Archive - Feb 2008

February 4th

Allergische Rhinitis: EU-Zulassung für Fluticason furoat

Avamys von <a href=http://www.gsk.com>GlaxoSmithKline</a>, ein 1 x täglich anzuwendender Nasenspray mit Fluticason furoat, hat die Zulassung durch die EU-Kommission erhalten. Es ist die erste intranasale Kortisonbehandlung, die Verbesserungen sowohl bei allergiebedingten Nasen- als auch Augensymptomen zeigt. <table> <td><% image name="GSK_Veramyst" %></td> <td> Die neue Behandlung ist für jene 60 Mio Europäer gedacht, deren Arbeits- und Privatleben durch die Symptome der allergischen Rhinitis massiv beeinträchtigt wird. In klinischen Studien zeigte das neue Steroid mit stärkerer Rezeptorbindung eine konsistente und anhaltende Erleichterung bei sowohl nasalen als auch okularen Symptomen, die durch eine saisonale Rhinitis auftraten.<p> <b>Avamys</b> hat einen neuartigen Pumpmechanismus, der auf der Seite des Gerätes angebracht wurde. Das erlaubt es insbesondere Kindern, den Pumpmechanismus einfach (mit einem Finger) und sicher auszulösen. Da das Gesamtvolumen pro Sprühstoß um einiges geringer ist als bei den bisher verfügbaren Sprays, sind die Patienten nicht mehr mit einem unangenehmen Rinnen der Substanz konfrontiert. </td> </table> <small> In den USA wurde Avamys durch die FDA bereits im April 2007 unter dem Handelsnamen Veramyst zugelassen. </small> Allergische Rhinitis: EU-Zulassung für Fluticason furoat

Wie aggressive Fliegen artig werden

Wenn 2 Taufliegen-Männchen aneinander geraten, kann es ganz schön heftig zur Sache gehen. Das aggressive Verhalten der Insekten lässt sich allerdings fast komplett dämpfen, wenn man im Nervensystem den Botenstoff Octopamin ausschaltet, berichten Forscher vom Biozentrum der Uni Würzburg. <% image name="Drosophila_Ausfallschritt" %><p> <small> So läuft der "aggressive Ausfallschritt" beim Kampf zweier Taufliegen-Männchen ab: Das dominante Tier stellt sich auf die Hinterbeine, saust mit aller Kraft auf seinen Gegner herunter und versucht ihn zu packen. Der Kopf der "zuschlagenden" Fliege erreicht dabei eine Beschleunigung von 30 m/sek im Quadrat. Eine Taufliege ist etwa 3 mm groß. &copy; Biozentrum, Uni Würzburg </small> Taufliegen können aus verschiedenen Gründen ausrasten. Drosophila-Männchen etwa werden angriffslustig, wenn sie ein Territorium verteidigen wollen. Setzt man 2 von ihnen in einen kleinen Behälter, in dem eine Futterstelle mit gezuckertem Apfelsaft lockt, so dauert es nur wenige Minuten, bis eines der Männchen dominant wird. Es hindert dann seinen Konkurrenten daran, an das Futter zu gehen - mit teils rabiaten Methoden. <table> <td width="120"></td><td><small> So bäumt sich das überlegene Tier auf und wirft sich mit voller Wucht auf seinen Gegner. Es versucht, ihn mit den Vorderbeinen zu packen und vom Futter wegzudrängen. Wenn dieser Ringkampf gut gelingt, kann das durchaus spektakulär aussehen: Das dominante Männchen wirft sich auf seinen Konkurrenten, der noch versucht mit einem Sprung zu entfliehen. Es wird von dessen Schwung mitgerissen, schlägt einen doppelten Salto und landet sicher auf den Füßen - das andere Tier dagegen prallt mit dem Rücken zuerst auf. Ein solcher <a href=http://www.uni-wuerzburg.de/sonstiges/meldungen/videos>Angriff</a> wird als "lunge" bezeichnet. Dieses Wort kommt aus dem Englischen und bezeichnet einen Ausfallschritt beim Fechten. </small></td> </table> Susanne Hoyer befasste sich mit der beschriebenen Verhaltensweise der Drosophila-Männchen: "Wir haben rund um die Futternäpfe Kämpfe inszeniert und gefilmt. Per Computer wurde dann ausgewertet, wie oft die Fliegen 'Lunges' zeigen." Ergebnis: Die dominanten Tiere wurden pro Minute im Schnitt 4 x "ausfällig" gegen ihre Konkurrenz. Die Biologin wiederholte sodann ihre Experimente mit Mutanten und transgenen Taufliegen, die Octopamin nicht mehr produzieren konnten oder bei denen er nicht mehr richtig wirkte. Dadurch verringerte sich die Angriffslust drastisch: Die Zahl der ausgeführten "Lunges" ging auf weniger als 1/min zurück. Dass die Zahl nicht 0 war, freut die Forscherin - denn das hätte auch bedeuten können, dass die manipulierten Fliegen rein körperlich nicht mehr dazu in der Lage sind, das Verhalten auszuführen. <b>Octopamin</b> entspricht einem chemisch nah verwandten Stoff beim Menschen, dem <b>Noradrenalin</b>, also einem Hormon, das bei uns mit Aggressionen in Verbindung gebracht wird. Es wird in ähnlichen Situationen freigesetzt wie das Noradrenalin beim Menschen: Bei Grillen etwa tritt es in Kampfsituationen in deutlich erhöhter Konzentration auf. <small> Susanne C. Hoyer, Andreas Eckart, Anthony Herrel, Troy Zars, Susanne A. Fischer, Shannon L. Hardie, Martin Heisenberg: "Octopamine in Male Aggression of Drosophila", Current Biology (2008), DOI 10.1016/j.cub.2007.12.052 </small> Wie aggressive Fliegen artig werden

