Archive - Jun 20, 2013

Schlagabtausch um Biosprit

 

Einen heftigen Schlagabtausch über den Sinn und Unsinn von Biosprit lieferten sich in den vergangenen Tagen Politiker der Regierungsparteien sowie Agrarfunktionäre und -industrielle. Den Anfang machte Petra Bayr, ihres Zeichens Bereichssprecherin für globale Entwicklung der SPÖ im Nationalrat. Ihr Ziel: einmal mehr der in den vergangenen Wochen wegen Bienen, Neonicotinoiden und sonstigen Herbiziden ohnehin Land auf, Land ab geprügelte Landwirtschafts- und Umweltminister Nikolaus Berlakovich. Ihm warf Bayr vor, sich, „vertreten durch einen Mitarbeiter der Ständigen Vertretung, im EU-Umweltausschuss erneut gegen eine Beschränkung der Agrotreibstoffe auf fünf Prozent ausgesprochen“ zu haben. Das sei „inakzeptabel“, da derartiger Sprit „den weltweiten Hunger“ anheize, wetterte Bayr und fügte hinzu: „Eigentlich handelt es sich um reine Klientelpolitik gegenüber dem Bauerbund und dem Raiffeisen-Konzern, die um die Auslastung ihres Werkes in Pischelsdorf im Burgenland fürchtet. Priorität ist offenbar, dass bestehende Investitionen nicht gefährdet werden sollen.“ 

Unterstützung kam von Karin Kadenbach, EU-Parlamentarierin der SPÖ. Als Mitglied im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung sowie im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, kritisierte sie Berlakovichs Verhalten als „unüberlegten Irrweg. Die Bezeichnung 'Bio'-Sprit ist ebenso beschönigend wie der selbstverliehene Titel 'Lebensministerium'. Bisherige Entwicklungen und neuere Studien belegen eindeutig eine unerwünschte Bilanz der Agrartreibstoffe 1. Generation im Umweltbereich, aber auch im Zusammenhang mit den Menschenrechten. So drohen zum Beispiel durch Landnutzungsänderungen massive Kostensteigerungen im Lebensmittelbereich.“ 

 

Schultes gegen Kadenbach


Nicht hinnehmen wollte das der Präsident der niederösterreichischen Landwirtschaftskammer und Umweltsprecher der ÖVP im Nationalrat, Hermann Schultes. „Gerade in krisengeschüttelten Zeiten wie diesen ist die Produktion von Bioenergie im eigenen Land nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern ökonomisch wertvoll“, ließ er per Aussendung wissen. Und Schultes trat zum Gegenangriff an: „Anstatt mitzuhelfen, dass die Klimaziele erreicht werden, die Wertschöpfung und das schwer verdiente Geld im eigenen Land bleibt, füttert Frau Kadenbach lieber weiterhin Russland und behindert in Europa die Eigenproduktion.“ Außerdem möge Kadenbach doch freundlichs „daran denken, dass, wenn wir die derzeit in Österreich aus unterschiedlicher Biomasse erzeugte Bioenergie nicht hätten, wir zusätzlich noch 3,2 Milliarden Euro mehr für Energieimporte aus demokratiepolitisch höchst bedenklichen Staaten ausgeben müssten.

Thesen, die die Gescholtene zu „Nachhilfe in Sachen Biosprit für Umweltverantwortliche der ÖVP“ veranlassten: „40 Prozent des in der EU verbrauchten Biodiesels müssen importiert werden. Auch Österreich ist kein Selbstversorger bei Biosprit. Schon für die 10-prozentige Beimischungspflicht müssen 80 Prozent der Pflanzenöle importiert werden. Wenn andere Länder selbst der Beimischungspflicht nachkommen, bleibt dann noch genug übrig für Österreich?“ Und einmal mehr wiederholte Kadenbach: Biosprit aus Getreide, Zucker und Ölsaaten zu subventionieren, gehe „zulasten der Nahrungsmittelproduktion, treibe die Preise und sei noch dazu wegen der energie- und flächenaufwendigen Herstellung unbedeutend für den Klimaschutz.“ 

 

