Archive - Mär 8, 2016

Weiter Krach um Glyphosat

Das Hin und Her um die Wiederzulassung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat geht weiter. Heute sollten Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebens- und Futtermittel des EU-Parlaments über das Thema abstimmen. Doch dies wurde auf unbestimmte Zeit vertagt.

 

Gegner der Wiederzulassung zeigten sich erfreut. Karin Kadenbach, Mitglied der SPÖ im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit des EU-Parlaments, sprach von einem „Erfolg auf dem Weg zur Verhinderung der Wiederzulassung von Glyphosat“. Im Sinne des Vorsorgeprinzips forderte sie, dafür zu „sorgen, Restrisiken auszuschließen.“ Ulrike Lunacek, Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im EU-Parlament, verlautete, es handle sich um einen „ersten großen Erfolg gegen das gesundheitsschädliche Herbizid.“ Allerdings sei Österreich „skandalöserweise für die Zulassung“ eingetreten. Lunacek forderte Umwelt- und Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter auf, diese Position zu revidieren.

 

Heftige Kritik kam dagegen von der Industriegruppe Pflanzenschutz (IGP). Deren Obmann Christian Stockmar betonte, das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) habe die Unbedenklichkeit von Glyphosat bestätigt, auch das Vorsorgeprinzip wurde eingehalten. Deshalb ist es schade, dass nun erneut politische Entscheidungen aus einer emotional geführten Debatte heraus getroffen werden.“ Die Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten hätten einer absurden Kampagne recht gegeben, deren Argumente sich a posteriori als unwissenschaftlich und falsch herausstellen.“ Den Grünen, die eine „politische Entscheidung“ über die Wiederzulassung von Glyphosat gefordert hatten, empfahl Stockmar, ihr demokratisches Selbstverständnis zu hinterfragen: Denn nachhaltige und kluge Entscheidungen trifft man nicht emotional, sondern auf Basis sachlicher Fakten.“ 

 

 

Merck: Wachstum durch Währungseffekte und Akquisitionen

Der Umsatz des Merck-Konzerns stieg von 2014 auf 2015 um rund 13,1 Prozent auf 12,8 Milliarden Euro, teilte das Unternehmen heute mit. Hauptursache waren Währungseffekte, auf die 6,2 Prozent entfielen. Den zweitwichigsten Faktor bildeten Übernahmen von AZ Electronic Materials (AZ) und Sigma-Aldrich mit 4,3 Prozent. Organisch wuchs der Umsatz laut Angaben des Unternehmens dagegen lediglich um 2,6 Prozent, was rund einem Fünftel des Gesamtwachstums entspricht.

 

Das EBIT für 2015 beziffert Merck mit 1,8 Milliarden Euro (plus 4,6 Prozent), das EBITDA mit 3,3 Milliarden Euro (plus 7,4 Prozent). Infolge des Kaufs von Sigma-Aldrich haben sich die Nettoschulden von Merck von 559 Millionen Euro am 31. Dezember 2014 auf 12,7 Milliarden Euro zu Jahresende 2015 erhöht. Diese Verbindlichkeiten sollen allerdings „schnell“ abgebaut werden, versicherte Merck. Der Konzern hatte für Sigma-Aldrich rund 17 Milliarden US-Dollar bezahlt. Wie Merck im Geschäftsbericht betont, liegt die Eigenkapitalquote trotz der Milliardentransaktion bei 33,8 Prozent „und damit nach wie vor auf einem guten Niveau“.

 

Außerdem sei Merck mit der Übernahme „zu einem der größten Life-Science-Anbieter der Welt aufgestiegen“, konstatierte Vorstandschef Karl-Ludwig Kley. Ihm zufolge war 2015 „nicht nur ein ereignisreiches Jahr für Merck, sondern vor allem ein erfolgreiches.“ Der Konzern sei „erneut profitabel gewachsen“ und habe mit der Übernahme von Sigma-Aldrich „den Portfolio-Umbau der letzten Jahre erfolgreich abgeschlossen.“

 

Rund 54 Prozent des Umsatzes (6,9 Milliarden Euro) erwirtschaftete Merck im Bereich Healthcare, auf Life Sciences entfielen 26 Prozent (3,3 Milliarden Euro), auf den Bereich Performance Materials, zu dem unter anderem Flüssigkristalle sowie Pigmente gehören, schließlich 20 Prozent (2,5 Milliarden Euro). Regional betrachtet, entfielen auf dem asiatisch-pazifischen Raum etwa 33 Prozent des Umsatzes, auf Europa 32 Prozent, auf Nordamerika 21 Prozent, auf Lateinamerika zehn Prozent und auf den Mittleren Osten sowie Afrika rund vier Prozent.

