Archive - Mär 21, 2012

Zweifelhafter Verdacht

Es gibt keinen schlüssigen Beweis für die Verschmutzung von Grundwasser durch „Hydraulic Fracturing“, wie es bei der Förderung von Schiefergas (Shale Gas) eingesetzt wird, zeigt eine aktuelle Studie des Energy Institute der University of Texas in Austin. Beim „Fracturing“ wird mit Zusatzstoffen versetztes Wasser unter hohem Druck in die gashältigen porösen Gesteinsschichten gepresst. Das ist notwendig, um diese aufzubrechen und das Gas fördern zu können. Ein Autorenteam unter Leitung des Institutsdirektors, Charles D. Groat, untersuchte eine Reihe von Berichten über Verschmutzungen des Grundwassers in den US-amerikanischen Shale-Gas-Feldern Marcellus, Haynesville, Eagle Ford Barnett, Barnett-Woodford, Fayetteville, Woodford, Mancos sowie Lewis, die auf „Hydraulic Fracturing“ zurückzuführen sein sollten. Das Ergebnis: Probleme, wie sie in den Berichten erwähnt werden, gibt es auch bei der Erschließung normaler Erdöl- und Erdgasvorkommen – wenn dabei nicht mit ausreichender Sorgfalt gearbeitet wird. Insbesondere betrifft dies Leckagen (Spills), aber auch Fehler bei der Behandlung von Abwässern, wie sie bei der Öl- und Gasförderung unvermeidlich sind. Solche Vorkommnisse sind laut Groat und seinen Kollegen erheblich bedenklicher als das „Hydraulic Fracturing“. Allerdings ist es auch vergleichsweise einfach, gegenzusteuern: Wie Groat und seine Mitautoren ausdrücklich betonen, sind manche Probleme nicht zuletzt auf die unzureichenden US-Umwelt- und Sicherheitsvorschriften für Öl- und Gasförderprojekte zurückzuführen, die großteils vor Beginn des Shale-Gas-Booms vor einigen Jahren erlassen wurden. Auch ist eine Reihe der rund 95 potenziell gesundheitsgefährdenden Substanzen, die bis 2009 in der Shale-Gas-Förderung eingesetzt wurden, mittlerweile nicht mehr in Verwendung. Einige der fraglichen Stoffe kommen auch anderwertig zum Einsatz. So ist Napthalin etwa ein wesentlicher Bestandteil von Mottenkugeln und WC-Duftspülern. Benzol wiederum tritt unter anderem im Zigarettenrauch auf. Das Rauchen und das Passivrauchen werden für rund 50 Prozent der Benzolbelastung der US-amerikanischen Bevölkerung verantwortlich gemacht.

Dirty Dish

Keinen klaren Nachweis für gesundheitliche Auswirkungen durch die Beeinträchtigung der Luftqualität in Folge der Shale-Gas-Förderung erbrachten der Studie zufolge übrigens mehrere Untersuchungen auf lokaler Ebene. Eine davon bezog sich auf das 200-Seelen-Städtchen Dish im Gebiet des Barnett Shale im Nordosten von Texas. Dessen ehemaliger Bürgermeister Calvin Tillman hielt sich kürzlich in Wien auf und sprach sich bei einer vom österreichischen Biomasseverband organisierten Pressekonferenz energisch gegen die Shale-Gas-Produktion aus. Allerdings: Wie die Studie zeigt, ist der Straßenverkehr im Gebiet von Dish zumindest in gleichem Ausmaß für die dort nachweisbare Luftverschmutzung verantwortlich wie die Gasindustrie mit ihren Aktivitäten. Auf ersteren entfallen etwa 45 Prozent der Emissionen an flüchtigen organischen Verbindungen (VOCs), auf die letzteren etwa 43 Prozent.

Anhand von zwei Feldstudien wollen die Forscher der University of Texas die Auswirkungen der Shale-Gas-Förderung nunmehr detailliert untersuchen. Die erste beginnt im April und befasst sich mit behaupteten Grundwasserverschmutzungen im Barnett-Shale. Ein zweites Projekt ist derzeit in Ausarbeitung. Es soll untersuchen, ob die wasserführenden Schichten oberhalb und unterhalb von Shale-Gas-Vorkommen durch das „Hydraulic Fracturing“ miteinander in Verbindung werden können, woraus sich potenziell Gefährdungen für das Grundwasser ableiten ließen.

 

Große Reserven

Die Shale-Gas-Vorkommen auf dem US-amerikanischen Festland werden zurzeit auf etwa 24.400 Milliarden Kubikmeter geschätzt, was etwa der Hälfte der konventionellen Erdgasvorkommen der Russländischen Föderation, der größten der Welt, entspricht. Shale Gas deckt derzeit etwa 23 Prozent des Gasbedarfs der USA, für 2035 wird ein Anstieg dieses Werts auf rund 46 Prozent erwartet. (kf)