Archive - Mai 3, 2012

Fasten und Beten

Der Altersforscher <a href=http://www.uni-graz.at/imbmcwww.htm>Frank Madeo</a> vom Institut für Molekulare Biowissenschaften der Universität Graz sprach im Rahmen der Vortragsreihe „Am Puls“ über mögliche Schlüsse, die man aus seinem Fachgebiet für ein längeres Leben ziehen kann – nicht ohne den Wunsch danach vom Grundsatz her zu relativieren.

 

Für gewöhnlich trägt bei der vom Wissenschaftsfonds FWF und der Agentur PR&D veranstalteten Reihe „Am Puls“ ein Grundlagenforscher gemeinsam mit jemandem vor, der das zur Diskussion stehende Arbeitsgebiet in einen Zusammenhang von gesellschaftlicher Relevanz stellen kann. Frank Madeo übernahm am 2.Mai beide Rollen in Personalunion, als er verschiedene Aspekte des Modethemas „Anti-Aging“ vor einem bis zum Rand gefüllten Veranstaltungssaal des Albert-Schweizer-Hauses in Wien 9 beleuchtete. Und mit manchem, was mehr Teil der Mode als des Themas ist, rechnete der Biologe, der eine Professur an der Universität Graz innehat, so launig wie gnadenlos ab. Es gebe viele Scharlatane und reichlich Geschwätz auf diesem Gebiet und manchen Theorien, wie man ein hohes Alter erreichen könnte, sei selbst ein solches nicht beschieden gewesen. Allzu oft werde Korrelation mit Kausalität verwechselt: Nur weil auf viele Menschen, die ein höheres Alter erreichen, ein bestimmter Umstand zutrifft, müsse dieser noch nicht die Ursache für die länger anhaltende Vitalität sein. Madeo hält weder etwas von Verjüngungscremes noch von Vitamintabletten und dass sogenannte „Radikalfänger“, die die Bildung von freien Radikalen verhindern und somit antioxidativ wirken sollen, das Altern verzögern, sei durch keine seriöse Studie belegt.

 

Spermidin – ein molekularer Jungbrunnen

Seriöse Studien über den Alterungsprozess, das ist das Arbeitsgebiet des Forschungsteams von Madeo an der Uni Graz. Sein bevorzugtes Versuchsobjekt sind dabei Hefezellen. Hefezellen können sich durch Knospung vermehren – jede „Geburt“ einer Tochterzelle hinterlässt eine Narbe an der Mutterzelle, was als untrügliches Zeichen für den Alterungsprozess der Zelle angesehen werden kann. Die Forscher können nun erbliche Faktoren von frühem oder verzögertem Altern untersuchen, in dem sie Gene, die dafür in Frage kommen, in die Zellen einschleusen. Oder sie untersuchen, ob das Leben der Zellen durch Zuführung bestimmter Substanzen verlängert werden kann. Auf diese Weise entdeckten Madeo und seine Mitarbeiter auch die Wirkung von Spermidin, einer Substanz, die in hohen Konzentrationen in der menschlichen Samenflüssigkeit, aber auch in Weizenkeimen, Sojabohnen und Zitrusfrüchten sowie in asiatischen Heilpflanzen wie Mandelpilz oder Durian vorkommt. Das Molekül löst in Zellen einen Reinigungsprozess (die sogenannte Autophagie) aus – einen Effekt, den man schon bisher vom zeitweiligen Entzug von Nahrung her kannte.

Gelegentlich zu fasten ist denn auch derjenige Ratschlag, den Madeo seinen Zuhörern am wärmsten ans Herz legte, wenn diese etwas für ein längeres Leben tun wollten. Alle Religionen würden Zeiten des Nahrungsentzugs kennen, auch wenn sie durchaus nicht immer aus Kulturen stammen, in denen es im Überfluss zu essen gegeben habe. Heute sei der Zusammenhang mit einer lebensverlängernden Funktion erwiesen – wobei es dabei dezidiert nicht ums Abnehmen gehe: Dünne Menschen leben nicht länger als mollige, nur Fettleibigkeit sei zu vermeiden. Ebenso rät der Biochemiker zu einem weitgehend Verzicht auf Zucker und Nikotin, zu ausreichend Obst und Gemüse sowie Bewegung und zum Durchbrechen des Dauerstress durch Phasen der Ruhe. Zum Fasten könnte sich also das Beten gesellen – Mönche, so Madeo, hätten eine Lebenserwartung, die beinahe so hoch sei wie die von Frauen.

 

Jenseits der Naturwissenschaft

Madeo ist kein eindimensionaler Naturwissenschaftler. In seinem Vortrag erweist er sich als ebenso belesen wie originell im Gedankengang. Mit „Hymne auf ein liederliches Leben“ hat er sich auch als Romancier betätigt und die psychologischen Eigenheiten der verschiedenen Lebensalter beschrieben. Ob die schlichte Erhöhung der Anzahl an Lebensjahren überhaupt so erstrebenswert ist, das stellte Madeo aus philosophischer Perspektive in Frage. Oftmals sei es doch das Wissen um einen Endpunkt, das uns dazu motiviere, die Tage unseres Lebens bewusst in die Hand zu nehmen.