Kommission hat nun Bedenken, ob das geplante Produktionsverfahren innovativ genug ist, um als Innovation im Sinne der Regionalbeihilfeleitlinien zu gelten“. Ferner vermutet sie, die Investition würde wohl auch ohne Beihilfe durchgeführt, „und hegt Zweifel am Beitrag der Beihilfe zur regionalen Entwicklung“. Ihre Bedenken wird die Kommission nun „eingehend“ prüfen.

 

Seitens REHAU liegt bis dato keine Stellungnahme zu der Causa vor.

 

 

 

Seibersdorf Laboratories testet Elektronik-Komponenten

Das Dienstleistungsunternehmen <a href=https://www.seibersdorf-laboratories.at target=“_blank“>Seibersdorf Laboratories</a> hat eine neue Einrichtung für Tests von elektronischen Bauteilen auf Effekte ionisierender Strahlung eröffnet. Derartige Untersuchen werden für den Einsatz in Luft- und Raumfahrt verlangt.

 

Elektronische Baugruppen, die in Flugzeugen oder Satelliten eingesetzt werden, sind meist einem erhöhten Maß an ionisierender Strahlung ausgesetzt, durch die die Funktion der Vorrichtungen empfindlich gestört werden kann. Sie werden daher speziellen Design- und Fertigungsprozeduren unterworfen, die das Ziel haben, den Effekt derartiger Einflüsse möglichst gering zu halten (sogenanntes „Radiation Hardening“). Internationale Organisationen wie die European Cooperation on Space Standardization (ECSS) schreiben verschiedene Testverfahren vor, um den Erfolg der Bemühungen zu überprüfen („Radiation Hardness Assurance“).

Eines dieser Testverfahren ist die sogenannte „Enhanced Low Dose Rate Sensitivity“ (ELDRS). Dabei wird der Effekt niedriger Strahlungsdosen über lange Zeitperioden untersucht – eine Szenario, das den Einsatzbedingungen im Weltall nachempfunden ist. Auf derartige Tests hat man sich bei Seibersdorf Laboratories spezialisiert und dafür nun ein neues TEC-Labor („Testing of
Electronic Components“) mit einer 74-Terabecquerel-Kobalt-60-Quelle aufgebaut. Störeffekte, die durch ionisierende Strahlung hervorgerufen werden können, werden parallel dazu mithilfe von Monte-Carlo-Simulationen modelliert und die Ergebnisse mit den Messungen verglichen.

 

 

 

June 10th

Die vielen Aspekte der Lebensmittelqualität

Die Österreichischen Lebensmittelchemikertage beleuchteten von 8. bis 10. Juni die verschiedensten Aspekte der Qualität von Nahrungs- und Genussmitteln. Potenzielle Kontaminanten kamen dabei ebenso zur Sprache wie die Vielfalt erwünschter und unerwünschter Aromastoffe.

 

Neun Dimensionen der Lebensmittelqualität unterschied Klaus Dürrschmid vom Institut für Lebensmittelwissenschaften der Wiener Universität für Bodenkultur bei seinem Eröffnungsvortrag: Neben Nährwert, Genusswert, Gesundheitswert und Nutzwert fand auch der Grad an integrierter Dienstleistung („Convenience“), der Unterhaltungswert, der Kommunikationswert, die ethische-religiöse sowie die ökonomische Qualität in Dürrschmids Aufzählung Beachtung. Als Voraussetzung für alle diese Dimensionen werden von den Experten Hygiene und Sicherheit angesehen, die erst dafür sorgen würden, dass andere Qualitätsaspekte überhaupt zum Tragen kommen könnten.

