Die Vorzüge der Npro-Fusionstechnologie
Die Forschungsarbeit von Clemens Achmüller an der Universität Innsbruck wurde Ende 2007 mit dem vom Chemie Report vergebenen <a href=http://chemiereport.at/chemiereport/stories/7026>ALSA 2007</a> belohnt. Der junge Tiroler beschreibt, wie die Produktion von Proteinen dank der N<small>pro</small> Fusionstechnologie mit authentischen N-Termini in E. coli möglich ist.
<table> <td> Gentechnisch veränderte Kolibakterien werden wegen der guten genetischen Charakterisierung und der schnellen Ansammlung von Biomasse seit Jahrzehnten für die industrielle Produktion therapeutische Proteine verwendet. Jedoch unterscheiden sich die Proteine aus den Bakterien leicht von denen höherer Zellen: die bakterielle Proteinsynthese beginnt nämlich mit formyl-Methionin anstatt Methionin. Die Formylgruppe wird durch Deformylasen und das Methionin durch Amino-Peptidasen entfernt. Werden rekombinante Proteine überexprimiert, entsteht eine heterogene Mischung in Bezug auf deren N Terminus, weil beide Reaktionen sehr ineffizient sind. </td> <td><% image name="ALSA_Achmueller" %></td> </table><p> <small> Clemens Achmüller bei der Verleihung des ALSA 2007. Seine Forschungsarbeit hat bei Sandoz und Boehringer Ingelheim für hohe Produktivitätssprünge gesorgt. © Thomas Preiss </small>
Aufwendige und teure Downstream Processing Schritte sind nötig, um das gewünschte Produkt hochrein zu erhalten. Gelingt dies nicht, wird die Zulassung des Medikamentes durch die Gesundheitsbehörde blockiert, da es im Patienten zu unerwünschten Immunreaktionen oder zu einer veränderten Pharmakokinetik kommen kann. Zurzeit werden so genannte Fusions-Tags verwendet, welche anschließend durch chemische oder enzymatische Spaltung entfernt werden, um den homogenen N-Terminus zu erhalten. Da zuerst ein Enzym zugeben werden muss, um es dann gemeinsam mit dem abgespaltenen Tag wieder zu entfernen, wird der gesamte Prozess verteuert. Unerwünschte Spaltungen innerhalb des Zielproteins und unvollständige Entfernung des Tags können den Produktionsprozess verlangsamen und die Kosten weiter nach oben treiben. Verwendung von N-terminalen Signalsequenzen, um das Zielprotein ins Periplasma zu treiben ist ein weiterer gängiger Ansatz. Nach erfolgter Translokation werden die Signalsequenzen enzymatisch abgespalten, jedoch sind die Produktausbeuten sehr gering. Effizientere Methoden sind zurzeit noch rar. Erst kürzlich wurden so genannte Inteine (Protein Splicing Elemente) als selbst-spaltende Tags eingeführt. Über deren industriellen Einsatz gibt es zurzeit noch keine Berichte und die Ausbeuten scheinen ebenfalls nicht sehr hoch zu sein. Das <a href=http://www.acbt.at>Austrian Center of Biopharmaceutical Technology</a> nutzt Synergismen zwischen universitären Instituten (Institut für angewandte Mikrobiologie der BOKU Wien und Institut für Biochemie der Universität Innsbruck) und Industrie (Sandoz, Boehringer Ingelheim und Ionimed), um effizientere und schnellere biopharmazeutische Produktionsprozesse zu entwickeln. Es sollte unter anderem ein neuartiges prokaryotisches Expressionssystem entwickelt werden, mit dem der gewünschte N Terminus auf einfache und effiziente Weise erhalten werden kann. Die Forscher des Kompetenzzentrums versuchten die Autoprotease N<small>pro</small> (168 Aminosäuren) vom Schweinepestvirus als selbstspaltenden Fusions-Tag für die biotechnologische Anwendung zweckzuentfremden (N<small>pro</small> Fusionstechnologie). Dabei will man das gewünschte Zielprotein als Fusionsprotein mit N<small>pro</small> in sog. Inclusion Bodies (IB), inerte unlösliche Proteinaggregate exprimieren, um auch toxische Proteine und Peptide herstellen zu können. Peptide werden normalerweise im Bakterium proteolytisch abgebaut. Somit dient die Autoprotease als N-terminale Schutzkappe welche das therapeutische Protein zunächst in Inclusion Bodies treibt, um es vor unerwünschten chemischen oder