Chemiebranche bedauert „Brexit“
Mit Bedauern nimmt der Fachverband der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) den Austritt Großbritanniens aus der EU zur Kenntnis. In einer Aussendung hieß es, das Ergebnis der Volksbefragung vom 23. Juni sei zu respektieren. Allerdings werde der Verband „die Briten als verlässliche Partner, die sich stets für eine vernunftorientierte Wirtschaftspolitik eingesetzt haben, vermissen“. Wirtschaftlich betrachtet, halten sich die Auswirkungen des Austritts in Grenzen: Nur etwa 2,5 Prozent der Exporte der heimischen Chemieindustrie gehen nach Großbritannien. Dieses liegt unter den Exportdestinationen an 11. Stelle, unter den Importländern an 8. Stelle. Auch werde Großbritannien „auch nach dem Austritt als Handelspartner zur Verfügung stehen“. Die EU-Kommission und die Regierungen der Nationalstaaten seien aufgerufen, allfällige negative Auswirkungen des „Brexit“ in Grenzen zu halten.
Laut Marijn Dekkers, dem Präsidenten des deutschen Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), kommt die Entscheidung Großbritanniens ungelegen: „Gerade jetzt, wo sich die Konjunktur in Europa zaghaft erholt, ist der Austritt ein schlechtes Signal für die weitere wirtschaftliche Entwicklung“. Dekkers befürchtet ein niedrigeres Wirtschaftswachstum sowie geringere Exporte. Auch sei das Referendum „nach den Differenzen über die richtige Flüchtlingspolitik der zweite Rückschlag in diesem Jahr für das historische Projekt der europäischen Einigung. Wir alle brauchen ein politisch geeintes und wirtschaftlich starkes Europa“.
Von den Exporten der deutschen Chemieindustrie gehen zurzeit etwa 7,3 Prozent nach Großbritannien, das Ausfuhrvolumen beläuft sich auf rund 12,9 Milliarden Euro pro Jahr. Laut VCI ist mit einer Abwertung des britischen Pfund zu rechnen. Daher würden sich Importe für die britische Wirtschaft verteuern. Überdies betreiben deutsche Chemieunternehmen im Vereinigten Königreich 63 Tochtergesellschaften mit etwa 6.000 Beschäftigten. Auch diese könnten von den Auswirkungen des „Brexit“ betroffen sein.
„Nicht, was wir wollten“
Seitens der britischen Chemical Industries Association (CIA) verlautete Chief Executive Steve Elliott, das Referendum habe „nicht jenes Ergebnis gebracht, das wir wollten. Aber wir respektieren den Wunsch der Bevölkerung nach Veränderung“. Er sei zuversichtlich, dass die Branche auch diese Herausforderung meistern werde. Elliott rief die britische Regierung auf, nun rasch den „bestmöglichen Exit-Plan“ auszuarbeiten und anschließend neue Wirtschaftsbeziehungen mit der EU auszuhandeln. Die CIA werde alles tun, um ihren Mitgliedern in der nun unvermeidlichen „Periode der Unsicherheit“ und die Verhandlungen in deren Sinne zu beeiflussen, sowohl in Großbritannien selbst als auch in Brüssel. Die britische Chemieindustrie erwirtschaftet jährlich einen Umsatz von etwa 50 Milliarden Pfund (60 Milliarden Euro). In die EU exportiert sie Waren im Wert von 15 Milliarden Pfund (18 Milliarden Euro). Die Zahl der Beschäftigten beläuft sich laut CIA auf etwa 140.000 Personen, deren Einkommen um etwa 30 Prozent über dem eines durchschnittlichen britischen Arbeiters liegt.
Die britische Royal Society of Chemistry äußerte ebenfalls Bedauern. Präsident Dominic Tildesley sagte, die EU-Mitgliedschaft habe sich auf Wissenschaft, Forschung und Innovation im Vereinigten Königreich positiv ausgewirkt, „vor allem hinsichtlich Finanzierung und Zusammenarbeit“. Wie es nun weitergehe, bleibe abzuwarten. Jedenfalls aber werde die Royal Society ihre Mitglieder auch weiterhin im Bereich der internationalen Kooperation unterstützen.