Archive - Jun 23, 2012

Achema 2012: Vorstöße in industrieller Biotechnologie

Die Chemieindustrie-Fachmesse <a href=http://www.achema.de>„Achema“</a>, die von 18. bis 22. Juni auf dem Gelände der Frankfurter Messe stattfand, erwies sich als Stimmungs- und Trendbarometer der Branche. Der vermehrte Einsatz von biotechnologischen Prozessen ist einer der großen Trends, die auf der Großveranstaltung feststellbar waren.

 

Aussteller und Referenten der Achema 2012 nehmen das Wort von der Bioökonomie oft und gerne in den Mund und beschwören die heranrückende Umstellung der Chemieproduktion auf bio-basierte Rohstoffe. Was sich tatsächlich abzeichnet, wenn man die Emphase auf ihren realen Gehalt abklopft, ist der Wille zu einer Verbreiterung der Rohstoffbasis unserer stofflichen Transformationen: Zu Erdgas, Erdöl und Kohle gesellen sich in steigendem Ausmaß verschiedenste nichtfossile biogene Materialien hinzu. Das eröffnet angesichts unsicherer Rohstoffmärkte einen größeren Raum an Optionen, stellt die Verfahrenstechnik aber vor Herausforderungen, die sich vom bislang gewohnten oft grundlegend unterscheiden.

 

Umgang mit schwankender Beschaffenheit

Eines der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale von Biomasse gegenüber fossilen Rohstoffen ist ihre schwankende Beschaffenheit. Ein Beispiel dafür ist die Produktion von Biotreibstoffen. Soll auf diesem Gebiet der Übergang von der ersten Generation, die Feldfrüchte als Ausgangsmaterial benützt, zur zweiten – mit landwirtschaftlichen Abfällen und Speisersten als Rohstoff – gelingen, müssen Anlagen und Prozesse auf die damit verbundene Erhöhung der Variabilität des Inputs ausgerichtet sein.

Viele der dabei im Detail auftretenden Probleme kennen Verfahrenstechniker aber oft schon aus Erfahrungen mit anderen Prozessen. Karin Öhgren Gredegard, die beim schwedischen Komponentenhersteller Alfa Laval für das Marketing in Richtung Biotreibstoffen und Zucker zuständig ist, nannte auf einer Pressekonferenz im Rahmen der Achema ein Beispiel: „In biogenem Material findet sich oft viel Sand. Hier kann man aus den Erfahrungen mit Ölsanden schöpfen.“ Ähnlich verhalte es sich mit den Gehalten an Lignin und langfaserigen Komponenten. Aber auch die Erfahrungen mit Bioethanol der ersten Generation hält Gredegard für überaus wertvoll für den nächsten technologischen Schritt, auch für das Geschäft mit thermischen Anlagenkomponenten: „Wir benutzen unsere Erfahrungen mit der ersten Generation, um unseren Kunden mit der zweiten Generation zu helfen“, so Gredegard.

 

Anlagenbauer erweitern Technologie-Portfolio

Auch der zum Thyssen-Krupp-Konzern gehörende Anlagenbauer Uhde arbeitet daran, sein Technologieportfolio auf den Umgang mit Biomasse zu erweitern. „Die Entwicklung ist nun soweit, dass sie aus dem Labor hinaus und in den Anlagenbau hinein geht“, sagte Uhde-Kommunikationschef Detlef Markmann im Gespräch mit dem Chemiereport. Die ersten Schritte sind bereits getan: Die erste von Uhde Biotechnologie entworfene industrielle Bernsteinsäure-Anlage wird derzeit vom Partnerunternehmen Myriant in Lake Providence (USA) gebaut. Und auf dem Gelände des Chemiestandorts Leuna entsteht eine unternehmenseigene Mehrzweckversuchsanlage, mit der neben Milch- und Bernsteinsäure auch die biotechnologische Produktion anderer organischer Säuren erprobt werden soll.

Der Achema-Veranstalter Dechema (Deutsche Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V.) hat diesem Trend mit einem eigenen Schwerpunkt „Bio-based world“ Rechnung getragen. Neben der ausgiebigen Thematisierung der biotechnologischen Offensive in Podiumsdiskussionen und Vortragsveranstaltungen wurde in diesem Jahr erstmals eine Partnering-Plattform angeboten, die interessierten Teilnehmern das Auffinden des geeigneten Kooperationspartners erleichtern sollte. Die Technologietransfer-Tage boten darüber hinaus Wissenschaftlern aus öffentlichen Forschungseinrichtungen ein Forum, auf dem sie marktrelevante Erfindungen gegenüber Unternehmen und Investoren zu präsentieren konnten.