Archive - Apr 8, 2020
ERC: Ferrari geht im Streit
08.04.20
von
Klaus Fischer
Der Präsident des European Research Council ist nach nur drei Monaten zurückgetreten. Er verweist auf ein angeblich torpediertes COVID-19-Programm, seine Gegner attestieren ihm schwere Pflichtversäumnisse.
Nach nur drei Monaten ist der Präsident des European Research Council (ERC), Mauro Ferrari, zurückgetreten. In einem Brandbrief, der dem Chemiereport vorliegt, beschuldigt er seine Ex-Kollegen, seine „idealistischen Bemühungen“ im Kampf gegen die Corona-Pandemie aus rein formalen Gründen torpediert zu haben. Er habe ein spezielles ERC-Programm zu COVID-19 aufsetzen wollen, was angesichts der absehbaren gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen „Verwüstungen“ durch die Pandemie wohl mehr als gerechtfertigt gewesen sei. Sein Ziel habe darin bestanden, den besten einschlägigen Wissenschaftlern der Welt Fördermittel zur Verfügung zu stellen.
Mit dem Hinweis, das ERC verfolge einen „Bottom-up“-Ansatz und mache Wissenschaftlern keine inhaltlichen Vorgaben, sei dies indessen einstimmig abgelehnt worden. Jedoch habe ihn EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen persönlich um seinen Rat hinsichtlich der Pandemie gefragt. Binnen dreier Tage habe er, Ferrari, daraufhin ein Programm erarbeitet. Dieser direkte Kontakt mit der Präsidentin sei ihm im ERC schwer verübelt worden. Letzten Endes habe er „das Vertrauen in das System verloren“. Es mangle den EU-Mitgliedsstaaten offenbar völlig an der Koordination ihrer Vorgangsweisen gegen COVID-19, gerade auch im wissenschaftlichen Bereich. Statt dessen würden Finanzhilfen blockiert und Grenzen einseitig geschlossen: „Ich fürchte, ich habe genug gesehen von der europäischen Wissenschaftspolitik und den politischen Operationen der EU.“
Nun kehre er zurück an die „Front im Kampf gegen COVID-19“ und verlasse Brüssel, wo sich seine politischen Fähigkeiten als „offenbar unzulänglich“ („clearly inadequate“) erwiesen hätten.
„Sparsam mit der Wahrheit“
Die Reaktion des ERC erfolgte umgehend: Ferraris Darstellung habe mit den Tatsachen nichts zu tun. Bereits am 27. März hätten ihn alle 19 aktiven Mitglieder des Scientific Council des ERC zum Rücktritt aufgefordert. Ausschlag gebend seien vier Gründe gewesen: Erstens habe Ferrari den Sinn des ERC und dessen Rolle im Kontext des EU-Forschungs-Rahmenprogramms Horizon 2020 nicht im mindesten begriffen. Zweitens müsse ihm ein Mangel an Engagement für das ERC vorgeworfen werden: Er habe an einer ganzen Reihe wichtiger Sitzungen nicht teilgenommen und statt dessen viel Zeit in den USA verbracht. Das Programm und die Mission des ERC zu vertreten, sei ihm dagegen nicht in den Sinn gekommen. Drittens habe Ferrari etliche persönliche Initiativen innerhalb der EU-Kommission gestartet und seine Position missbraucht, um eigene Ideen zu vertreten statt das ERC. Zu schlechter Letzt sei Ferrari umfangreichen externen wissenschaftlichen wie auch wirtschaftlichen Vorhaben nachgegangen und habe diesen öfters Vorrang gegenüber seinen Verpflichtungen beim ERC eingeräumt. Sein Rücktritt am 7. April sei somit faktisch die Folge eines einstimmigen Misstrauensvotums.
Die von Ferrari erwähnte Initiative in Sachen COVID-19 habe das Scientific Council nicht unterstützt, „weil dies nicht unsere Aufgabe ist und die Generaldirektion Forschung und Innovation, mit der wir verbunden sind, bereits sehr aktiv neue diesbezügliche Programme entwickelt“. Über 50 ERC-Programme mit einem Gesamtvolumen von etwa 100 Millionen Euro im Zusammenhang mit COVID-19 seien im Laufen oder bereits abgeschlossen: „Wir bedauern daher Herrn Professor Ferraris Stellungnahme, die bestenfalls sparsam mit der Wahrheit umgeht.“
Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der League of European Research Universities (LERU) und Präsident der Sorbonne, Jean Chambaz. Dass Ferrari nach nur drei Monaten von den USA aus seinen Rücktritt als ERC-Präsident erklärt habe, sei „bedauerlich, aber unvermeidbar“. Ferrari erzähle seine eigene Geschichte, zeige aber gerade damit sein mangelndes Verständnis für den Ansatz des ERC. Dieses werde weltweit für seine Erfolge bewundert: „Im Rahmen des Investitionsplans der EU zum Kampf gegen die derzeitige Krise sollte es daher noch stärker unterstützt werden. Alles Übrige ist unerheblich.“
Langfristiger Wachstumskurs bei Boehringer Ingelheim
Boehringer Ingelheim hat inmitten verstärkter Bemühungen um eine Therapie gegen COVID-19 zwar seine jährliche Bilanzpresskonferenz abgesagt, aber dennoch seine Bilanzzahlen für 2019 veröffentlicht.