Neue Ultradur-Anwendung: Lenkwinkelsensor von Bosch

Der Lenkwinkelsensor, den <a href=http://www.bosch.de>Bosch</a> für verschiedene internationale Automobilhersteller herstellt, wird nun aus Ultradur High Speed gefertigt, dem besonders gut fließfähigen PBT der <a href=http://www.basf.de>BASF</a>. Dieser Kunststoff erlaubt dem Spritzgießer nicht nur eine deutliche Zykluszeitverkürzung, sondern auch eine noch filigranere Gestaltung seiner Bauteile. Neue Ultradur-Anwendung: Lenkwinkelsensor von Bosch <% image name="Bosch_Lenkwinkelsensor" %><p> <small> Durch den immer enger werdenden Bauraum unter der Motorhaube steigen auch die Anforderungen an Steuerungs- und Sensorelektronik. Das Kunststoffgehäuse des neusten Lenkwinkelsensors von Bosch ist daher noch dünnwandiger und filigraner (rechts oben) und der Kunststoff, aus dem er gefertigt wird, muss deshalb sehr gut fließen. Bosch verwendet dazu Ultradur B4300 G4 LS High Speed, eine laserbeschriftbare und mit 20 % Glasfasern verstärkte Version des besonders fließfähigen PBT der BASF. </small> <table> <td width="120"></td><td> Der Lenkwinkelsensor ist ein wesentlicher Bestandteil für die Sicherheit im Fahrzeug, und gibt Informationen über die Position des Lenkrads an das elektronische Stabilitätsprogramm (ESP) weiter. Daher sitzt das Bauteil mit seiner Elektronik direkt an der Lenksäule. </td> </table> Nach der ersten Sensor-Generation aus Ultradur B4300 G4 LS High Speed hat Bosch nun für die aktuellsten Fahrzeuggenerationen einen neuen Sensor entwickelt, der vor Kurzem in Serie gegangen ist. Durch die immer weiter steigenden Anforderungen an den Bauraum musste der neue Lenkwinkelsensor noch dünnwandiger und filigraner sein als sein Vorgänger. Das anspruchsvolle Spritzgießwerkzeug kann mit Standard-PBT nur zu 1/3 gefüllt werden. Mit Ultradur High Speed, dessen gute Verarbeitbarkeit auf einer von BASF speziell entwickelten Nanotechnik beruht, ist der Sensor jedoch problemlos herzustellen. Darüber hinaus ist der Lenkwinkelsensor aus diesem Kunststoff mit hohem Kontrast laserbeschriftbar. Das ermöglicht es, die Bauteile mit sehr feinen, so genannten Data-Matrix-Codes zu kennzeichnen, die auf kleinster Fläche zahlreiche Bauteilinformationen enthalten. Während die Entwicklung bei Bosch in Abstatt stattfindet, werden die Bauteile bei der australischen Bosch-Tochter endoptimiert und montiert. Das Material ist für den weltweiten Einsatz bei Bosch zugelassen. <small> <b>Ultradur High Speed:</b> ist mittels eines speziellen Nano-Additivs modifiziertes Polybutylenterephthalat. Dessen verbesserte Fließfähigkeit lässt sich dazu nutzen, die Verarbeitungstemperatur und auch den Einspritz- und Haltedruck in der Spritzgießmaschine zu senken. Hier sind Energieeinsparungen bis zu 20 % möglich; die Zykluszeit lässt sich um bis zu 30 % reduzieren. Alternativ können Werkzeuge einfacher gestaltet und neue Bauteile dünnwandiger sein, so dass deutlich Material eingespart wird. </small>

2007: Rekordjahr für Gerresheimer

<a href=http://www.gerresheimer.de>Gerresheimer</a> hat nach vorläufigen Zahlen ein weiteres Rekordjahr abgeschlossen. Danach erzielte das Düsseldorfer Unternehmen 2007 einen Umsatz von 957,7 Mio €, ein Plus von 48,1 %; die bereinigte Konzern-EBITDA-Marge erreichte 19 %. <table> <td> Gerresheimer-Chef Axel Herberg sieht seine Strategie durch die Entwicklung bestätigt: "Mit Akquisitionen haben wir unsere globale Präsenz und unser Portfolio ausgebaut und die Weichen für weiteres Wachstum gestellt."<p> Kurz nach Übernahme der in Spanien und Argentinien produzierenden EDP gab das Unternehmen jetzt die Akquisition der Allplas Embalagens bekannt, die in Brasilien Marktführerin mit pharmazeutischen Kunststoffverpackungen ist. Mit Allplas, die in São Paulo 2 Produktionen betreibt, verfügt Gerresheimer nun über 3 bedeutende Standorte in Lateinamerika. </td> <td><% image name="Herberg_Gerresheimer" %></td> </table> Allplas fertigt hochwertige Fläschchen, Anwendungs- und Verschlusssysteme für flüssige und feste Arzneimittel, die sich mit dem Produktprogramm von Gerresheimer kombinieren lassen. Dabei soll auch das vorhandene, bisher vorwiegend in Europa vermarktete Kunststoffportfolio von Gerresheimer verstärkt Eingang in die südamerikanischen Pharmamärkte finden. Derzeit erwirtschaftet Allplas einen Umsatz von rund 16 Mio €. Wie EDP wird auch Allplas dem Segment Plastic Packaging zugeordnet, das mit Marken wie Duma, Dudek und EDP auf Pharma-Primärverpackungen und Anwendungssysteme spezialisiert ist. <small> Mit den beiden Akquisitionen erreichen die Kunststoffaktivitäten von Gerresheimer ein Umsatzvolumen von rund 350 Mio €, davon entfallen rund 100 Mio € auf das Plastic Packaging Segment. </small> 2007: Rekordjahr für Gerresheimer