enzymatischen Modifikationen zu schützen. Nachdem die Fusionsproteine aufgereinigt wurden, wird die autoproteolytische Aktivität von N<small>pro</small> durch so genanntes in vitro Protein Refolding aktiviert, um das Zielprotein mit authentischen N-Termini freizusetzen (siehe Abb. 1). Bei der Umsetzung der geplanten Strategie mussten die Forscher mit einer Reihe von Problemen kämpfen: N<small>pro</small> war von Natur aus für die Funktion im Schweinepestvirus optimiert und schien gänzlich ungeeignet für eine biotechnologische Anwendung. Im natürlichen Wirt spaltet sich N<small>pro</small> co-translational vom viralen Polypeptid ab, das genaue Gegenteil von der geplanten Expression des Fusionsproteins in den Bakterien. Außerdem konnte eine Reihe von Proteinen nicht abgespalten werden, da N<small>pro</small> sehr unlöslich ist und gemeinsam mit dem Fusionspartner während dem Protein Refolding präzipitierte. Das ambitionierte Projekt stand auf sehr wackeligen Beinen und ein Abbruch des Projektes stand im Raum. Wir von der Arbeitsgruppe um Bernhard Auer vom Institut für Biochemie der Universität Innsbruck haben versucht, die physiko-chemischen Eigenschaften der Autoprotease (Anzahl Cysteine, isoelektrischer Punkt, aliphatischer Index) durch ortsgerichtete Mutationen und anschließendem Screening zu verändern („Protein Engineering“). Wir konnten eine verbesserte N<small>pro</small> Mutante (EDDIE) mit reduzierter Tendenz zur Aggregation generieren [1]. <% image name="Achmueller_Grafik" %><p> <small> Abb. 1. Schema der Npro Fusionstechnologie: Das Gen für das gewünschte Zielprotein wird an das Npro Gen fusioniert, in einen Expressionsvektor kloniert und in E. coli Zellen transformiert. Expression der Fusionsproteine als Inclusion Bodies (IB) und anschließende Isolation der IB. Chaotrop (strukturzerstörend) wirkende Agentien werden benötigt, um die aggregierten Fusionsproteine aufzulösen. Durch in vitro Refolding (Änderung der Bedingungen von chaotrop zu kosmotrop; strukturausbildend) wird die Autoprotease aktiviert und befreit das Zielprotein (Target) mit dem gewünschten N-Terminus (X169, X steht für alle proteinogenen Aminosäuren, außer Prolin). </small> Erst jetzt war es möglich eine Reihe von Proteinen abzuspalten, welche von der Wildtyp Autoprotease nicht befreit werden konnten. Weiters hatte EDDIE eine geringere Aktivität in der bakteriellen Zelle und wies in vitro eine generell erhöhte Spaltungsrate (bis zu 95 %) und -kinetik auf. Wir konnten auch zeigen, dass alle proteinogenen Aminosäuren (außer Prolin) direkt nach der Spaltstelle eingesetzt werden können. Somit kann EDDIE als universeller Tag verwendet werden. Zusätzlich können mit Hilfe dieser neuen Technologie toxische Proteine und Peptide in E. coli in hoher Ausbeute (bis zu 12 g/l) produziert werden. Aufgrund der Neigung von EDDIE Inclusion Bodies zu bilden, können neue Produktionsprozesses innerhalb kürzester Zeit entwickelt werden, da dies für jedes Zielprotein gleichermaßen gilt. Forscher um Alois Jungbauer vom Institut für Angewandte Mikrobiologie an der BOKU Wien versuchen gerade, Peptide mit Affinität gegen die veränderte Autoprotease EDDIE unter chaotropen Bedingungen zu entwickeln, um die Aktivierung des Enzyms auf einem Affinitätsmaterial unter hohen Proteinkonzentrationen durchzuführen. Angewendet wird die <small>Npro</small> Fusionstechnologie bereits von Sandoz und Boehringer Ingelheim Austria. Insgesamt konnten diese beiden Unternehmen auf Anhieb eine bis zu 40-fache Steigerung der Gesamtproduktivität im Vergleich zu einer konventionellen Produktionsstrategie erzielen. <small> Referenz: [1] C. Achmüller, W. Kaar, K. Ahrer, P. Wechner, R. Hahn, F. Werther, H. Schmidinger, M. Cserjan-Puschmann, F. Clementschitsch, G. Striedner, K. Bayer, A. Jungbauer, & B. Auer. Npro fusion technology to produce proteins with authentic N termini in Escherichia coli. Nature Methods. 2007 Dec; 4(12):1037-1043. </small>