Archive - Mär 16, 2017

Paradigmenwechsel in der Bergbaubrache

Die Digitalisierung kommt nicht ohne mineralische Rohstoffe aus und braucht daher „Bodenhaftung“. Gleichzeitig bietet sie der Bergbau- und Mineralrohstoffindustrie etliche Chancen, hieß es bei der EUMICON-Enquete 2017 in Wien.

 

Die Steigerung der Produktivität und das bestmögliche Nutzen der Digitalisierung sind die derzeit wesentlichsten Herausforderungen für die europäische Bergbauindustrie. Das sagte Mark Rachovides, der Präsident des Branchenverbandes Euromines bei der Jahrestagung der European Mineral Resources Federation (EUMICON), der EUMICON-Enquete 2017, am 15. März in Wien. Ihm zufolge muss die Branche ihre Geschäftsmodelle grundlegend überprüfen und ändern. Zurzeit laute das Paradigma „mine-to-mill“, also von der Rohstoffförderung zur Aufbereitung. „Künftig geht es aber um market-to-mine. Das bedeutet, der Markt bestimmt, was wir zu tun haben“, erläuterte Rachovides. Rohstoffe seien mittlerweile Commodities. Folglich werde mit ihnen auch spekulativ gehandelt: „Also müssen wir Wege finden, damit umzugehen.“ Grundsätzlich sieht Rachovides die europäische Bergbauindustrie im internationalen Vergleich gut aufgestellt. Sie sei in technischer Hinsicht weltweit führend und verfüge über exzellent ausgebildete Mitarbeiter. Ferner gibt es laut Rachovides auf allen Ebenen hervorragende Ausbildungsstätten, darunter die Montanuniversität Leoben. In einem weltweiten „Ranking“ der Bergbau-Universitäten nehme diese den neunten Platz ein. „Ich bin daher optimistisch, dass wir uns im globalen Wettbewerb behaupten werden“, konstatierte Rachovides.

 

Datenflut verstehen

 

Laut Wilfried Eichlseder, dem Rektor der Montanuniversität, beläuft sich der weltweite Bedarf an mineralischen Rohstoffen derzeit auf etwa 41 Milliarden Tonnen pro Jahr. Vom Volumen her betrachtet, entspricht das einem Würfel mit einer Kantenlänge von 2,4 Kilometern bzw. dem siebenfachen Rauminhalt des steirischen Erzbergs. Und damit nicht genug: „Bis 2030 wird mit einer Verdopplung dieses Bedarfs gerechnet.“ Es gelte daher, nicht zuletzt auch der europäischen Industrie den Zugang zu den nötigen Rohstoffen zu sichern: „Das wird vielleicht nicht ganz friedfertig über die Bühne gehen.“ Letzten Endes müsse sich die Wirtschaft „von der Wertschöpfungskette zum Wertschöpfungskreislauf“ entwickeln. Dazu könnten digitale Technologien einen wesentlichen Beitrag leisten. Das Wichtigste dabei sei das gründliche Verständnis der „Flut“ an erhobenen Daten. Mathematische Modelle alleine reichten zu deren Interpretation nicht aus. „Man muss die Physik verstehen. Das heißt, wir brauchen cyberphysische Systeme“, erläuterte Eichlseder. Notwendig seien freilich auch Personen, die mit solchen Systemen umzugehen verstünden. Und das wiederum mache eine gründliche Ausbildung unverzichtbar. Beginnen sollte diese nach Ansicht Eichlseders „spätestens im Kindergarten“.

 

Laut Otto van der Ende, Spezialist für die Bergbau- und Mineralrohstoffindustrie beim Beratungsunternehmen McKinsey, wird der Bergbau der Zukunft „als voll integrierte digitale Plattform organisiert sein“. Schon heute sei der Betrieb von Untertageminen ohne in den Minen selbst arbeitende Bergleute möglich. Die Digitalisierung könne auch in dieser Branche die Produktivität erheblich steigern.

 