DNA-Extraktionssystem GeneMole eingeführt

Die norwegische <a href=http://www.molegenetics.com>Mole Genetics</a> hat das automatisierte DNA-Extraktionssystem GeneMole europaweit eingeführt. Mit GeneMole soll eine "Low-Throughput" DNA-Aufreinigung in jedem Labor möglich werden. DNA-Extraktionssystem GeneMole eingeführt <% image name="Mole_GeneMole" %><p> <small> Das kompakte Instrument ist ab 9.500 € zu haben, vermarktet wird es von VWR. </small> GeneMole ist ein vollautomatisches System, dessen Roboter bis zu 16 Proben gleichzeitig bedienen kann. Die Proben werden in ein Rack geladen und danach vom Roboter in versiegelte MoleStrips übergeführt, welche mit den Reagenzien vorgefüllt sind. Diese Einwegbehälter verhindern ein Crossover bzw. Kontaminationen. Die Probenvolumina reichen von 50-200 µl. Das via Touch-Screen zu bedienende Gerät ist binnen 3 min installiert. Die Aufreinigung basiert auf magnetischen Kügelchen ("Beads"), sodass hochqualitative Nukleinsäuren für weitere Downstream-Anwendungen innerhalb von 40 min zur Verfügung stehen.

HenaLine: Neue Drehschieberpumpen von Pfeiffer

<a href=http://www.pfeiffer-vacuum.net>Pfeiffer Vacuum</a> hat mit der HenaLine eine neue Reihe ölgedichteter Drehschieberpumpen eingeführt, die sowohl für Anwendungen in der Industrie als auch in der Forschung geeignet sind. Sie erzeugen ein Vakuum mit einem Saugvermögen von 25-1.000 m³/h. <% image name="Pfeiffer_Vacuum_HenaLine" %><p> <small> Die neuen Pumpen sind als Einzelpumpe oder als Vorpumpe einsetzbar. </small> Als Vorpumpe in Wälzkolben-Pumpständen sind sie ideal für Anwendungen in der Metallurgie, der Helium-Lecksuche oder der Vakuumtrocknung und -entgasung. Die niedrige Betriebstemperatur erhöht die Standzeit des Öls und die Pumpe kommt ohne zusätzliche Wasserkühlung aus. Ölnebelabscheider, Ölrückführung und Sicherheitsventile sind serienmäßig integriert. Sie verhindern eine Verschmutzung der Umgebungsluft und schützen sowohl die Pumpe als auch die Anlage. Durch das Gasballastventil wird darüber hinaus ein Abpumpen von Wasserdampf und anderen Prozessdämpfen gewährleistet. HenaLine: Neue Drehschieberpumpen von Pfeiffer

February 3rd

QVE1901: Neuer Strömungswächter von Siemens

Für anspruchsvolle Betriebsbedingungen ist der neue Strömungswächter QVE1901 aus dem „Symaro“-Fühlersortiment von <a href=http://www.siemens.de>Siemens</a> konzipiert: Geeignet für einen hohen Druckbereich (bis zu 25 bar), gegen Verschmutzung oder Vereisung kaum empfindlich und Entzinkung resistent. Seine Schaltpunktgenauigkeit bleibt über die gesamte Lebensdauer erhalten. <% image name="Siemens_Stroemungswaechter" %><p> <small> Der Trockenlaufschutz des QVE1901 führt zum automatischen Abschalten eines Motors. </small> Der neue Sensor verfügt er über einen Reedkontakt, der mit einem Magnetfeld berührungslos schaltet. Deshalb bleibt der Schaltpunkt stabil, im Gegensatz zu Produkten mit Mikroschaltern, deren Rückstellfedern altern. Zudem bleibt dank einer Glasfaserverstärkung das Paddel stabil und lagert keinen Kalk an, wobei die Länge des Paddels bequem mit einer kleinen Zange auf das gewünschte Maß gekürzt werden kann. Der QVE1901 eignet sich für die Einbindung in Gebäudeautomationssysteme, hilft Energie zu sparen und Schäden durch Feuchtigkeit zu verhindern. Denn in Kombination mit Druckerhöhungspumpen steuert er die bedarfsgerechte Zuschaltung und gewährleistet den erforderlichen Wasserdruck im System. Sein Trockenlaufschutz führt zum Abschalten eines Motors, wenn kein Durchfluss vorhanden ist, und in schnellen Durchlauferhitzern wird der Heizer nur gestartet, wenn Wasser entnommen wird. QVE1901: Neuer Strömungswächter von Siemens

