Archive - Apr 24, 2015

„Magnet für Innovation“

Die Gesundheitsreform muss zum Magneten für Innovation werden“, betonte Robin Rumler, der Präsident des österreichischen Pharmaindustrie-Verbandes Pharmig, bei dessen Generalversammlung am 24. April in Wien. Es gelte, neue Arzneimittel früher für die Patienten verfügbar zu machen als bisher. Rumler fügte hinzu, die Pharmaindustrie weise eine globale Forschungs- und Entwicklungsquote von etwa 14,4 Prozent auf und liege damit unter allen Branchen an der Spitze. In den meisten Industriezweigen belaufe sich die Quote auf nur etwa drei Prozent. Zumal in Österreich sei die Politik aufgefordert, attraktive Investitionsbedingungen für innovative Pharmaunternehmen zu bieten. Rumler zufolge ist Österreich zwar nach wie vor ein guter Wirtschaftsstandort. Es habe aber durchaus Potenzial, noch besser zu werden, wie etwa die Schweiz mit ihrer starken Pharmabranche zeige. Allerdings: „Wenn wir nichts tun, kommen wir sicher nicht weiter.“

 

Mutter des Versagens

Der Vorsitzende des Rates für Forschung und Technologieentwicklung (RFT), Hannes Androsch, kritisierte, Österreich sei „von der Überholspur auf die Kriechspur“ gewechselt. Und der Erfolg der Vergangenheit könne „zur Mutter des Versagens werden, wenn man in Bequemlichkeit und Selbstgefälligkeit versinkt.“ Mit Schönreden und Gesundbeten ließen sich jedenfalls keine Probleme lösen, zumal im Bildungsbereich, der für den Wirtschaftsstandort höchste Bedeutung habe. „Denn ein Land wie Österreich, das kaum über Rohstoffe verfügt, muss auf die Talente und Fähigkeiten seiner jungen Leute setzen“, betonte Androsch. Außerdem gelte es, die Einstellung der Bevölkerung zu Technik und Wissenschaft zu verbessern. Ausdrücklich sprach sich der ehemalige Vizekanzler und Finanzminister für die Handelsabkommen der EU mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) aus: „Gerade in einen kleinen Land wie Österreich sollte man verstehen, dass wirtschaftliche Abschottung nichts bringt.“ Freilich gebe es heikle Punkte, etwa die umstrittenen Schiedsgerichte oder die Tatsache, dass Handelsabkommen mit den USA als Gesamtheit nicht zwangsläufig und in allen Details in den 50 Bundesstaaten anwendbar sind. Diesbezüglich müsse die EU eben „aufpassen“.

Androsch forderte die Bundesregierung auf, „Courage aufzubringen“ und die seit langem notwendigen Reformen in Angriff zu nehmen: „Natürlich ist das schwierig. Aber dafür ist die Regierung ja da.“ Und Androsch verwies auf den Staatskanzler Maria Theresias, Graf Wenzel Anton von Kaunitz-Rietberg, der gesagt habe: „Vieles wird nicht gemacht, weil es schwierig ist. Aber Vieles ist nur schwierig, weil es nicht gemacht wird.“

 

Max-Planck-Gesellschaft für Österreich

Josef Penninger, der wissenschaftliche Direktor des Institute of Molecular Biotechnology (IMBA) an der Akademie der Wissenschaften, ergänzte, Österreich müsse seine Bildungseinrichtungen und Universitäten als „essenziell“ für die Gesellschaft betrachten. Er forderte die Einrichtung einer „Art Max-Planck-Gesellschaft“, da das IMBA, wiewohl das größte Institut an der Akademie der Wissenschaften, im internationalen Vergleich „immer noch viel zu klein“ sei. „Wir sollten die besten Köpfe nach Österreich holen. Davon würden letztlich alle profitieren“, betonte Penninger. Wünschenswert sei weiters die Einrichtung eines „Austrian Stem Cell Centre“, an dem sich auch die Pharmaindustrie finanziell beteiligen solle.