Zumindest aspekthaft sind all diese Dimensionen auch einer physikalisch-chemischen Analyse zugänglich. Vieles davon war Thema der diesjährigen Lebensmittelchemikertage, die die Gemeinschaft Österreichscher Chemiker (<a href=http://www.goech.at target="_blank">GÖCH</a>) gemeinsam mit dem <a href=http://www.ecoplus.at/de/ecoplus/cluster-niederoesterreich/lebensmittel target="_blank">Lebensmittel-Cluster</a> Niederösterreich von 8. bis 10. Juni am WIFI St. Pölten veranstaltete. Am meisten öffentliche Diskussionen verursacht dabei zumeist die Dimension der Sicherheit – wenngleich Experten-, Journalisten- und Konsumentenwahrnehmung des Risikopotenzials einzelner Faktoren hier deutlich auseinanderfallen, wie Ingrid Kiefer, bei der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) für Risikokommunikation zuständig, eindrucksvoll darstellte: Werden von AGES-eigenen Experten pathogene Mikroorganismen, Fehl- und Überernährung sowie Mykotoxine als die größten mit Lebensmitteln assoziierte Risikofaktoren eingeschätzt, lösen bei Journalisten und Konsumenten gentechnisch veränderte Lebensmitteln, Pestizide und Arzneimittelrückstände am meisten Besorgnis aus. Die Risikokommunikation habe hier zwei Aufgaben: Bei überschätzten Gefahren Vertrauen zu vermitteln, bei unterschätzten Risiken dagegen Bewusstsein zu schaffen.

 

Duft und Gift

Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe im Grillgut, anorganisches Arsen im Reis, Weichmacher in fettreichen Lebensmitteln – all das war auch im Rahmen der Lebensmittelchemikertage Thema. Doch viele der vorgestellten wissenschaftlichen Untersuchungen beleuchteten auch darüber hinaus gehende Dimensionen der Lebensmittelqualität. So stellte AGES-Mitarbeiter Manfred Sager den Gehalt diverser Spurenelemente in gängigen Lebensmitteln vor – wobei sich Innereien und Schokolade hier als besonders vielseitig erwiesen.

Verena Somoza von der Universität Wien berichtete über ihre Studien mit Aromastoffen, von denen mancher neben dem Genusswert auch eine wichtige physiologische Wirkung zeigt. Sensorik-Experten der Universität Graz setzen ihr Wissen dafür ein, unangenehme Gerüche bei Schweinefleisch („Ebergeruch“) zu vermeiden und den steirischen Obstbau durch die Aromavielfalt alter Kultursorten wieder auf die Beine zu bringen. Und auch in jenem Vortragsstrang, der Verpackungen im Lebensmittelkontakt gewidmet war, ging es nicht nur um migrierendes Bisphenol A sondern auch um aktive Verpackungsmaterialien, die Sauerstoff absorbieren oder antimikrobiell wirken können.

 

 

 

June 9th

Endokrine Disruptoren: VCI fordert „Augenmaß“

Eine „Gesetzgebung mit Augenmaß für hormonell aktive Stoffe“ fordert der deutsche Verband der Chemischen Industrie (VCI). Der Hintergrund: Nach jahrelangen Verzögerungen kündigte die EU-Kommission kürzlich an, demnächst Kriterien vorzuschlagen, anhand derer hormonell schädliche Stoffe („endokrine Disruptoren“) identifiziert werden können. Laut VCI „sollten diese Kriterien nur Stoffe erfassen, die schon in geringen Mengen und Dosierungen eine schädliche Wirkung beim Menschen oder in der Umwelt verursachen“. Der VCI schlägt daher vor, bei der Einstufung unter anderem folgende Kriterien zu berücksichtigen: die Wirkstärke, die Schwere der schädlichen Effekte, die Reversibilität allfälliger negativer Auswirkungen sowie die Aussagekraft der der Einstufung zugrunde liegenden wissenschaftlichen Daten. Der VCI folgt damit im Wesentlichen dem seit längerem vorliegenden Konzept des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR).

 

Wie der Verband betont, besteht bereits eine Reihe von Vorschriften hinsichtlich der endokrinen Disruptoren. So ist es möglich, im Rahmen des europäischen Chemikalienmanagementsystems REACH eine Zulassungspflicht zu verhängen. Außerdem können endokrine Disruptoren aufgrund der Pflanzenschutzmittel-Verordnung sowie der Biozidprodukte-Verordnung verboten werden. Laut VCI-Hauptgeschäftsführer Utz Tillmann darf es „nicht dazu kommen, dass eine Vielzahl von Stoffen, die wichtig für modernen Pflanzenschutz oder effiziente Materialien sind, unnötig reguliert oder sogar verboten wird, selbst wenn von ihnen bei sachgemäßer Nutzung kein erhöhtes Risiko ausgeht“. Ihm zufolge ist die „sichere Handhabung hormonaktiver Stoffe machbar“.

