Archive - Jun 15, 2016

Endokrine Disruptoren: EU-Kommission präsentiert Kriterien

Die EU-Kommission präsentierte am 15. Juni die seit langem erwarteten Kriterien, nach denen Pestizide sowie Biozide als hormonell schädigende Stoffe (endokrine Disruptoren, EDs) einzustufen sind. Wie bereits im März angekündigt, stützt sich die Kommission dabei auf die Begriffsbestimmung von EDs durch die Weltgesundheitsorganisation WHO. Dieser zufolge ist ein Stoff ein ED, wenn er die menschliche Gesundheit schädigt, auf das Hormonsystem wirkt sowie seine Wirkung auf das Hormonsystem der Grund für die Gesundheitsschädigung ist. Laut EU-Kommission erfolgt die Definition eines Stoffes als ED „unter Heranziehung aller relevanten wissenschaftlichen Erkenntnisse, mit einer Gewichtung der Erkenntnisse nach ihrer Beweiskraft („Weight-of-evidence“-Ansatz) und mit einer robusten systematischen Überprüfung“.

 

Ergänzend ersucht die EU-Kommission die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA und die Europäische Chemikalienagentur ECHA, zu prüfen, „ob einzelne zugelassene Stoffe, bei denen es Indizien dafür gibt, dass sie endokrine Disruptoren sind, nach den heute vorgelegten Kriterien als endokrine Disruptoren identifiziert werden können“. Damit können die beiden Behörden die neuen Kriterien anwenden, sobald sie in Kraft sind. Laut geltendem EU-Recht dürfen Biozide sowie Pflanzenschutzmittel nicht zugelassen werden, wenn sie EDs sind. Ausgenommen sind Pflanzenschutzmittel, bei denen die Exposition vernachlässigbar ist, sowie Biozide, bei deren (sachgemäßer) Verwendung faktisch kaum Gesundheitsrisiken bestehen.

 

Die Vorschläge der Kommission müssen vom Europäischen Parlament und dem Rat im Rahmen regulärer Rechtssetzungsverfahren gebilligt werden. Die Kriterien gelten auch für Stoffe, die in die EU importiert werden. Aus diesem Grund hat die EU-Kommission ihre Vorschläge an die Welthandelsorganisation WTO übermittelt. So haben Drittstaaten die Möglichkeit, sich dazu zu äußern.

 

Vertane Chance“

 

Heftige Kritik kam vom Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO). Geschäftsführerin Sylvia Hofinger sprach von einer „vertanen Chance“. Die Kommission habe „mit ihrer unspezifischen Definition leider die Chance verpasst, die menschliche Gesundheit durch sinnvolle Kriterien und eine wissenschaftlich basierte Risikobewertung vor tatsächlich hormonell schädlichen Substanzen zu schützen. Diese breite Definition lässt keine Konzentration auf riskante Stoffe zu“. Ihr zufolge wird damit „der gefährliche und in der EU verbotene Weichmacher DEHP gleich behandelt wird wie zum Beispiel Kaffee, Bier oder Tofu“. Denn auch diese Lebensmittel enthielten Stoffe, die als EDs im Sinne der Vorschläge einzustufen wären. Das verunsichere die Bevölkerung und bringe für deren Gesundheit nichts. 

 

Hofinger zufolge sind generelle Kriterien, wie sie die EU-Kommission einführen will, sinnlos. Sie fordert statt dessen eine „stoffbezogene, wissenschaftliche Risikobewertung, bei der das Gefährdungspotenzial hormonaktiver Stoffe einzeln ermittelt wird“.

