Archive - Sep 12, 2012

Von Quantenphysik bis Neurobiologie

Neun österreichische Wissenschaftler wurden bei der diesjährigen Ausschreibung mit einem „Starting Grant“ des Europäischen Forschungsrat ERC bedacht. Unter ihnen sind der Festkörperphysiker <a href=http://static.ifp.tuwien.ac.at/homepages/Arbeitsgruppen/cms>Karsten Held</a> von der TU Wien und der Neurobiologe <a href=http://www.imp.ac.at/research/research-groups/haubensak-group>Wulf Haubensak</a> vom Institut für Molekulare Pathologie.

 

ERC Starting Grants sind beliebt. Die mit 1,5 Millionen Euro dotierten Fördergelder des EU-Gremiums sollen Nachwuchswissenschaftlern (ab zwei und bis zu sieben Jahren nach der Promotion) den Aufbau oder die Konsolidierung eines eigenen Forschungsteams ermöglichen. Die Ausschreibung erfolgt im „Bottom-up-Verfahren“, also themenoffen und über alle Bereiche der Wissenschaft hinweg.

4.700 Anträge wurden in der diesjährigen Auschreibungsrunde gestellt, 536 Forscher erhielten den Zuschlag - neun davon kommen aus Österreich. Karsten Held vom Institut für Festkörperphysik ist einer von ihnen. Seine Gruppe beschäftigt sich mit der quantenmechanischen Beschreibung des Verhaltens von Elektronen in bestimmten Materialtypen. Da es sich dabei um Vielteilchensysteme handelt, müssen spezielle Ansätze benutzt werden, um die Eigenschaften am Computer simulieren zu können. Eine der Methoden, die er dabei benutzt, nennt sich <a href=http://en.wikipedia.org/wiki/Dynamical_mean_field_theory>„Dynamical Mean Field Theory“</a> und ist besonders dann ein geeignetes Beschreibungsmittel, wenn es starke Korrelationen zwischen den einzelnen Elektronen gibt, die am selben Gitterpunkt eines Kristalls sitzen. Um auch Korrelationen zwischen Elektronen an unterschiedlichen Gitterpunkten berücksichtigen zu können, arbeitet Held derzeit an der Entwicklung einer neuen Methode, die sich „Ab Initio Dynamical Vertex Approximation“ nennt.

Nur mithilfe derartiger quantenphysikalischen Ansätze ist ein tieferes Verständnis bestimmter Materialeigenschaften möglich, wie Held hervorhebt:   „Supraleitung bei hohen Temperaturen, Quanten-Phasenübergänge nahe am absoluten Temperatur-Nullpunkt oder das Verhalten von Elektronen in winzigen Nanostrukturen – es gibt eine ganze Reihe von Quanten-Effekten, die theoretisch noch immer nicht ausreichend gut beschrieben werden können“, so Held.

 

Die Neurologie von Angst und Freude

Erfolgreiche Anträge für einen ERC Starting Grant kamen aber auch von Vertretern der Biowissenschaften. Wulf Haubensak arbeitet am Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien an der Erforschung der neuronalen Aktivität, die mit bestimmten Emotionen wie Angst und Freude in Zusammenhang stehen. Verschiedene Areale in Hirnrinde, Stammhirn und den sogenannten Mandelkernen (Amygdala) bilden ein komplexes Netzwerk neuronaler Schaltkreise, das allerdings in den Details noch unverstanden ist.

Mit den ERC-Mitteln sollen nun emotionale Schaltkreise in diesem Netzwerk kartiert und untersucht werden, wie das Zusammenspiel einzelner Schaltkreiselemente entstehen. Dazu bedient man sich der Maus als eines experimentell zugänglichen Tiermodells, dessen Gehirnanatomie einen Vergleich mit dem Menschen zulässt. Mithilfe von Viren, die selektiv bestimmte Nervenzellen befallen, können fluoreszierende Proteine eingeschleust werden, um miteinander verschaltete Neuronen sichtbar zu machen. Die noch junge Methodik der <a href=http://de.wikipedia.org/wiki/Optogenetik>Optogenetik</a> erlaubt darüber hinaus, bestimmte Nervenzell-Gruppen mittels Licht an- und auszuschalten und zu untersuchen, wie sich dies auf den emotionalen Zustand und das Verhalten auswirkt.

 

 

Wulf Haubensak, IMP