Marihart gegen Bayr

Den nächsten Hieb führte Agrana-Chef Johann Marihart gegen die Nationalratsabgeordnete Bayr. Deren Kritik sei „von Unsachlichkeit und Unkenntnis geprägt.“ Bayr wisse offenbar nicht, dass die fragliche Bioethanolanlage nicht im Burgenland steht, „sondern in Niederösterreich an der Donau“. Und um die Auslastung des Werks brauche sich die Politikerin keine Sorgen zu machen: „Agrana verzeichnet eine vollständige Produktionsauslastung und stellt aktuell eine Hälfte ihrer in Niederösterreich erzeugten Bioethanolmenge für die derzeit erfolgende fünfprozentige Benzinbeimischung her.“ Aus gegebenem Anlass stellte Marihart überdies klar, nur etwa 2,5 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen in Österreich würden für die Bioethanolproduktion genutzt, der „Rest“ für die Nahrungsmittelerzeugung. Auch verwende die Agrana für „ihr“ Bioethanol ausschließlich „nachhaltig produzierte Futtergetreide-Überschüsse aus Mitteleuropa, die für die Nahrungsmittelproduktion nicht geeignet sind.“ In Pischelsdorf produziere die Agrana jährlich rund 220.000 Kubikmeter Bioethanol. Das reiche für Österreich selbst dann, wenn E10 doch noch eingeführt werde. 

 

Dresche aus der Kammer

Die vorerst letzten Prügel teilte Landwirtschaftskammerpräsident Gerhard Wlodkowski in Richtung Kadenbach aus. Etwa 98 Prozent der Rohstoffe für Biodiesel stammten nachweislich aus der EU. Und „es kann doch EU-Abgeordneten nicht gleichgültig sein, dass fossile Rohstoffe aus Staaten wie Kasachstan, Nigeria, Russland, Libyen oder Syrien über tausende von Kilometern im teuren Austausch gegen Milliarden Euro nach Europa eingeführt werden müssen, wenn grüne Energie bei uns erzeugt werden und die Wertschöpfung in der EU verbleiben könnte.“  Eine Reaktion Kadenbachs erfolgte bislang nicht. Insidern zufolge ist allerdings einigermaßen sicher, dass dies nicht die letzte Auseinandersetzung um den Biosprit war. Die nächste Runde folge bestimmt. 

 

 

 

Biosprit aus dem Stahlwerk

 

Siemens und das Biotechnologieunternehmen LanzaTech wollen Bioethanol aus Stahlwerksabgasen erzeugen. Sie haben dazu ein Kooperationsabkommen mit zehn Jahren Laufzeit geschlossen, teilten die Unternehmen per Aussendung mit. LanzaTech betreibt seit 2008 in Auckland in Neuseeland eine Anlage, in der Stahlwerksabgase in einen Bioreaktor eingeleitet werden. Dort wandeln von Lanza entwickelte gentechnisch veränderte Clostridien das in den Abgasen enthaltene CO sowie CO2 in eine wässrige Lösung um. Aus dieser werden verwertbare Stoffe herausgefiltert. In der Folge können Bioethanol sowie Basischemikalien erzeugt werden, darunter Essigsäure und Aceton. Laut LanzaTech fallen die Bakterien in die Risikogruppe 1 der World Health Organization (WHO). Das heißt, sie stellen keine Gefahr für Mensch und Umwelt dar. Wie in der Aussendung verlautete, erzeugen zwei vorkommerzielle Anlagen in China seit vergangenem Jahr rund 300 Tonnen Ethanol aus den Abgasen von Stahlwerken. Geplant ist, zwei kommerzielle Ablagen zu bauen. Sie sollen schon 2014 in Betrieb gehen. 

 

Siemens und LanzaTech beziffern das jährliches Volumen des Weltmarkts für Ethanol mit „mehr als 80 Millionen Tonnen“, von denen 75 Millionen Tonnen auf den Einsatz als Biokraftstoff entfallen. Ausdrücklich hielten Siemens und LanzaTech fest, das Verfahren stehe nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelerzeugung. Dieser Punkt wird im Zusammenhang mit der Erzeugung von Biokraftstoffen immer wieder heftig diskutiert.