 

 

 

AIT sieht sich gut unterwegs

Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2015 verzeichnete das Austrian Institute of Technology (AIT) ein Konzernergebnis von rund 3,1 Millionen Euro, etwa ebensoviel wie 2014. Auch das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (EGT) blieb mit rund 3,2 Millionen Euro stabil. Das berichteten die AIT-Geschäftsführer Anton Plimon, Alexander Svejkovsky und Wolfgang Knoll heute bei der Jahresbilanzpressekonferenz in Wien. Laut Plimon ist auch das heurige Jahr gut angelaufen. Setze sich der Trend des ersten Quartals fort, „liegen wir exakt so, wie es das Budget für heuer vorsieht“. Für das Gesamtjahr 2016 ist laut Finanzchef Svejkovsky ein Jahresergebnis von etwa zwei Millionen Euro zu erwarten. Der Rückgang gegenüber 2015 ergibt sich aus der Verdopplung der Investitionen von sechs auf rund 12,5 Millionen Euro. Plimon zufolge fließt das Geld zu jeweils etwa der Hälfte in die Modernisierung sowie in die Anschaffung von Geräten: „Damit haben wir eine saubere Basis für die Zukunft“. Unter anderem wird eine Kaltkammer-Druckgussmaschine für den Standort Ranshofen der Geschäftseinheit „Light Metals Technologies“ beschafft. Überdies entsteht ein neues Labor für die Entwicklung von Batteriematerialien. Den Auftragsstand im Jahr 2015 bezifferte Svejkovsky mit rund 152,0 Millionen Euro, um etwa 11,3 Millionen weniger als 2014. Ihm zufolge ist dies eine durch das Projektgeschäft bedingte Schwankung: „Langfristig geht der Trend nach oben.“

 

Ein wesentliches Thema der nächsten Aufsichtsratssitzung ist laut Plimon die Evaluierung der AIT-Unternehmensstrategie. Im Zuge ihrer Erarbeitung überprüfen fünf „Panels“, die von externen Experten geleitet werden, die „Performance“ des AIT und seiner Tochterunternehmen und geben Empfehlungen hinsichtlich der weiteren Entwicklung ab. Der Prozess ist im Wesentlichen abgeschlossen: „Dann beginnen wir mit der Umsetzung der kurzfristigen wie auch der langfristigen Maßnahmen, die sich aus den Empfehlungen ergeben“. Wie Plimon dem Chemiereport erläuterte, besteht eine der Empfehlungen darin, das jeweils relevante Umfeld von Forschungsfeldern zu untersuchen, um diese noch besser bearbeiten zu können.

 

Knoll, der wissenschaftliche Geschäftsführer des AIT, ergänzte, dieses habe „Technologien zu entwickeln, die auf dem Markt tatsächlich nachgefragt werden“. Mit den geplanten Investitionen sei dies weiterhin gewährleistet. Aufgrund seiner Reputation werde das AIT mittlerweile auch eingeladen, in „Entscheidungs-, Definitions- und Designgremien“ für internationale Forschungsprogramme mitzuarbeiten, etwa im Rahmen von Horizon 2020 der EU und des nachfolgenden Vorhabens. Mit dem Complexity Science Hub habe das AIT eine Institution geschaffen, die sich unter anderem der Erarbeitung von Modellen für die zukünftige Entwicklung von Städten befasst. Dabei werden nicht nur die Infrastrukturnetze berücksichtigt, sondern auch die sozialen und die staatlichen Netze sowie deren wechselseitige Beeinflussung.

 

Im Steigflug“

 

Aufsichtsratschef Hannes Androsch resümierte, es sei seit 2007 gelungen, das AIT aus einem Sanierungsfall zu einer international ernstgenommenen Forschungs- und Entwicklungseinrichtung zu machen: „Wir sind im Steigflug in Richtung Premier Ligue“. Dies sei nicht zuletzt den Eigentümern, dem Technologieministerium (BMVIT) und der Industriellenvereinigung (IV), zu danken. Androsch bestätigte dem Chemiereport, die vor wenigen Wochen angelaufene Aufsichtratsperiode werde definitiv seine letzte sein. Er sehe seine wichtigste Aufgabe darin, die Evaluierung der Strategie unter Dach und Fach zu bringen und sicherzustellen, „dass die Geschäftsführung die adaptierte Strategie umsetzen kann. Dann ist mission accomplished“. 