February 2nd

Die Vorzüge der Npro-Fusionstechnologie

Die Forschungsarbeit von Clemens Achmüller an der Universität Innsbruck wurde Ende 2007 mit dem vom Chemie Report vergebenen <a href=http://chemiereport.at/chemiereport/stories/7026>ALSA 2007</a> belohnt. Der junge Tiroler beschreibt, wie die Produktion von Proteinen dank der N<small>pro</small> Fusionstechnologie mit authentischen N-Termini in E. coli möglich ist. <table> <td> Gentechnisch veränderte Kolibakterien werden wegen der guten genetischen Charakterisierung und der schnellen Ansammlung von Biomasse seit Jahrzehnten für die industrielle Produktion therapeutische Proteine verwendet. Jedoch unterscheiden sich die Proteine aus den Bakterien leicht von denen höherer Zellen: die bakterielle Proteinsynthese beginnt nämlich mit formyl-Methionin anstatt Methionin. Die Formylgruppe wird durch Deformylasen und das Methionin durch Amino-Peptidasen entfernt. Werden rekombinante Proteine überexprimiert, entsteht eine heterogene Mischung in Bezug auf deren N Terminus, weil beide Reaktionen sehr ineffizient sind. </td> <td><% image name="ALSA_Achmueller" %></td> </table><p> <small> Clemens Achmüller bei der Verleihung des ALSA 2007. Seine Forschungsarbeit hat bei Sandoz und Boehringer Ingelheim für hohe Produktivitätssprünge gesorgt. © Thomas Preiss </small>

 

Aufwendige und teure Downstream Processing Schritte sind nötig, um das gewünschte Produkt hochrein zu erhalten. Gelingt dies nicht, wird die Zulassung des Medikamentes durch die Gesundheitsbehörde blockiert, da es im Patienten zu unerwünschten Immunreaktionen oder zu einer veränderten Pharmakokinetik kommen kann. Zurzeit werden so genannte Fusions-Tags verwendet, welche anschließend durch chemische oder enzymatische Spaltung entfernt werden, um den homogenen N-Terminus zu erhalten. Da zuerst ein Enzym zugeben werden muss, um es dann gemeinsam mit dem abgespaltenen Tag wieder zu entfernen, wird der gesamte Prozess verteuert. Unerwünschte Spaltungen innerhalb des Zielproteins und unvollständige Entfernung des Tags können den Produktionsprozess verlangsamen und die Kosten weiter nach oben treiben. Verwendung von N-terminalen Signalsequenzen, um das Zielprotein ins Periplasma zu treiben ist ein weiterer gängiger Ansatz. Nach erfolgter Translokation werden die Signalsequenzen enzymatisch abgespalten, jedoch sind die Produktausbeuten sehr gering. Effizientere Methoden sind zurzeit noch rar. Erst kürzlich wurden so genannte Inteine (Protein Splicing Elemente) als selbst-spaltende Tags eingeführt. Über deren industriellen Einsatz gibt es zurzeit noch keine Berichte und die Ausbeuten scheinen ebenfalls nicht sehr hoch zu sein. Das <a href=http://www.acbt.at>Austrian Center of Biopharmaceutical Technology</a> nutzt Synergismen zwischen universitären Instituten (Institut für angewandte Mikrobiologie der BOKU Wien und Institut für Biochemie der Universität Innsbruck) und Industrie (Sandoz, Boehringer Ingelheim und Ionimed), um effizientere und schnellere biopharmazeutische Produktionsprozesse zu entwickeln. Es sollte unter anderem ein neuartiges prokaryotisches Expressionssystem entwickelt werden, mit dem der gewünschte N Terminus auf einfache und effiziente Weise erhalten werden kann. Die Forscher des Kompetenzzentrums versuchten die Autoprotease N<small>pro</small> (168 Aminosäuren) vom Schweinepestvirus als selbstspaltenden Fusions-Tag für die biotechnologische Anwendung zweckzuentfremden (N<small>pro</small> Fusionstechnologie). Dabei will man das gewünschte Zielprotein als Fusionsprotein mit N<small>pro</small> in sog. Inclusion Bodies (IB), inerte unlösliche Proteinaggregate exprimieren, um auch toxische Proteine und Peptide herstellen zu können. Peptide werden normalerweise im Bakterium proteolytisch abgebaut. Somit dient die Autoprotease als N-terminale Schutzkappe welche das therapeutische Protein zunächst in Inclusion Bodies treibt, um es vor unerwünschten chemischen oder enzymatischen Modifikationen zu schützen. Nachdem die Fusionsproteine aufgereinigt wurden, wird die autoproteolytische Aktivität von N<small>pro</small> durch so genanntes in vitro Protein Refolding aktiviert, um das Zielprotein mit authentischen N-Termini freizusetzen (siehe Abb. 1). Bei der Umsetzung der geplanten Strategie mussten die Forscher mit einer Reihe von Problemen kämpfen: N<small>pro</small> war von Natur aus für die Funktion im Schweinepestvirus optimiert und schien gänzlich ungeeignet für eine biotechnologische Anwendung. Im natürlichen Wirt spaltet sich N<small>pro</small> co-translational vom viralen Polypeptid ab, das genaue Gegenteil von der geplanten Expression des Fusionsproteins in den Bakterien. Außerdem konnte eine Reihe von Proteinen nicht abgespalten werden, da N<small>pro</small> sehr unlöslich ist und gemeinsam mit dem Fusionspartner während dem Protein Refolding präzipitierte. Das ambitionierte Projekt stand auf sehr wackeligen Beinen und ein Abbruch des Projektes stand im Raum. Wir von der Arbeitsgruppe um Bernhard Auer vom Institut für Biochemie der Universität Innsbruck haben versucht, die physiko-chemischen Eigenschaften der Autoprotease (Anzahl Cysteine, isoelektrischer Punkt, aliphatischer Index) durch ortsgerichtete Mutationen und anschließendem Screening zu verändern („Protein Engineering“). Wir konnten eine verbesserte N<small>pro</small> Mutante (EDDIE) mit reduzierter Tendenz zur Aggregation generieren [1]. <% image name="Achmueller_Grafik" %><p> <small> Abb. 1. Schema der Npro Fusionstechnologie: Das Gen für das gewünschte Zielprotein wird an das Npro Gen fusioniert, in einen Expressionsvektor kloniert und in E. coli Zellen transformiert. Expression der Fusionsproteine als Inclusion Bodies (IB) und anschließende Isolation der IB. Chaotrop (strukturzerstörend) wirkende Agentien werden benötigt, um die aggregierten Fusionsproteine aufzulösen. Durch in vitro Refolding (Änderung der Bedingungen von chaotrop zu kosmotrop; strukturausbildend) wird die Autoprotease aktiviert und befreit das Zielprotein (Target) mit dem gewünschten N-Terminus (X169, X steht für alle proteinogenen Aminosäuren, außer Prolin). </small> Erst jetzt war es möglich eine Reihe von Proteinen abzuspalten, welche von der Wildtyp Autoprotease nicht befreit werden konnten. Weiters hatte EDDIE eine geringere Aktivität in der bakteriellen Zelle und wies in vitro eine generell erhöhte Spaltungsrate (bis zu 95 %) und -kinetik auf. Wir konnten auch zeigen, dass alle proteinogenen Aminosäuren (außer Prolin) direkt nach der Spaltstelle eingesetzt werden können. Somit kann EDDIE als universeller Tag verwendet werden. Zusätzlich können mit Hilfe dieser neuen Technologie toxische Proteine und Peptide in E. coli in hoher Ausbeute (bis zu 12 g/l) produziert werden. Aufgrund der Neigung von EDDIE Inclusion Bodies zu bilden, können neue Produktionsprozesses innerhalb kürzester Zeit entwickelt werden, da dies für jedes Zielprotein gleichermaßen gilt. Forscher um Alois Jungbauer vom Institut für Angewandte Mikrobiologie an der BOKU Wien versuchen gerade, Peptide mit Affinität gegen die veränderte Autoprotease EDDIE unter chaotropen Bedingungen zu entwickeln, um die Aktivierung des Enzyms auf einem Affinitätsmaterial unter hohen Proteinkonzentrationen durchzuführen. Angewendet wird die <small>Npro</small> Fusionstechnologie bereits von Sandoz und Boehringer Ingelheim Austria. Insgesamt konnten diese beiden Unternehmen auf Anhieb eine bis zu 40-fache Steigerung der Gesamtproduktivität im Vergleich zu einer konventionellen Produktionsstrategie erzielen. <small> Referenz: [1] C. Achmüller, W. Kaar, K. Ahrer, P. Wechner, R. Hahn, F. Werther, H. Schmidinger, M. Cserjan-Puschmann, F. Clementschitsch, G. Striedner, K. Bayer, A. Jungbauer, & B. Auer. Npro fusion technology to produce proteins with authentic N termini in Escherichia coli. Nature Methods. 2007 Dec; 4(12):1037-1043. </small>