 

Unternehmen motivieren

In der folgenden Podiumsdiskussion mit Androsch und Penninger konstatierte Pharmig-Generalsekretär Jan Oliver Huber, prinzipiell sei die Branche hinsichtlich der finanziellen Wünsche Penningers durchaus gesprächsbereit: „Aber dafür muss es entsprechende steuerliche Anreize geben. Die privaten Unternehmen gehören motiviert.“ Die Pharmaindustrie bekenne sich zum Standort Österreich und führe etwa derzeit klinische Studien mit mehreren 1.000 Patienten durch. Allerdings müsse die Regierung der vorherrschenden „Atmosphäre der Angefressenheit“ Konter geben und endlich den verkrusteten Strukturen entgegenwirken, „in denen viel Geld versickert.“

 

Wien oder Berlin

Zu seiner persönlichen Zukunft sagte Penninger, er habe ein „phantastisches Angebot“ aus Deutschland und die Möglichkeit, am Berlin Institute of Health „in der internationalen Champions League zu kicken.“ Dennoch sei es durchaus möglich, ihn in Österreich zu halten. Ob der Hinweis aus der Verwaltung, „dass Wien halt nicht Berlin ist“, dem dienlich sei, ließ Penninger offen. Dem Chemiereport erläuterte der Wissenschaftler, er werde über seinen Verbleib in Österreich „innerhalb der kommenden drei bis vier Wochen“ entscheiden. Druck habe er nicht: „Ich kann meine Forschung überall machen.“

 

 

 

Biopharma-Produktion bei Boehringer Ingelheim RCV angestiegen

Der Wiener Standort von Boehringer Ingelheim ist wie das Mutterhaus von Umsatzrückgängen im Arzneimittelgeschäft betroffen. Von wachsender Bedeutung ist die hier angesiedelte Biopharma-Produktion.

 

Zwei Tage nach dem Mutterkonzern hat auch das Boehringer Ingelheim Regional Center Vienna (RCV) seine Zahlen für 2014 präsentiert. Demnach konnte die Betriebsleistung, die sich aus Umsätzen, betrieblichen Erträgen und Bestandsveränderungen zusammensetzt um 2,1 Prozent auf 1,115 Milliarden Euro erhöht werden. Den  Löwenanteil macht dabei mit 771 Millionen Euro der Vertrieb von verschreibungspflichtigen Medikamenten, rezeptfreien Präparaten und Tierarzneimitteln in Österreich, der Schweiz, Israel sowie den Ländern Mittel‐ und Osteuropas und  Zentralasiens aus. Gerade bei den umsatzstarken verschreibungspflichtigen Arzneimittel kam es dabei, wie beim Konzern insgesamt, zu Rückgängen (minus 1,4 Prozent auf 578,9 Millionen Euro), in Österreich unter anderem bewirkt durch Patentabläufe bei Sifrol und Micardis. Zudem belasteten Wechselkurseffekte das Ergebnis. Umsatzstärkste Präparate in der Gesamtregion waren der BronchodilatatorSpiriva und der Gerinnungshemmer Pradaxa.

 

Wichtiger Standort für Biopharma und Krebsforschung

Die Betriebsleistung des RCV beinhaltet aber auch die Umsätze gegenüber verbundenen Unternehmen. So werden am Standort Wien biopharmazeutische Arzneimittel produziert, die entweder aus konzerneigener Forschung stammen oder für Auftragskunden entwickelt wurden – ein  Geschäftsfeld, das 2014 nach Angaben des Unternehmens deutliche Umsatzsteigerungen erzielen konnte. Genaue Zahlen wurden nicht bekannt gegeben. Die Bedeutung des Standorts ist darüber hinaus durch die hier angesiedelte Konzernkrebsforschung gegeben, aus deren Pipeline 2014 mit Vargatef das zweite Präparat auf den Markt gebracht werden konnte.

Insgesamt arbeiten bei Boehringer Ingelheim 3.349 Personen, davon 1.439 in Österreich.