Archive - Feb 15, 2016

Krach nach 14 Tagen Frieden

Erst am 2. Februar schlossen die Pharmabranche und der Hauptverband der Sozialversicherungsträger (HV) den neuen Rahmen-Pharmavertrag endgültig ab - nach monatelangen Auseinandersetzungen, die mit einiger Vehemenz geführt wurden. Knapp 14 Tage später hängt der Hausfrieden nun bereits wieder schief. Der Hintergrund sind die Ende Jänner angelaufenen Verhandlungen über den Erstattungskodex, der, grob gesprochen, festlegt, welche Medikamente die Krankenkassen für die Patienten bezahlen und was die einzelnen Arzneimittel kosten. Geplant ist, den Erstattungskodex im Lauf des Jahres zu reformieren. Vorsorglich verlautete die neue HV-Vorsitzende Ulrike Rabmer-Koller, für heuer sei ein Defizit der Krankenkassen von rund 94 Millionen Euro zu erwarten. Und, so der Wink mit dem Obelisken: „Die größten Kostensteigerungen in der Krankenversicherung waren 2015 in den Leistungsbereichen Zahnbehandlung (+5,6 Prozent) und Medikamente (+5,4 Prozent) zu verzeichnen.“ 

 

Allerdings musste Rabmer-Koller einräumen, dass sich der HV und die Kassen mit ihren Defizitprognosen für 2015 einigermaßen kräftig vertan hatten. Anstatt der kolportierten 135 Millionen Euro, die später auf 129 Millionen korrigiert wurden, verzeichneten die Kassen im vergangenen Jahr ein Minus von nur rund 21,9 Millionen Euro. Das ist nicht einmal ein Sechstel des ursprünglich genannten Betrags.

 

Vorsicht mit Prognosen

Jan Oliver Huber, der Generalsekretär des Pharmaindustrieverbands Pharmig, warnte denn auch davor, Rabmer-Kollers 94-Millionen-Abgang als in Stein gemeißelt anzusehen: „Diese Prognosen kann man unter dem Aspekt der kaufmännischen Vorsicht zwar verstehen, aber es wäre angebracht, sie während des Jahres nicht schon als sichergestellt in der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Dadurch wird die Situation der Krankenkassen laufend schlechter dargestellt als sie ist, was sich letztlich auch negativ auf das Vertrauen der Pflichtversicherten in die Leistungsfähigkeit ihrer Krankenkassen auswirkt.“ Und Huber fügte hinzu: Aufgrund des neuen Rahmen-Pharmavertrages bekämen die Kassen von der Branche heuer ohnehin 125 Millionen Euro an Solidarbeiträgen zur Deckung der Medikamentenkosten. Für die kommenden beiden Jahre sehe der Vertrag weitere Zuschüsse von jeweils bis zu 80 Millionen Euro vor. Hubers Fazit: „Unternehmen sind permanent gefordert, sich neuen Rahmenbedingungen zu stellen und sich an veränderte Strukturen anzupassen, um überleben zu können. Nichts anderes gilt im Grunde für Körperschaften öffentlichen Rechts“ wie eben die Krankenkassen.

 

Keine Quersubventionierung

Ähnlich argumentierte Sylvia Hofinger, die Geschäftsführerin des Fachverbandes der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO). Ihr zufolge wünschen der HV und die Kassen die Querfinanzierung defizitärer Bereiche, „anstatt Sparmaßnahmen im eigenen Haus umzusetzen. Wir weisen seit Monaten auf die zahlreichen Einsparungspotenziale bei den Krankenkassen hin. Die Liste ist lang und reicht von den Verwaltungskosten bis zum Betrieb der kasseneigenen Einrichtungen. Allerdings werden diese Vorschläge geflissentlich übersehen. Auf der anderen Seite wird scheinbar versucht, mit dem Nennen von nicht nachvollziehbaren Finanzierungslücken den Druck auf die Industrie zu erhöhen und politisch eine Sanierung mit fremden Mitteln vorzubereiten.“ Dies sei umso weniger nachvollziehbar, als die Krankenkassen laut „Berichten in den Medien ein Reinvermögen in der Höhe von 2,5 Milliarden Euro aufweisen.“