 

Kommission unter Kritik

 

Die EU-Kommission wollte schon 2013 Kriterien für die Einstufung von Stoffen als endokrine Disruporen vorschlagen. Indessen erwies es sich als schwierig, einen wissenschaftlichen Konsens bezüglich der Gefahren durch die fraglichen Substanzen zustande zu bringen. Während eine Gruppe von Wissenschaftlern von der klassischen „Dosis-Wirkungs-Beziehung“ (je höher die Dosis, desto schwerer die Wirkung) ausgeht, beharrt eine andere Gruppe darauf, dass selbst geringste Mengen von endokrinen Disruptoren bereits eine Gefahr für Menschen darstellen können. Infolge dessen verschob die Kommission die Festlegung der Kriterien immer wieder.

 

Mehrere EU-Mitgliedsstaaten, darunter Schweden und Frankreich, kündigten deshalb an, selbst Kriterien auszuarbeiten, falls die Kommission nicht endlich agiere. Schweden erhob 2014 Klage beim Europäischen Gerichtshof, der die Kommission im Dezember 2015 wegen ihrer Säumigkeit verurteilte. Im März des heurigen Jahres versicherte EU-Gesundheitskommissar Vytenis Adruikaits dem Umweltausschuss des EU-Parlaments, die Kommission werde noch vor dem Sommer Kriterien vorschlagen. Ein „hohes Niveau an Schutz für die menschliche Gesundheit und die Umwelt“ werde dabei das leitende Prinzip sein. Am 8. Juni forderte der Umweltausschuss die Kommission neuerlich auf, umgehend einen Kriterienkatalog festzulegen. Die österreichische EU-Parlamentarierin Karin Kadenbach kritisierte, es sei „untragbar, dass die Kommission weiter Unionsrecht verletzt und nach wie vor untätig ist“. Keinesfalls dürfe die Kommission der Chemieindustrie dabei zu weit entgegenkommen. Vielmehr müsse sie sich „endlich dazu bekennen, die Gesundheit der Bürger über die Profitinteressen einzelner Wirtschaftssektoren zu stellen“.

 

Weiter forschen

 

Mitte April waren 23 ausgewiesene Experten am BfR zusammengetroffen, wobei auch vier Beobachter der europäischen Chemikalienagentur ECHA sowie der Lebensmittelsicherheitsagentur EFSA anwesend waren. Konkrete Vorschläge für Kriterien ergaben sich auch dort nicht. Immerhin einigten sich die Experten darauf, dass es möglich ist, grundsätzliche Kriterien für die Indentifizierung endokriner Disruptoren festzulegen, obwohl unterschiedliche Ansichten hinsichtlich der Gefahrenbewertung bestehen. Anerkannt wurde die Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO für endokrine Disruptoren. Ihr zufolge handelt es sich um „exogene Substanzen oder Gemische, die die Funktion(en) des Hormonsystems verändern und dadurch nachteilige Auswirkungen auf gesunde Organismen, deren Nachkommen oder (Sub-)Populationen haben“. Unbestritten war ferner, dass auch andere Substanzen Auswirkungen haben können, wie sie endokrinen Disruptoren zugeschrieben werden. Die Experten halten es daher für notwendig, gleichzeitig mit den Kriterien für endokrine Disruptoren international anerkannte Testmethoden für die Wirksamkeit der Stoffe festzulegen. Die hormonelle Wirksamkeit eines Stoffs allein reicht jedenfalls nicht aus, um diesen als „endokrinen Disruptor“ zu identifizieren. Erforderlich sind den Experten zufolge daher weitere Forschungen, unter anderem hinsichlich Expositionsszenarien, aber auch epidemologische Studien und die Erforschung der Wirkmechanismen auf molekularer Ebene.