Mehr als nur „Chlorophyll-Müll“

Kaum ein biologisches Phänomen ruft ein solch eindrucksvolles Farbspektakel hervor wie der herbstliche Chlorophyll-Abbau, der gelbe und rote Pigmente zutage treten lässt. Der grüne Farbstoff verschwindet allerdings nicht nur aus Blättern, sondern auch aus einem für die Jahreszeit typischen Nahrungsmittel: dem Obst. Innsbrucker Chemiker haben nachgewiesen, dass in reifen Früchten und bunten Blättern exakt dieselben Chlorophyll-Abbauprodukte zu finden sind. <i>Carola Hanisch</i> <% image name="Ahornblatt" %><p> <small> Das grüne Pigment wird in bunten Blättern und reifem Obst zu farblosen antioxidativen Substanzen abgebaut. </small> Chlorophyll ist eines der wichtigsten Moleküle des Lebens, dient es doch zur Photosynthese, also zur Umwandlung von Wasser und Kohlendioxid zu Glucose. Dabei setzt es Lichtenergie sehr effizient in chemische Energie um. Im Herbst, wenn die Pflanzen Nährstoffe aus ihren Blättern zurück gewinnen, verschwindet auch das Chlorophyll. Jährlich werden riesige Mengen des grünen Blattfarbstoffs abgebaut: Rund 1 Mrd t weltweit. Erstaunlicherweise war es lange Zeit völlig unklar, auf welche Weise dies geschieht und welche Endprodukte dabei entstehen. Erst vor einigen Jahren konnten Bernhard Kräutler vom Institut für Organische Chemie der Uni Innsbruck gemeinsam mit Züricher Botanikern den Chlorophyllabbau-Weg aufklären und die sogenannten nichtfluoreszierenden Chlorophyll-Kataboliten (NCCs) als Endprodukte identifizieren. Sie entstehen jedes Jahr in denselben Massen, in denen Chlorophyll verschwindet. Da sie aber farblos sind, fällt dies nicht weiter auf. Die NCCs werden – zumindest in den Blättern – nicht weiter abgebaut. Sie bleiben im Blatt, bis dieses abfällt und schließlich von Mikroorganismen zersetzt wird. Dass die grüne Farbe verloren geht, liegt am weitreichenden Umbau des Chlorophyll-Gerüsts. Der grüne Blattfarbstoff ist ein viergliedriger Ring, ein Tetrapyrrol, dessen Glieder selbst auch ringförmige Moleküle sind, die Pyrrole. In der Mitte des Chlorophylls befindet sich ein Magnesiumion und außen ist eine lange, fettliebende Seitenkette angeknüpft. Bei den NCCs hingegen fehlen sowohl die Seitenkette als auch das Magnesium. Zwar sind die vier Pyrrole weiterhin miteinander verbunden, doch nur noch als Kette: Der Ring ist an einer Stelle aufgebrochen. Dass die Pflanze überhaupt die Energie aufwendet, Chlorophyll in NCCs umzuwandeln, ist eine reine Schutzmaßnahme. Chlorophyll ist zwar – in Proteine eingebunden – ungeheuer nützlich, in freier Form aber phototoxisch – der Pflanze drohen Lichtschäden. Da die schützenden Proteine des Blattes im Herbst abgebaut werden, muss auch das Chlorophyll „entschärft“ werden. Es wird solange umgewandelt werden, bis es photochemisch harmlos ist. Dies ist nach mehreren Zwischenstufen bei den NCCs schließlich der Fall. Dass diese Inhaltsstoffe verfärbter Blätter auch in Früchten vorkommen, war bisher nicht bekannt. Nun haben Kräutler und seine Mitarbeiter die NCCs auch in den Schalen und im nahe der Schale gelegenen Fruchtfleisch von reifen Äpfeln und Birnen gefunden, nicht aber in unreifen Früchten. Damit wird erstmals gezeigt, dass der Abbauweg des Chlorophylls in Blatt und Früchten gleich verläuft. Das war bisher nur Spekulation“, sagt Kräutler. Allerdings gibt es auch einige Unterschiede zwischen Blatt und Frucht. Zunächst einmal ist die Chlorophyll-Menge pro Gramm eines Blattes viel größer als in der Obstschale. Außerdem wird das Chlorophyll im Blatt nahezu vollständig zu NCCs abgebaut. Im Obst fanden die Innsbrucker allerdings nur NCCs, die etwa einem Zehntel des in unreifen Früchten vorhandenen Chlorophylls entsprechen – was den Forschern noch Rätsel aufgibt. Kräutler und seine Mitarbeiter gaben sich nun aber nicht damit zufrieden, die NCCs als reine Abfallprodukte des Chlorophyllabbaus zu betrachten und suchten nach einem Hinweis auf eine mögliche Funktion. Dabei fiel ihnen auf, dass die NCCs in ihrer Struktur dem Bilirubin ähneln, dem Abbauprodukt des Häms. Häm ist Teil des sauerstofftransportierenden