Bereinigt um Währungseffekte konnte das Unternehmen im vergangenen Jahr den Umsatz um 5,7 Prozent auf 19 Milliarden Euro steigern. Auf Gruppenebene wurde ein Betriebsergebnis von 3,8 Milliarden Euro erzielt, das ergibt ein Ergebnis nach Steuern von 2,7 Milliarden Euro (gegenüber 2,1 Milliarden im Jahr 2018). Die Eigenkapitalquote erhöhte sich mit Jahresende im Vergleich zum Vorjahr von 40 auf 44 Prozent (2018: 40 Prozent).
Wichtigster Wachstumstreiber war dabei das Geschäft mit Humanarzneimitteln, mit dem 14 Milliarden Euro oder 74 Prozent des Gesamtumsatzes erwirtschaftet wurden – ein währungsbereinigtes Wachstum von 8,0 Prozent. Umsatzstärkstes Medikament war Jardiance, mit dem Patienten mit Typ-2-Diabetes behandelt werden. Im Geschäftsbereich Tiergesundheit wurde ein Umsatz von 4 Milliarden Euro erwirtschaftet, was ein währungsbereinigtes Minus von 0,7 Prozent darstellt. Gestiegene Erlöse im Haustiersegment konnten hier eine auf den Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest zurückgeführten Rückgang bei Arzneimitteln für Schweine nicht wettmachen. In der Biopharmazeutischen Auftragsproduktion wurde im Jahr 2019 ein Umsatz von 786 Mio. Euro (währungsbereinigt +7,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr) erzielt.
Investitionen in Forschung und Infrastruktur – und die Bekämpfung von COVID-19
Die Investitionen von Boehringer Ingelheim im vergangenen Geschäftsjahr waren auf einen langfristige Wachstumskurs ausgerichtet. 3,5 Milliarden Euro flossen in Forschung und Entwicklung, das entspricht 18,2 Prozent des Umsatzes und einer Steigerung von 9,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 1,1 Milliarden Euro wurden in Sachanlagen investiert.
Die gute, durch die Geschäftsentwicklung 2019 erwirtschaftete Kapitalbasis ermöglichte es dem Unternehmen eigenen Angaben zufolge, ein „Globales Unterstützungsprogramm“ zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie aufzusetzen. Wissenschaftler von Boehringer Ingelheim beteiligen sich an der Suche nach virusneutralisierenden Antikörpern und durchsuchen die Molekülbibliothek des Konzerns nach Substanzen, die das Virus bekämpfen könnten. Darüber hinaus ist man an mehreren Forschungskonsortien beteiligt, die beispielweise von der Innovative Medicines Initiative der EU oder der der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung getragen werden.
Neben den Forschungsaktivitäten umfasst das „Globale Unterstützungsprogramm“ einen Spendenfonds in Höhe von 5,8 Millionen Euro, bezahlten Urlaub für die 51.000 Mitarbeiter, die sich als freiwillige Helfer engagieren sowie einen Hilfsfonds in Höhe von 580.000 Euro für Sozialunternehmer in Kenia und Indien.
Corona: Henkel verwirft Jahresprognose
08.04.20
von
Klaus Fischer
Zurzeit sind laut Angaben des Konzerns keine seriösen Einschätzungen möglich. Für das erste Quartal wird ein Umsatzrückgang von 0,9 Prozent erwartet.
Wegen der Corona-Pandemie verwirft der deutsche Chemiekonzern Henkel die Prognose für seine Geschäftsentwicklung im laufenden Jahr. „Da die COVID-19-Pandemie weltweite Auswirkungen hat und in ihrer weiteren Entwicklung nicht absehbar ist, können wir derzeit keine verlässlichen Prognosen für unsere Geschäftsentwicklung im Jahr 2020 treffen“, konstatierte Vorstandschef Carsten Knobel. Sobald sich die Lage hinreichend kläre, werde eine neue Prognose veröffentlicht. Im Geschäftsbericht 2019 war für heuer von einem organischen Umsatzwachstum von 0 bis zwei Prozent die Rede gewesen. Somit wäre der Umsatz bei 20,11 Milliarden Euro stabil geblieben oder bestenfalls auf rund 20,51 Milliarden Euro gewachsen.
Für das erste Quartal 2020 erwartet Henkel gegenüber dem ersten Quartal 2019 nunmehr einen Umsatzrückgang um 0,9 Prozent. Somit würde sich der Umsatz auf etwa 4,51 Milliarden Euro belaufen. Im Bereich Adhesive Technologies soll der Quartalsumsatz um 4,1 Prozent auf 2,21 Milliarden Euro sinken, im Bereich Beauty Care um 3,9 Prozent auf 922 Millionen Euro. Einzig im Bereich Laundry & Home Care rechnet Henkel mit einem Umsatzanstieg, und zwar um 5,5 Prozent auf etwa 1,76 Milliarden Euro.
Das endgültige Quartalsergebnis veröffentlicht Henkel am 11. Mai.