Biosimilarsverband fordert neues Erstattungsmodell

Der im April gegründete <a href=http://biosimilarsverband.at target=“_blank“>Biosimilarsverband Österreich</a> fordert ein neues  Erstattungsmodell für Nachahmerprodukte von Biopharmaka. Die derzeit gültige restriktive Regelung verhindere die Verfügbarkeit zahlreicher Produkte auf dem österreichischen Markt.

 

Derzeit werden Biosimilars (also Nachahmerpräparate zu Biopharmaka nach Ablauf von deren Patentschutz) bei der Erstattung gleich behandelt wie Generika: Der erste Biosimilar-Anbieter auf dem Markt muss seinen Preis gegenüber dem Originator um 48 Prozent absenken, der zweite  um 15 Prozent gegenüber dem ersten, der dritte um 10 Prozent gegenüber dem zweiten. Nach Ansicht von Sabine Möritz-Kaisergruber, Geschäftsführerin von Astro-Pharma und Präsidentin des Biosimilarsverband Österreich (BiVÖ) verhindere dieses Modell den Eintritt zahlreicher Produkte in den Österreichischen Markt. „Österreich ist das einzige EU-Land, das kein auf Biosimilars zugeschnittenes Erstattungsmodell hat“, so Möritz-Kaisergruber. Viele Anbieter würden sich auf einen solchen Preisnachlass nicht einlassen, nach Angaben des BiVÖ sind von 23 in Europa zugelassenen Biosimilars nur acht im österreichischen Erstattungskodex gelandet.

 

Hohes Einsparungspotenzial bei neuem Modell erwartet

Nach Ansicht des Verbands seien Generika und Biosimilar aber schwer zu vergleichen, weil der Entwicklungsaufwand für ein biologisches Nachahmerpräparat ungleich größer sei als für ein durch chemische Synthese erzeugtes Generikum – nicht nur, weil ein Produktionsprozess mithilfe von Mikroorganismen oder Zellkulturen etabliert werden muss, sondern auch, weil die für ein Zulassung erforderlichen Daten ungleich komplexer sind. Denn im Unterschied zu Generika reicht es für die Zulassung eines Biosimilars nicht zu zeigen, dass ein mit dem Original vergleichbares Wirkungsprofil (Bioäquivalenz) vorliegt, es müssen auch möglichst große Übereinstimmungen in der Molekülstruktur und im Herstellungsprozess nachgewiesen und klinische Daten zur Wirksamkeit (Vergleichsstudie mit dem Referenz-Biologikum) vorgelegt werden.

Zur Untermauerung seiner Argumentation gab der BiVÖ eine Studie beim Marktforschungsunternehmen IMS Health in Auftrag. Dabei wurde eingeschätzt, welche Patentabläufe in den nächsten Jahren zu erwarten sind und davon ausgegangen aus, dass bei einem Preisnachlass von 30 anstatt der derzeit geforderten 48 Prozent der österreichische Markt so attraktiv für die Anbieter würde, dass alle zugelassenen Biosimilars auch gelauncht werden. Unter diesen Annahmen errechnete IMS Health ein Einsparungspotenzial von 300 Millionen Euro bis zum Jahr 2020, das ohne Eintritt neuer Biosimilars in den heimischen Markt nicht abgerufen werden könne.

 

Der Biosimilarsverband

Der Biosimilarsverband Österreich (BiVÖ) wurde im April von den fünf Anbietern A-med, Astro-Pharma, Ratiopharm, Sandoz und Stada als Zweigverband des Österreichischen Generikaverbands gegründet. Laut Aussage eines Branchenvertreters wolle man damit nicht nur die öffentliche Sichtbarkeit der für Biosimilars bestehenden spezielle Situation erhöhen, sondern sich auch gegenüber Unternehmen wie Boehringer Ingelheim oder Pfizer öffnen, die nicht auf den Generika-, wohl aber auf den Biosimilars-Markt abzielen.