Blutfarbstoffs Hämoglobin. Es ist ebenfalls ein Tetrapyrrol, allerdings im Gegensatz zu Chlorophyll mit einem Eisenion in der Mitte statt des Magnesiums. In letzter Zeit hat sich herausgestellt, dass Bilirubin nicht nur ein Abfallprodukt des Hämabbaus ist, sondern auch eine zellschützende Funktion im lebenden Organismus ausübt. Es ist ein hochwirksames Antioxidans. Antioxidantien verhindern, dass aggressive Radikale empfindliche Substanzen wie zum Beispiel Fettsäuren in Zellmembranen zerstören. Thomas Müller aus Kräutlers Gruppe wandte denjenigen Standard-Labortest an, der auch schon beim Bilirubin benutzt worden war, und stellte ebenfalls antioxidative Eigenschaften der NCCs fest. Sie waren in der Lage, die radikalische Oxidation der Fettsäure Linolsäure deutlich zu verringern, wenn auch nicht ganz so stark wie das Bilirubin. Somit reihen sich die NCCs, die seit jeher Bestandteil menschlicher Nahrung sind, in die Gruppe der im Obst enthaltenen Antioxidantien ein, zu denen beispielsweise auch die Vitamine C und E zählen. Unter den Antioxidantien gelten bislang die Flavonoide als besonders wertvoll. Ob die NCCs zu der gesundheitsfördernden Wirkung von Früchten beitragen, ist damit noch nicht geklärt. Unklar ist auch noch, zu welchem Zweck das Chlorophyll im Obst zu antioxidativen Substanzen abgebaut wird. Kräutler vermutet, dass die Früchte, die ja die Samen enthalten und somit für die Vermehrung der Pflanze verantwortlich sind, durch die antioxidative Wirkung länger haltbar sind. Nach seiner Einschätzung nutzt die Pflanze den Chlorophyll-Abbau zu unterschiedlichen Zwecken: In den Blättern zur Zerstörung des Chlorophylls und in den Früchten zur Konservierung. Die kräftigen Farben, die dabei entstehen, sind zumindest bei den Früchten von Vorteil, denn ein roter Apfel fällt mehr auf und lädt eher zum Fressen – und zum Essen – ein als ein grüner. <% image name="Chlorophyll_Obst" %><p> <small> <b>Die Wirkung von Chlorophyll ist im Körper unklar:</b> Entgegen der landläufigen Annahme, alles Grüne sei gesund, ist über die gesundheitliche Wirkung von Chlorophyll erstaunlich wenig bekannt. Klar ist lediglich, dass Chlorophyll als solches eigentlich nicht vom Körper aufgenommen wird. Seine photoaktiven Abbauprodukte wie das Pheophorbid a hingegen sind sogar giftig. Pheophorbid a entsteht entlang des Abbauwegs vom Chlorophyll zu den NCCs. Bei ihm fehlen bereits Magnesium und die fettliebende Seitenkette, allerdings ist das Tetrapyrrol-Ringsystem noch intakt. Erst vor kurzem wurde entdeckt, dass sich der Körper von Säugetieren aktiv vor der Aufnahme von Pheophorbid a schützt. Wissenschaftler um Alfred Schinkel vom niederländischen Krebs-Institut wollten eigentlich herausfinden, was die natürliche Aufgabe eines bestimmten Brustkrebsresistenzgens ist. Dieses Gen kodiert für ein Transport-Protein, das Krebsmedikamente aus den Zellen herausbefördert. Dadurch wirken die Medikamente nicht und die Therapie bleibt erfolglos. Also stellten die Wissenschaftler Mäuse her, denen die Brustkrebsresistenzgene fehlten. Die Mäuse schienen völlig gesund, bis sie eines Tages grünes Alfalfa-Futter zu fressen bekamen. Diejenigen Mäuse, deren Käfige in Nähe der Fenster standen, erlitten starke Lichtschäden. Folgendes stellte sich heraus: In dem grünen Futter war das Chlorophyll durch Enzyme bereits teilweise zu Pheophorbid a zersetzt. Im Gegensatz zum sperrigen Chlorophylmoleküll, kann Pheophorbid a sehr wohl von Zellen aufgenommen werden. Als natürlicher Schutz dienen nun just jene bei den Mäusen ausgeschalteten Transportermoleküle. Ihre Aufgabe ist es, das Photogift wieder herauszubefördern, genau wie sie es auch mit den Krebswirkstoffen tun. Somit hatten die Wissenschaftler unerwarteterweise einen Mechanismus entdeckt, mit dem sich der Körper vor der Aufnahme von phototoxischen Chlorophyll-Abbauprodukten schützt. Die NCCs im Obst hingegen, die nicht mehr photoaktiv sind, könnten sogar eher gesund sein. </small> <small> siehe auch: Angewandte Chemie 119, 8854-9957, 2007 </small> Mehr als nur „Chlorophyll-Müll“