 

 

 

Doktoratsinitiative „DokIn'Holz“ gestartet

 

Mit der Doktoratsinitiative „DokIn'Holz“ wollen die Kooperationsplattform Forst Holz Papier (FHP) sowie das Wissenschaftsministerium die österreichische Expertise in Sachen Holzgewinnung und -verarbeitung weiter verbessern. Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle sagte, es gehe darum, „Wirtschaft und Grundlagenforschung näher zusammenzubringen.“ FHP-Vorsitzender Georg Adam Starhemberg sieht „DokIn'Holz“ als „Einstieg in eine längerfristige Zusammenarbeit“.  Die Initiative trägt den Untertitel „Holz - Mehrwertstoff für die Zukunft“. Geleitet wird sie von der Universität für Bodenkultur (BOKU), weiters sind die Technischen Universitäten Wien und Graz beteiligt. Das Projekt läuft über drei Jahre und ist mit insgesamt rund zwei Millionen Euro dotiert, die das Ministerium und die Forst- und Holzwirtschaft zu gleichen Teilen aufbringen. Pro Dissertation und Jahr stehen 55.000 Euro zur Verfügung. Somit können zwölf Dissertanden gefördert werden. Jeweils die Hälfte davon wählen die BOKU und die beiden Technischen Universitäten aus. Die Forschungsgebiete umfassen die gesamte Wertschöpfungskette und gliedern sich in drei Leitthemen, erstens Sicherung der nachhaltigen Holz- und Biomassebereitstellung, zweitens neue Produkte und Verfahren und drittens Holzbau. 

Der Leiter des Arbeitskreises Forschung und Normung bei FHP, Erich Wiesner, betonte, Österreich habe das Potenzial, ein „weltweites Kompetenzzentrum für die Holzwirtschaft zu werden.“ Im Herbst werde mit der Ausschreibung für die Vergabe der Dissertationen im Rahmen von DokIn'Holz begonnen. Manche Professoren hätten sicher bereits Ideen hinsichtlich geeigneter Kandidaten. Eines der Projekte werde sich mit innovativer Laubholzverwendung befassen. Der Anfall an Laubholz werde immer größer. Leider erfolge die Verwendung zurzeit zumeist als Brennstoff: „Damit haben wir sicher noch nicht die richtige Verwendung für diesen wertvollen Rohstoff.“ 

 

Holz als High-Tech-Produkt 

Gegenüber dem Chemiereport sagte Wiesner, im Hauptberuf Geschäftsführer des Holzbauunternehmens WIEHAG, er sehe eine der Zukunftschancen für die Branche nicht zuletzt im mehrgeschoßigen Holzbau. In Österreich sei dieser aus rechtlichen Gründen zurzeit nicht möglich. Technisch bestünden allerdings keinerlei Probleme, bei bis zu achtstöckigen Gebäuden sämtliche Anforderungen vom Brand- bis zum Schallschutz zu erfüllen. Einstweilen baue die Branche im Ausland, von Großbritannien bis Australien, und sei dabei höchst erfolgreich. „In dem Rohstoff Holz steckt ein gewaltiges Potenzial. Wir müssen ihn als High-Tech-Produkt verstehen und entsprechend nutzen“, betonte Wiesner. Gemeinhin würden die skandinavischen Länder als die Zentren der innovativen Holzverarbeitung betrachtet: „Wir sind aber um nichts schlechter.“ 

 

 

 

 

Gentechnik: EU-Kommission klagt Polen

 

Gentechnik: EU-Kommission klagt Polen

 

Die EU-Kommission klagt Polen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), weil es ihrer Ansicht nach Vorschriften über die Überwachung des Anbaus gentechnisch veränderter Organismen (GVO) nicht einhält. In einer Aussendung der Kommission hieß es, laut EU-Richtlinie 2001/18/EG „über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt“ müssten GVO-Anbaugebiete „den zuständigen nationalen Behörden gemeldet, in einem vom Mitgliedstaat eingerichteten Register verzeichnet und der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden.“ So könnten „mögliche Auswirkungen von GVO auf die Umwelt überwacht und Koexistenz-Maßnahmen ergriffen werden.“

Polen habe die diesbezüglichen Bestimmungen noch immer nicht in nationalstaatliches Recht umgesetzt, obwohl es mehrfach, zuletzt im November 2012, dazu aufgefordert worden sei. Dass die Kommission übereilt handelt, lässt sich ihr schwerlich vorwerfen: Umzusetzen war die Richtlinie bis zum 17. Oktober 2002.