EUMICON-Präsident Franz Friesenbichler ergänzte, die Digitalisierung brauche „Bodenhaftung. Denn ohne Hardware und damit ohne mineralische Rohstoffe wird es sie nicht geben“. Die Mineralrohstoffindustrie betrachte die Digitalisierung deshalb als „große Chance“. Ihm zufolge handelt es sich dabei um die „integrierte Vernetzung bereits derzeit hochautomatisierter Produktionsprozesse mit den eigenen Geschäftsprozessen und den Geschäftsprozessen der Kunden“. Laufend würden neue Materialien, Produkte und Dienstleistungen entwickelt. Entgegen weit verbreiteter Ansichten könne die Digitalisierung auch nicht als „Jobkiller“ betrachtet werden. Vielmehr entstünden neue Berufsbilder und Arbeitsprofile, die freilich auch neue Anforderungen an die Beschäftigten stellten, insbesondere, was deren Flexibilität betreffe. Um weiterhin erfolgreich agieren zu können, benötige die Branche entsprechende politische sowie regulatorische Rahmenbedingungen, konstatierte Friesenbichler, der auch Obmann des Fachverbands Bergbau-Stahl der Wirtschaftskammer Österreich ist. Dazu gehöre etwa ein längerfristig wirksamer Investitionsschutz, wobei ihm etwa 15 Jahre vorschweben. Auf Nachfrage des Chemiereports erläuterte Friesenbichler, beispielsweise sollten neue Abgasnormen für Untertagemaschinen nur mit längeren Vorlaufzeiten eingeführt werden. Eine neue Maschine in der Mine in Betrieb zu nehmen, dauere etwa drei Jahre, für die Lieferung seien weitere rund drei Jahre zu veranschlagen: „Daher sollten Abgasgrenzwerte nicht alle fünf Jahre neu festgelegt werden.“

 

Flexibler arbeiten

 

Neue Regelungen wünscht sich Friesenbichler auch hinsichtlich der Arbeitszeiten. Wie er auf Anfrage des Chemiereports berichtete, betrifft dies etwa Änderungen bei den Schichtmodellen. Zurzeit müsse jede solche Änderung mit dem Betriebsrat abgestimmt werden. Das dauere rund 14 Tage. Friesenbichler zufolge müssten Umstellungen hingegen „im Tagesrhythmus“ erfolgen können. Dass es letztlich um die Abschaffung jeglicher Regelarbeitszeiten und um Mitarbeiter mit der Flexibilität von Maschinen geht, dementierte Friesenbichler: „Wir wollen auch nicht, dass die Leute zwölf Stunden am Tag arbeiten. Es geht nur darum, je nach Auftragsanfall früher oder später beginnen und entsprechend enden zu können.“

 

Bereits jetzt werden laut Friesenbichler in seinem Unternehmen, der Imerys Talc Austria, etwa 40 Prozent der Aufträge weitgehend automatisiert und ohne Beteiligung von Mitarbeitern abgearbeitet. Der jeweilige Kunde platziere einen Auftrag im Softwaresystem des Unternehmens. Dieser werde verifiziert und ausgeführt. Gleichzeitig ergehe eine Nachricht an den Logistiker. Dieser sende zu gegebener Zeit einen LKW zum Abtransport des Produkts, der automatisch beladen werde. Friesenbichler strebt an, künftig etwa 80 Prozent seiner Aufträge so zu bewältigen. „Der Mensch wird auch in Zukunft noch da sein. Aber es wird sich ändern, was er tut. Er wird auf absehbare Zeit immer noch die Verantwortung dafür haben, was geschieht“, resümierte Friesenbichler.

 

 

ECHA: Glyphosat nicht als krebserregend einzustufen

Die Europäische Chemikalienagentur hat ihre Untersuchung zu dem Pflanzenschutzmittel abgeschlossen. Der Bericht wird demnächst an die EU-Kommission übermittelt.

 

Das Pflanzenschutzmittel Glyphosat ist laut den Kriterien der Europäischen Chemikalienagentur ECHA nicht als krebserregend, mutagen oder reproduktionstoxisch einzustufen. Das ergab eine umfassende Untersuchung durch ihr Risk Assessment Committee (RAC), meldete die Agentur am 15. März in einer Aussendung. Auch weiterhin stuft die ECHA Glyphosat jedoch augenschädigend und toxisch mit langfristig wirksamen Effekten für Wasserlebewesen ein. Bei einem von der ECHA online gestellten Pressegespräch sagte der Vorsitzende des RAC, Tim Bowmer, die Entscheidung des Komitees sei im Konsens getroffen worden, also ohne Gegenstimmen.

 

Laut der ECHA-Aussendung wird der Untersuchungsbericht nun noch editorisch geprüft und anschließend der EU-Kommission übermittelt. Bowmer zufolge ist damit schon bald zu rechnen. Der Bericht wird auch auf der Website der ECHA veröffentlicht. Der EU-Kommission obliegt es, über die weitere Zulassung von Glyphosat zu entscheiden. Vorläufig gilt die Zulassung bis Ende des heurigen Jahres. Laut Jack de Bruijn, Director of Risk Assessment der ECHA, können die EU-Mitgliedsstaaten ungeachtet einer allfälligen Entscheidung der Kommission die Verwendung glyphosathältiger Pflanzenschutzmittel auf ihrem jeweiligen Territorium untersagen.

 

Ausdrücklich betonte die ECHA, dass sie ausschließlich die grundsätzliche Gefährlichkeit von Glyphosat bewertete. Nicht untersucht wurden dagegen mögliche Risiken beim Einsatz des Mittels (Exposition). Laut de Bruijn ist dafür die European Food Safety Authority (EFSA) zuständig.