 

 

June 8th

Daten vom Acker

Die Chancen und Herausforderungen der Landwirtschaft durch die Digitalisierung waren das Thema der Wieselburger Sommergespräche am 7. Juni im Technopol Wieselburg der niederösterreichischen Wirtschaftsagentur Ecoplus. Wie in der vieldiskutierten „Industrie 4.0“ werden auch in der „Landwirtschaft 4.0“ in zunehmendem Maß Maschinen und Geräte vernetzt und wirken zusammen, um die Effizienz der Produktion zu steigern. Dies ermöglicht unter anderem ressourcenschonendes „Feldmanagement“ sowie die Verringerung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln, erläuterte Heinrich Prankl, der Leiter für Forschung und Entwicklung des Technopols. Auch die Ausfallssicherheit des Maschinenparks lässt sich verbessern. Die notwendige Datengrundlage liefern laut Prankl unter anderem Boden, Pflanzen sowie die landwirtschaftlichen Maschinen selbst, aber auch Wetterdienste und Satelliten, die beispielsweise die Bodenbedeckung sowie die Vegetationsstruktur erfassen. Daten gebe es jede Menge. Daher empfehle sich, sie sinnvoll zu nutzen, betonte Prankl. Bereits auf dem Markt sind ihm zufolge Systeme, mit denen gleichsam „die Kuh dem Bauern ein SMS schickt, wenn sie gemolken werden muss.“

 

Landwirtschaft 4.0 in der Praxis

 

Nicht ganz so tierisch geht es bei der „Farmdok“ zu, einer Applikation, die am Technopol Wieselburg entwickelt wurde. Laut dem Geschäftsführer der Farmdok GmbH, Andreas Prankl, dient dabei das Smartphone während der Feldarbeit zur automatischen Dokumentation der jeweiligen Tätigkeit. Ein Algorithmus analysiert die GPS-Daten, die die Fahrt mit dem Traktor erzeugt. Die Software ist in der Lage, zu erkennen, ob gerade der Weg zum Acker zurückgelegt oder auf dem Acker gearbeitet wird. Ebenso ermittelt sie die Größe der bearbeiteten Fläche. Ferner kann sie zyklische Tätigkeiten identifizieren, etwa das Ausbringen von Gülle. So ist es möglich, den Aufwand an Betriebsmitteln für eine bestimmte Tätigkeit abzuschätzen und zu optimieren. Der Nutzen für den Landwirt: Erstens kann er seine gesetzlichen Dokumentationspflichten leichter erfüllen. Zweitens lässt sich die Datenbasis nutzen, um bessere unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Auf dem Markt erhältlich ist Farmdok seit März des heurigen Jahres. Laut Prankl ist das Interesse bei den Landwirten beträchtlich. Vorerst wird die „App“ in Österreich angeboten. Das Know-how bei der Analyse der GPS-Daten plant Prankl auch international zu vermarkten.

 

Treibstoff für Innovationen“

 

Wertschöpfung durch Technologieführerschaft sowie durch die Vermarktung neuer Technologien im In- und Ausland zu unterstützen, ist eine der Aufgaben der Ecoplus, erläuterte deren Bereichsleiter Unternehmen & Technologie, Claus Zeppelzauer. Dabei gehe insbesondere um das Zusammenbringen von Unternehmen und Personen mit innovativen Ideen. Aufgabe der Technopole sei es, Projekte zur Marktreife zu bringen. Ecoplus-Geschäftsführer Helmut Miernicki betonte die Bedeutung von Kooperationen zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Bildungseinrichtungen als „Treibstoff für Innovationen in Niederösterreich“. Die Ecoplus wolle gerade auch kleine und mittelgroße Unternehmen „dazu motivieren, sich mit Forschung und Entwicklung auseinanderzusetzen. Wir dürfen die Innovationen nicht nur den Big Playern überlassen“.