Was die Röntgenbeugung zu leisten vermag

Menschen der Forschung: Karl Zojer im Gespräch mit Erich Halwax vom Institut für chemische Technologien und Analytik an der TU Wien. Über Algen als Knochenersatz, Geheimnisse in Zinnsärgen und dem Unterschied zwischen guter und schlechter Patina. Was die Röntgenbeugung zu leisten vermag <% image name="Erich_Halwax" %><p> <small> Erich Halwax: „Die Kristallographie ist aus den Lehrplänen fast schon verschwunden – ein Jammer!“ </small> <i>Auf dem Gebiet der porösen Materialien arbeiten Sie mit dem Kieferchirurgen Rolf Ewers vom AKH zusammen, der eine interessante Entdeckung gemacht hat. Was wird hier erforscht?</i> Professor Ewers hat entdeckt, dass Algen – etwa aus dem Atlantik vor der Bretagne – eine dem menschlichen Knochen sehr ähnliche hochporöse und gleichzeitig mechanisch stabile Struktur aufweisen. Um sie als Kieferersatz einsetzen zu können, muss man die Algen jedoch kristallchemisch verändern – im Wesentlichen wird das Carbonat der Algen (der Calcit) durch Phosphat in Form von Apatit ersetzt. Das geschieht hydrothermal unter Beibehaltung der hohen Porosität der Algen und ist im Detail Inhalt eines Patentes von Ewers. Meine Aufgabe war und ist es, Zwischen- und Endprodukte mittels Röntgenbeugung zu analysieren. Das ist die beste Methode zum Nachweis kristalliner Substanzen, auch von kleinsten Verunreinigungen bis in den Bereich um 0,1 %, sofern sie kristallin sind. <i>Wie finden die modifizierten Algen dann ihre konkrete Anwendung in der Kiefer- bzw. Gesichtschirurgie?</i> Das aus Algen hergestellte Knochenaufbaumaterial wird dem Patienten im Gesichts- und Kieferbereich implantiert. Das umliegende Gewebe macht aus dem Algenmaterial innerhalb weniger Monate gesunden Knochen. <i>Eine interessante Entdeckung haben Sie auch in der Kapuzinergruft gemacht?</i> Im Zuge der Restaurierung der Zinnsärge der Kapuzinergruft – gemeinsam mit der Universität für Angewandte Kunst – bekam ich eine Probe von einem Material zur Analyse, das auf der steinernen Bodenplatte unter dem Sarg gefunden wurde und das nachweislich aus dem Inneren des Sarges stammte. Der Befund aus der Röntgenbeugung war, dass die Probe kristallines NaNO<small>3</small> und KNO<small>3</small> enthält. NaNO<small>3</small> ist im Pökelsalz enthalten. Die Habsburger wussten also bereits im 17. Jahrhundert, wie sie ihre Toten konservieren können. <i>Mit der Universität für Angewandten Kunst arbeiten Sie auch heute noch zusammen?</i> Ja, diese Zusammenarbeit währt mittlerweile bereits seit 14 Jahren. Ein wichtiges Projekt war und ist die Untersuchung natürlicher Patina-Proben und von solchen, die durch künstliche Bewitterung von Kupferblechen hergestellten werden. Die Röntgenbeugung leistet hier unverzichtbare Dienste, weil sie problemlos zwischen den diversen kristallinen Kupfersulfaten unterscheidet, die sich bei Korrosion von Kupfer in saurem Regen (SO<small>3</small> + H<small>2</small>O) bilden können. Die Denkmalschützer unterscheiden zwischen guter und schlechter Patina. Gute Patina besteht aus Brochantit oder Antlerit (das sind basische Cu-Sulfate mit relativ wenig Sulfat), die beide das Objekt – etwa ein Bronzedenkmal – vor weiterer Korrosion schützen. Wird in der Patina aber Chalcanthit (CuSO<small>4</small>.5H<small>2</small>O) nachgewiesen, muss die Patina im Zuge der Restaurierung entfernt werden: Chalcanthit ist aggressiv und frisst sich immer weiter in das befallene Objekt hinein. <i>Sie wenden dabei häufig die so genannte Rietveld-Methode an. Was hat es damit auf sich?