 

Leichter organischer Anstieg“

 

Für heuer rechnet Merck mit einem „leichten organischen Anstieg der Umsatzerlöse gegenüber dem Vorjahr“. Im Bereich Healthcare sei allerdings von einem „starken organischen Rückgang“ auszugehen. Als Grund wird das „weiterhin herausfordernde Marktumfeld“ für das umsatzstärkste Medikament, Rebif, genannt. Für die Bereiche Life Sciences und Performance Materials erwartet Merck dagegen leichte Umsatzzuwächse. Hinsichtlich des EBITDA wird vor Sondereinflüssen ein Anstieg „im niedrigen zweistelligen Prozentbereich“ prognostiziert.

 

Für Kley war die Bilanz des Jahres 2015 die letzte seiner Laufbahn. Er geht Ende April in Pension. Als Vorstandschef folgt ihm sein derzeitiger Stellvertreter Stefan Oschmann, der unter anderem für die Strategie der Merck-Gruppe zuständig ist.

 

 

M&A: A. T. Kearney erwartet „Rekordjahr“

Ein „Jahr der Rekorde“ könnte 2016 werden, was Mergers&Acquisitions (M&A) in der weltweiten Chemieindustrie betrifft. Das prognostiziert das Beratungsunternehmen A.T. Kearney in seinem „Chemicals Executive M&A Report 2016“. Ihm zufolge könnte das kumulierte Transaktionsvolumen den bisherigen „Rekord“ des Jahres 2011 (151 Milliarden US-Dollar) übersteigen und etwa doppelt so hoch sein wie jenes von 2015. Ausschlaggebend dafür ist eine Reihe geplanter Megafusionen wie etwa jene von Dow Chemical und DuPont sowie Übernahmen wie jene von Syngenta durch ChemChina. Neben Investitionen sieht A. T. Kearney aber auch Divestitionen, um Portfolios zu bereinigen.

 

Die für den Report befragten Manager von Chemieunternehmen sehen vor allem fünf Faktoren, die allfällige M&A-Aktivitäten beeinflussen:

Erstens gibt es kaum Potenzial für organisches Wachstum. Verglichen mit ihren Erträgen seien etliche Chemieunternehmen bereits 2015 hoch bewertet gewesen. Um die Erwartungen der Analysten zu erfüllen, müssten sie nunmehr Wachstum darstellen. Wenn dies nicht organisch möglich sei, müsse es durch Akquisitionen bzw. Fusionen erfolgen.

Zweitens beeinflussen die niedrigen Ölpreise die Branche sowohl positiv als auch negativ. Unternehmen, die negativ betroffen sind, könnten sich gezwungen sehen, Vermögenswerte abzustoßen, um so ihre Bilanzen zu verbessern.

Der dritte Faktor sind Portfoliobereinigungen, um die Profitabilität und das Kerngeschäft zu stärken.

Viertens suchen Investoren nach Anlagemöglichkeiten.

Fünftens schließlich werden die Preise für Vormaterialien genannt. Durch die Schieferöl- und Schiefergasförderung haben US-amerikanische Chemiekonzerne Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz in Europa. Dies könnte ihnen die Möglichkeit eröffnen, sich verstärkt im Bereich M&A zu betätigen.

 

Ferner erwähnt A. T. Kearney noch einen weiteren Faktor: Steuerersparnisse, die sich sowohl durch Divestments als auch durch Fusionen ergeben können. „Wir erwarten, dass diesbezügliche Überlegungen 2016 eine wesentliche Rolle bei M&A-Aktivitäten spielen werden“, heißt es in dem Bericht.

 

 

Schwerpunkt Nordamerika

 

Geographisch betrachtet, dürfte der Schwerpunkt der M&As laut A. T. Kearney in Nordamerika liegen, auf die rund 22 Prozent der Transaktionen entfallen dürften. Dies deute sich bereits durch die geplante Dow-DuPont-Transaktion an. Mehrere weitere große „Deals“ seien vorgesehen, darunter der Kauf von Unternehmensteilen der niederländischen OCI durch die US-amerikanische CF Industries, der mit rund acht Milliarden US-Dollar zu Buche schlagen würde. An zweiter Stelle sieht A. T. Kearney China, wo bereits rund 21 Prozent aller M&As im Chemiesektor stattfinden sollten. Chinesische Unternehmen versuchten zunehmend, Know-how auf Weltklasseniveau zu erwerben und bemühten sich um Investitionsmöglichkeiten außerhalb des nicht mehr so rasch wachsenden Heimmarktes. In ihren Blick gerieten nicht zuletzt unterbewertete europäische Unternehmungen.

 

Dem A.-T.-Kearney-Berater Joachim von Hoyningen-Huene zufolge bringen die Mega-Deals der europäischen und damit nicht zuletzt auch der deutschen Chemieindustrie aber auch einige Chancen. Seine Überlegung: „Wettbewerbsbehörden werden darauf bestehen, dass Unternehmensteile mit Milliarden-Umsätzen veräußert werden, um Marktdominanz in allen Märkten zu vermeiden. Diese Unternehmensteile können dann weniger spektakulär, aber durchaus profitabel das Kerngeschäft europäischer Unternehmen verstärken.“

 

Eine Kurzfassung der Studie ist unter https://www.atkearney.de/chemieindustrie verfügbar.