 

Offen kommunizieren

 

Dass die „Landwirtschaft 4.0“ kommt, ist unausweichlich“, konstatierte Josef Plank, der Präsident des Österreichischen Biomasseverbandes und stellvertretende Generalsekretär der Landwirtschaftskammern Österreich. Die jüngere Generation der Landwirte sei „mit Begeisterung dabei, die Älteren sind oft maßlos überfordert“. Immer wieder träten auch Ängste zutage, „fremdgesteuert“ zu sein und als bloßer Lieferant von Daten zu dienen, mit denen andere Akteure wirtschaftlichen Nutzen generieren. „Starke schaffen Fakten. Die anderen hinken permanent hinterdrein“, beschrieb Plank die Gefühlslage. Ihm zufolge ist es notwendig, diese Bedenken ernst zu nehmen und die Herausforderungen ebenso wie die Chancen für die Landwirtschaft im Zusammenhang mit dem technischen Fortschritt offen zu kommunizieren. Auch gelte es, die Voraussetzungen für die Nutzung neuer Technologien im ländlichen Raum zu schaffen. „Der Breitbandausbau ist einfach ein Muss“, betonte Plank.

 

Ähnlich argumentierte Michaela Hinterholzer, Abgeordnete zum Niederösterreichischen Landtag und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende von Ecoplus. Die Landwirtschaft müsse sich für die Digitalisierung „frühzeitig wappnen. Hier am Technopol Wieselburg ist dieses Thema gut verankert“. Wieselburg, das „jüngste“ der vier Ecoplus-Technopole, habe sich gut entwickelt. Außerdem gebe es in der Region „viel Platz, um Spin-offs anzusiedeln“.

 

 

 

CEFIC: Chemikalienproduktion stagniert weiter

 

 

Die Produktion der europäischen Chemieindustrie lag im ersten Quartal 2016 um 0,2 Prozent unter dem Vergleichswert 2015. Das teilte der Branchenverband CEFIC in seinem neuesten Trend Report mit. Positiv entwickelten sich Farbstoffe und Pigmente (plus 5,1 Prozent), Primärkunststoffe (plus 4,0 Prozent) sowie Parfums und Körperpflegemittel (plus 2,9 Prozent). Gesunken ist dagegen die Erzeugung von anorganischen Basischemikalien (minus 0,8 Prozent), Seifen und Detergenzien (minus 1,3 Prozent) sowie Agrochemikalien.

 

Einen Rückgang um 3,3 Prozent verzeichnete die CEFIC bei den Erzeugerpreisen. Ausschlaggebend dafür war vor allem das Sinken der Preise für Petrochemikalien um 8,1 Prozent und für Polymere um 1,5 Prozent. Im Gegensatz dazu stiegen die Verbraucherpreise um 0,2 Prozent. Die Umsatzerlöse der Branche fielen in den ersten zwei Monaten 2016 gegenüber 2015 um 2,2 Prozent.

 

Wie die CEFIC warnt, ist zumindest für die kommenden sechs Monate keine Erholung in Sicht. Nach wie vor liegt der EU Chemical Industry Confidence Indicator (CCI) leicht unter dem langjährigen Durchschnitt.

 

Exportüberschuss gestiegen

 

Positiv entwickelten sich im Gesamtjahr 2015 die Exporte. Der damit erzielte Überschuss belief sich auf rund 44,7 Milliarden Euro, um 1,5 Milliarden mehr als 2014. Zurückzuführen ist dies laut CEFIC vor allem auf den US-amerikanischen Markt sowie auf den Mittleren Osten. Der Exportüberschuss in die USA erhöhte sich um 3,1 Milliarden Euro auf 8,1 Milliarden Euro. Laut CEFIC zeigt das die Bedeutung des geplanten Handelsabkommens TTIP. Vor allem Klein- und Mittelbetriebe mit Großunternehmen als Kunden würden davon ihr zufolge profitieren. Gegenüber China, Indien und Japan erwirtschaftete die europäische Chemieindustrie dagegen ein Außenhandelsdefizit von 1,02 Milliarden Euro. Die Exporte in die Russländische Förderation brachen um 14,9 Prozent bzw. 1,4 Milliarden Euro ein. Die Importe aus Russland sanken um 13,8 Prozent bzw. 1,2 Milliarden Euro.

 

 

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