</i> Nach der Messung einer polykristallinen Probe liegen die Beugungsdaten in digitaler Form vor – Intensitäten als Funktion des Beugungswinkels 2Theta. Gemessen wird üblicherweise in 2Theta-Schritten von 0,02 Grad, zum Beispiel von 2Theta = 5 bis 2Theta = 70 Grad Cu-Strahlung. Das gemessene Diffraktogramm besteht also hier aus 65 mal 50 = 3.250 Daten. Es enthält die Intensitäten der an der Probe gebeugten Röntgenstrahlen (Röntgenreflexe) über einem Untergrund neben Bereichen, die nur aus Untergrund bestehen. Die Intensitäten der Röntgenreflexe hängen von den kristallinen Substanzen in der Probe ab, und zwar von deren Kristallstruktur und von deren Anteilen in der Probe. Kennt man alle in der Probe enthaltenen kristallinen Substanzen und kennt man ferner möglichst genau deren Kristallstrukturen, dann kann man die Intensitäten der Röntgenreflexe auch berechnen. Die bahnbrechende Idee Rietvelds bestand 1967 darin, das gesamte gemessene Diffraktogramm durch ein Modell zu simulieren, bei dem sinnvolle Annahmen auch über das Beugungsprofil eines einzelnen Reflexes (etwa eine Gauss-Funktion im Falle von Neutronenbeugung) und über den Untergrundverlauf zu machen waren. Die Anpassung des Modells an das gemessene Diffraktogramm erfolgt über ein Least-Squares-Verfahren. Diese Rietveld-Anpassung liefert dem Chemiker wertvolle Daten, unter anderem die quantitative Zusammensetzung der Probe, die Gitterparameter der kristallinen Phasen und deren Kristallitgrößen. Heute gibt es sehr benutzerfreundliche kommerziell erhältliche Rietveld-Programme und die Phasenquantifizierung mit ihnen ist ein Vergnügen – vorausgesetzt, man hat die Probe qualitativ korrekt analysiert, was keinesfalls immer trivial ist. <i>Sie beschäftigen sich auch sehr mit der Automatisierung von Analysenmethoden?</i> Ich habe vor Jahren eine Methode ausgearbeitet und auch ein Computer-Programm dafür geschrieben, bei der das gemessene Diffraktogramm einer Probe simuliert wird – ausgehend von den ebenfalls gemessenen Diffraktogrammen der reinen Substanzen, die in der Probe enthalten sind. Im Vergleich damit ist die Rietveld-Methode zwar ungleich rechenaufwendiger, aber auch ungleich flexibler und leistungsfähiger. Ansonsten betreue ich die Datenbank für die Pulverdiffraktion. Es können jederzeit gemessene oder aus neuen Kristallstrukturen berechnete Diffraktogramme in die bestehende Datenbank aufgenommen werden. Das ist für Routineanalysen von Vorteil und für die Forschung manchmal unabdingbar. <i>Sie sind natürlich auch in der Lehre tätig. Was bringen Sie den Studierenden bei?</i> Die Grundzüge der Kristallographie und die Prinzipien der Röntgenbeugung an polykristallinen Proben sowie ihre Anwendungen in der qualitativen und quantitativen Phasenanalyse. Meine Lehrtätigkeit profitiert auch von der Zusammenarbeit mit ehemaligen Studenten, die heute in der Industrie tätig sind und denen ich bei der Lösung ihrer Probleme behilflich sein kann. Den Studierenden des ersten Studienabschnittes bringe ich die Grundzüge der Strukturaufklärung, demonstriert an einfachen anorganischen kristallinen Substanzen bei, also das, was die Pioniere der Röntgenkristallographie vor 90 Jahren gemacht haben, nur damals eben ohne Taschenrechner oder PC, sondern mit Logarithmentafeln. <i>Was für einen Eindruck haben Sie von den heute Studierenden?</i> Ich habe Studenten sowohl an der TU Wien als auch an der Universität für Angewandte Kunst. Bei den Studierenden von der Angewandten gefällt mir die Neugierde und die Begeisterung für mein Fach. Dass sie von mir auch etwas haben wollen, nämlich die Analyse ihrer Proben bei der Restaurierung von Kunstobjekten, liegt auch in meinem Interesse – ich lerne auch von ihnen. Bei den TU-Studenten, insbesondere bei denen des ersten Studienabschnittes, gibt es ein größeres Gefälle zwischen denen mit schneller Auffassung und denen, die langsamer sind. Mein Problem waren aber noch nie die Studenten. Mein Problem sind die Lehrpläne für die künftigen Chemiker, und in diesen Lehrplänen sehe ich die Kristallographie praktisch nicht mehr vertreten – ein Jammer. <i>Was sagt ein Universitätslehrer zum Thema Gesamtschule?</i> Ich bin offen für die Gesamtschule. Es kommt meines Erachtens langfristig ebenso darauf an, dass eine Gesellschaft ihre Bürger zu Toleranz erzieht wie darauf, dass sie Begabungen fördert.

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